Mario Dobovisek: Heute kommt auf drei Erwerbstätige in Deutschland ein Rentner. 2050 wird in einigen Regionen jeder Erwerbstätige einen einzelnen Rentner finanzieren müssen, so schätzt es der Sachverständigenrat der Bundesregierung. Das hat Auswirkungen nicht nur auf die Rentenkasse, sondern auch auf das Gesundheitssystem. In Dresden diskutieren deshalb heute Sozialdemokraten auf ihrem Kongress über Medizin und Pflege in der alternden Gesellschaft, und am Telefon begrüße ich den Gesundheitsexperten der SPD, Karl Lauterbach. Guten Morgen, Herr Lauterbach!
Karl Lauterbach: Guten Morgen!
Dobovisek: Das Gesundheitssystem stößt schon jetzt zunehmend an seine Grenzen, welche Entwicklungen erwarten Sie?
Lauterbach: Es kommt drauf an, was wir jetzt machen, also die Erwartung kann ja von uns beeinflusst werden. Und ich glaube, dass das Wichtigste darin zu sehen ist, dass wir verhindern, dass zu viele Menschen in der Altersgruppe der 65- bis 90-Jährigen chronisch krank sind. Also wir haben nur eine Möglichkeit, dieser Herausforderung zu begegnen: Wir müssen mehr in die Vorbeugung investieren.
Dobovisek: Wie könnte das zum Beispiel aussehen?
Lauterbach: Beispielsweise ist es den Kanadiern gelungen in den letzten zehn Jahren, der Zahl der Menschen mit Herzinfarkt um etwa 40 Prozent zu reduzieren durch also sehr gelungene, intelligente Antitabakkampagnen. Und wir müssen also investieren in die Bereiche der Vorbeugung, die wirksam sind. Also insbesondere, wir müssen die Zahl der Raucher reduzieren und die Zahl der Passivraucher reduzieren, wir müssen mit dem Übergewicht ringen, wir müssen aufklären und auch Hilfe geben bei denjenigen, die schon erkrankt sind, die frühe Stadien von Krankheiten haben, sodass die Krankheit nicht weiter fortschreitet, so dass wir möglichst wenig fortgeschrittene Krankheitsstadien haben. Ich bring mal ein Beispiel: Wenn es so sein wird, wir machen jetzt nichts, wie in den Worst-Case-Szenarien beschrieben, dann werden 20 Prozent der über 65-Jährigen in Zukunft zuckerkrank sein. Wenn wir dagegen ankämpfen und reduzieren das Übergewicht und verändern die Lebens- und Ernährungsgewohnheiten ein bisschen, dann sind es vielleicht noch 15, vielleicht sind es nur zehn Prozent. Und das macht für das Gesundheitssystem einen Riesenunterschied.
Dobovisek: Wenn ich das richtig verstehe, setzt Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt dann einen Schritt später an, die sagte nämlich diese Woche: Wir müssen Lösungen finden, damit auch die steigende Zahl älterer Menschen medizinisch gut versorgt werden kann. Verstehe ich Sie da richtig, dass Sie einen Schritt weiter denken?
Lauterbach: Also ich denke nie einen Schritt weiter als die Gesundheitsministerin. Also die Ministerin hat völlig recht, dass wir natürlich auch darüber nachdenken müssen, wie versorgen wir die Menschen, die schon krank sind und die in Zukunft krank werden trotz Vorbeugung. Aber ich sage immer, der Schwerpunkt muss meines Erachtens - und da unterscheiden wir uns vielleicht ein bisschen in der Akzentuierung -, also das ist nur zu bewältigen, also diese Herausforderung ist nur zu bewältigen, wenn die älteren Menschen, die 60- bis 90-Jährigen, wenn die deutlich gesünder sind als die 60- bis 90-Jährigen heute. Daher ist die Vorbeugung hier der Schlüssel. Durch eine noch so gute Behandlung und eine noch so gute Effizienzverbesserung in der Behandlung lässt sich diese Welle, die da auf uns zukommt, nicht beherrschen, das ist nicht möglich.
Dobovisek: Nichtsdestotrotz, die Behandlungen werden, wenn sie vielleicht auch nicht in der Masse steigen, aber in der Qualität und damit auch in ihrem Preis teurer. Wie sollen wir dieses in Zukunft finanzieren?
Lauterbach: Also die Lösung der Finanzierungsfrage muss zunächst einmal darin liegen, dass wir in der Zeit, die wir noch haben, das sind so vielleicht zehn, 15 Jahre, mehr ist es nicht, also in dieser Zeit müssen wir einen Teil der Mittel, die wir jetzt für die Behandlung von weit fortgeschrittenen Krankheitsstadien verwenden, die müssen wir in die Vorbeugung stecken, sonst ist es nicht zu schaffen. Wir müssen also ...
Dobovisek: Das heißt, Sie wollen die Mittel aus der Behandlung wegziehen, abziehen und in die Vorbeugung stecken?
Lauterbach: Ja, so ist es in der Tat, und zwar für die Teile der Behandlung, die nicht effizient sind. Wir haben zum Beispiel doppelt so viel Herzkatheteruntersuchungen wie also Europa im Durchschnitt hat, und viele dieser Untersuchungen, Herzkatheteruntersuchungen, sind schlicht überflüssig. Es entstehen auch noch ständig neue Herzkathetermessplätze. Die Kardiologen stocken in diesem Bereich noch auf, obwohl sie das höchste Versorgungsniveau in Europa schon haben. Und wir können das entweder zulassen, so dass wir diese Form der Über- und Fehlversorgung nicht nur zulassen, sondern auch bezahlen, oder aber wir schreiten hier ein und verwenden einen Teil der Mittel dafür, dass wir die Herzkrankheiten verhindern, beispielsweise durch eine bessere Versorgung von Kindern, also mit ernährungsmedizinischen Beschulungen oder in der Entwöhnung von Menschen, die rauchen und ein Krankenhaus aufsuchen, oder indem wir eben Programme anbieten, wo diejenigen, die eine frühe Krankheitslast schon tragen, wo die Gefäße sagen wir mal leicht verändert sind, dass wir so schulen, dass sie das Leben umstellen können, dass die Krankheit nicht weiter fortschreitet.
Dobovisek: Wir brauchen also schleunigst Mittel für die Vorsorge, aber wie passt es dann, dass der Beitrag zur Krankenversicherung zum 1. Juli von 15,5 auf 14,9 Prozent gesenkt wurde? Ein reines Wahlkampfgeschenk unter dem Deckmantel des Konjunkturpakets?
Lauterbach: Nein, nein, es wird ja nicht weniger ausgegeben, es wird nur ein Teil durch die Steuern bezahlt, der bisher durch die Beiträge bezahlt wurde. Das ist auch sinnvoll, weil wir sind derzeit in einer beispiellosen Finanz- und Wirtschaftskrise, somit also wird der Beitrag leicht gesenkt auf 14,9, drum steigt der Steueranteil. Und diese Umfinanzierung, die den Faktor Arbeit ein bisschen entlastet, die ist sinnvoll, weil wir wollen ja keine Arbeitsplätze in der Krise zusätzlich gefährden. Aber es wird nicht weniger ausgegeben. Die Aufgabe, die aber vor uns steht, ist wie gesagt also die deutliche Mehrfinanzierung in der Vorbeugemedizin.
Dobovisek: Wird am Ende möglicherweise die Philosophie übrig bleiben, nicht jede erdenkliche Behandlung für jeden älteren Patienten, klingt das plausibel für Sie?
Lauterbach: Das hatte ja Professor Hoppe schon vorgeschlagen, dass wir bei älteren Menschen also rationieren müssten oder dass wir beispielsweise die Cholesterinsenker nicht mehr bezahlen für diejenigen, die sich fettreich ernähren und so weiter. Ich halte diese Vorschläge für unsinnig, denn wir haben in vielen Bereichen unseres Gesundheitssystem nach wie vor Fehlversorgung, Überversorgung. Bitte vergessen Sie nicht, wir haben nach wie vor das drittteuerste Gesundheitssystem der Welt, und wenn wir jetzt schon anfangen, darüber nachzudenken, dass wir die alten Menschen nicht mehr versorgen können, dann müsste ja die ganze Welt darüber sprechen, das ist aber nicht so. Ich glaube, dass das eher eine Diskussion war, wo die Ärzteschaft darüber nachgedacht hat, wie kann man die Einkommenssituation der Ärzte noch einmal aufstocken, und das ist eine Diskussion zur Unzeit. Wir brauchen derzeit eine bessere Versorgung, wir brauchen nicht ständig mehr Geld für niedergelassene Fachärzte.
Dobovisek: Aber wie groß schätzen Sie die Gefahr ein, dass wir von der Zweiklassenmedizin zur Dreiklassenmedizin voranschreiten, also Privatpatient, kassenversichert, Rentner?
Lauterbach: Die Gefahr hängt von den Wahlergebnissen der nächsten Jahre ab. Es ist ganz klar, dass wir, wenn also Schwarz-Gelb die Wahlen gewinnen würde, wenn man das mal zu Ende denkt, dann wird es sicherlich eine Entwicklung in Richtung Zwei- oder Drei-Klassen-Medizin geben, weil das ist ja das Ziel im Prinzip auch schon damals der Kopfpauschale gewesen, dass es drei Systeme hat. Es gibt denjenigen, der voll privat versichert ist, der genießt die beste Behandlung, dann derjenige, der gesetzlich versichert ist und sich eine Zusatzversicherung leisten kann, der ist Klasse zwei, und derjenige, der nur die gesetzliche Versicherung hat, nur die AOK-Versicherung zum Beispiel, das ist ein Patient dritter Klasse. Das halte ich für unethisch und das ist auch ein Punkt, wo sich die Parteien tatsächlich im Inhalt, also nicht nur in der Rhetorik, sondern im Inhalt, ganz klar unterscheiden.
Dobovisek: Das ist natürlich der Wahlkampf, den Sie an dieser Stelle betreiben müssen.
Lauterbach: Das ist auch die Wahrheit, also ist nicht nur Wahlkampf. Es wird ja viel Wahlkampf auch um nichts betrieben, aber ich glaube, hier geht's um einen wichtigen Punkt.
Dobovisek: Wie kann denn überhaupt eine Zusammenarbeit mit der Union möglich sein?
Lauterbach: Also die Zusammenarbeit mit der Union in puncto Gesundheit ist aus meiner Sicht während der gesamten Legislaturperiode nicht gut gewesen, weil wir sind, also in der Gesundheitspolitik kommen wir nicht zusammen, daher gibt es, man könnte sagen ideologische Unterschiede oder politische Unterschiede, es gibt einen Grundsatzkonflikt. Die SPD steht für ein System, was eine gute, qualitativ hochwertige Versorgung auf gleichem Niveau unabhängig von Einkommen und Herkunft für alle anbieten will, und bei der Union wird unter dem Stichwort Wahlfreiheit im Prinzip eine Art Versorgung nach Kassenlage propagiert, da gibt es keine Schnittmenge für gemeinsame Lösungen.
Dobovisek: Der SPD-Bundestagsabgeordnete und Gesundheitsexperte Karl Lauterbach. Vielen Dank für das Gespräch!
Lauterbach: Ich danke Ihnen!
Karl Lauterbach: Guten Morgen!
Dobovisek: Das Gesundheitssystem stößt schon jetzt zunehmend an seine Grenzen, welche Entwicklungen erwarten Sie?
Lauterbach: Es kommt drauf an, was wir jetzt machen, also die Erwartung kann ja von uns beeinflusst werden. Und ich glaube, dass das Wichtigste darin zu sehen ist, dass wir verhindern, dass zu viele Menschen in der Altersgruppe der 65- bis 90-Jährigen chronisch krank sind. Also wir haben nur eine Möglichkeit, dieser Herausforderung zu begegnen: Wir müssen mehr in die Vorbeugung investieren.
Dobovisek: Wie könnte das zum Beispiel aussehen?
Lauterbach: Beispielsweise ist es den Kanadiern gelungen in den letzten zehn Jahren, der Zahl der Menschen mit Herzinfarkt um etwa 40 Prozent zu reduzieren durch also sehr gelungene, intelligente Antitabakkampagnen. Und wir müssen also investieren in die Bereiche der Vorbeugung, die wirksam sind. Also insbesondere, wir müssen die Zahl der Raucher reduzieren und die Zahl der Passivraucher reduzieren, wir müssen mit dem Übergewicht ringen, wir müssen aufklären und auch Hilfe geben bei denjenigen, die schon erkrankt sind, die frühe Stadien von Krankheiten haben, sodass die Krankheit nicht weiter fortschreitet, so dass wir möglichst wenig fortgeschrittene Krankheitsstadien haben. Ich bring mal ein Beispiel: Wenn es so sein wird, wir machen jetzt nichts, wie in den Worst-Case-Szenarien beschrieben, dann werden 20 Prozent der über 65-Jährigen in Zukunft zuckerkrank sein. Wenn wir dagegen ankämpfen und reduzieren das Übergewicht und verändern die Lebens- und Ernährungsgewohnheiten ein bisschen, dann sind es vielleicht noch 15, vielleicht sind es nur zehn Prozent. Und das macht für das Gesundheitssystem einen Riesenunterschied.
Dobovisek: Wenn ich das richtig verstehe, setzt Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt dann einen Schritt später an, die sagte nämlich diese Woche: Wir müssen Lösungen finden, damit auch die steigende Zahl älterer Menschen medizinisch gut versorgt werden kann. Verstehe ich Sie da richtig, dass Sie einen Schritt weiter denken?
Lauterbach: Also ich denke nie einen Schritt weiter als die Gesundheitsministerin. Also die Ministerin hat völlig recht, dass wir natürlich auch darüber nachdenken müssen, wie versorgen wir die Menschen, die schon krank sind und die in Zukunft krank werden trotz Vorbeugung. Aber ich sage immer, der Schwerpunkt muss meines Erachtens - und da unterscheiden wir uns vielleicht ein bisschen in der Akzentuierung -, also das ist nur zu bewältigen, also diese Herausforderung ist nur zu bewältigen, wenn die älteren Menschen, die 60- bis 90-Jährigen, wenn die deutlich gesünder sind als die 60- bis 90-Jährigen heute. Daher ist die Vorbeugung hier der Schlüssel. Durch eine noch so gute Behandlung und eine noch so gute Effizienzverbesserung in der Behandlung lässt sich diese Welle, die da auf uns zukommt, nicht beherrschen, das ist nicht möglich.
Dobovisek: Nichtsdestotrotz, die Behandlungen werden, wenn sie vielleicht auch nicht in der Masse steigen, aber in der Qualität und damit auch in ihrem Preis teurer. Wie sollen wir dieses in Zukunft finanzieren?
Lauterbach: Also die Lösung der Finanzierungsfrage muss zunächst einmal darin liegen, dass wir in der Zeit, die wir noch haben, das sind so vielleicht zehn, 15 Jahre, mehr ist es nicht, also in dieser Zeit müssen wir einen Teil der Mittel, die wir jetzt für die Behandlung von weit fortgeschrittenen Krankheitsstadien verwenden, die müssen wir in die Vorbeugung stecken, sonst ist es nicht zu schaffen. Wir müssen also ...
Dobovisek: Das heißt, Sie wollen die Mittel aus der Behandlung wegziehen, abziehen und in die Vorbeugung stecken?
Lauterbach: Ja, so ist es in der Tat, und zwar für die Teile der Behandlung, die nicht effizient sind. Wir haben zum Beispiel doppelt so viel Herzkatheteruntersuchungen wie also Europa im Durchschnitt hat, und viele dieser Untersuchungen, Herzkatheteruntersuchungen, sind schlicht überflüssig. Es entstehen auch noch ständig neue Herzkathetermessplätze. Die Kardiologen stocken in diesem Bereich noch auf, obwohl sie das höchste Versorgungsniveau in Europa schon haben. Und wir können das entweder zulassen, so dass wir diese Form der Über- und Fehlversorgung nicht nur zulassen, sondern auch bezahlen, oder aber wir schreiten hier ein und verwenden einen Teil der Mittel dafür, dass wir die Herzkrankheiten verhindern, beispielsweise durch eine bessere Versorgung von Kindern, also mit ernährungsmedizinischen Beschulungen oder in der Entwöhnung von Menschen, die rauchen und ein Krankenhaus aufsuchen, oder indem wir eben Programme anbieten, wo diejenigen, die eine frühe Krankheitslast schon tragen, wo die Gefäße sagen wir mal leicht verändert sind, dass wir so schulen, dass sie das Leben umstellen können, dass die Krankheit nicht weiter fortschreitet.
Dobovisek: Wir brauchen also schleunigst Mittel für die Vorsorge, aber wie passt es dann, dass der Beitrag zur Krankenversicherung zum 1. Juli von 15,5 auf 14,9 Prozent gesenkt wurde? Ein reines Wahlkampfgeschenk unter dem Deckmantel des Konjunkturpakets?
Lauterbach: Nein, nein, es wird ja nicht weniger ausgegeben, es wird nur ein Teil durch die Steuern bezahlt, der bisher durch die Beiträge bezahlt wurde. Das ist auch sinnvoll, weil wir sind derzeit in einer beispiellosen Finanz- und Wirtschaftskrise, somit also wird der Beitrag leicht gesenkt auf 14,9, drum steigt der Steueranteil. Und diese Umfinanzierung, die den Faktor Arbeit ein bisschen entlastet, die ist sinnvoll, weil wir wollen ja keine Arbeitsplätze in der Krise zusätzlich gefährden. Aber es wird nicht weniger ausgegeben. Die Aufgabe, die aber vor uns steht, ist wie gesagt also die deutliche Mehrfinanzierung in der Vorbeugemedizin.
Dobovisek: Wird am Ende möglicherweise die Philosophie übrig bleiben, nicht jede erdenkliche Behandlung für jeden älteren Patienten, klingt das plausibel für Sie?
Lauterbach: Das hatte ja Professor Hoppe schon vorgeschlagen, dass wir bei älteren Menschen also rationieren müssten oder dass wir beispielsweise die Cholesterinsenker nicht mehr bezahlen für diejenigen, die sich fettreich ernähren und so weiter. Ich halte diese Vorschläge für unsinnig, denn wir haben in vielen Bereichen unseres Gesundheitssystem nach wie vor Fehlversorgung, Überversorgung. Bitte vergessen Sie nicht, wir haben nach wie vor das drittteuerste Gesundheitssystem der Welt, und wenn wir jetzt schon anfangen, darüber nachzudenken, dass wir die alten Menschen nicht mehr versorgen können, dann müsste ja die ganze Welt darüber sprechen, das ist aber nicht so. Ich glaube, dass das eher eine Diskussion war, wo die Ärzteschaft darüber nachgedacht hat, wie kann man die Einkommenssituation der Ärzte noch einmal aufstocken, und das ist eine Diskussion zur Unzeit. Wir brauchen derzeit eine bessere Versorgung, wir brauchen nicht ständig mehr Geld für niedergelassene Fachärzte.
Dobovisek: Aber wie groß schätzen Sie die Gefahr ein, dass wir von der Zweiklassenmedizin zur Dreiklassenmedizin voranschreiten, also Privatpatient, kassenversichert, Rentner?
Lauterbach: Die Gefahr hängt von den Wahlergebnissen der nächsten Jahre ab. Es ist ganz klar, dass wir, wenn also Schwarz-Gelb die Wahlen gewinnen würde, wenn man das mal zu Ende denkt, dann wird es sicherlich eine Entwicklung in Richtung Zwei- oder Drei-Klassen-Medizin geben, weil das ist ja das Ziel im Prinzip auch schon damals der Kopfpauschale gewesen, dass es drei Systeme hat. Es gibt denjenigen, der voll privat versichert ist, der genießt die beste Behandlung, dann derjenige, der gesetzlich versichert ist und sich eine Zusatzversicherung leisten kann, der ist Klasse zwei, und derjenige, der nur die gesetzliche Versicherung hat, nur die AOK-Versicherung zum Beispiel, das ist ein Patient dritter Klasse. Das halte ich für unethisch und das ist auch ein Punkt, wo sich die Parteien tatsächlich im Inhalt, also nicht nur in der Rhetorik, sondern im Inhalt, ganz klar unterscheiden.
Dobovisek: Das ist natürlich der Wahlkampf, den Sie an dieser Stelle betreiben müssen.
Lauterbach: Das ist auch die Wahrheit, also ist nicht nur Wahlkampf. Es wird ja viel Wahlkampf auch um nichts betrieben, aber ich glaube, hier geht's um einen wichtigen Punkt.
Dobovisek: Wie kann denn überhaupt eine Zusammenarbeit mit der Union möglich sein?
Lauterbach: Also die Zusammenarbeit mit der Union in puncto Gesundheit ist aus meiner Sicht während der gesamten Legislaturperiode nicht gut gewesen, weil wir sind, also in der Gesundheitspolitik kommen wir nicht zusammen, daher gibt es, man könnte sagen ideologische Unterschiede oder politische Unterschiede, es gibt einen Grundsatzkonflikt. Die SPD steht für ein System, was eine gute, qualitativ hochwertige Versorgung auf gleichem Niveau unabhängig von Einkommen und Herkunft für alle anbieten will, und bei der Union wird unter dem Stichwort Wahlfreiheit im Prinzip eine Art Versorgung nach Kassenlage propagiert, da gibt es keine Schnittmenge für gemeinsame Lösungen.
Dobovisek: Der SPD-Bundestagsabgeordnete und Gesundheitsexperte Karl Lauterbach. Vielen Dank für das Gespräch!
Lauterbach: Ich danke Ihnen!