Heckmann: Herr Wend, was haben Sie, was haben die Sozialdemokraten gegen ein freies Europa mit freiem Austausch von Personen, Waren und Dienstleistungen?
Wend: Na, wer sollte etwas gegen ein freies Europa haben? Ich glaube, darum geht es nicht. Es ist ein Zielkonflikt, der in dem Beitrag eben, wie ich finde, richtig beschrieben wurde. Einerseits müssen wir ein Interesse daran haben, dass auch Dienstleistungen innerhalb von Europa möglichst frei sich sozusagen bewegen können. Andrerseits müssen wir sehen, wir haben bestimmte soziale Standards erreicht in Deutschland. Wir haben auch bestimmte Sicherheitsstandards erreicht in Deutschland, und wir können kein Interesse daran haben, dass ausländische Anbieter diese Standards, die wir erreicht haben, sozusagen unterlaufen, und das ist die große Sorge, die bei uns besteht, dass beispielsweise aus Polen oder aus Portugal Dienstleistungen in Deutschland angeboten werden zu völlig anderen Standards im Sozialbereich, im Sicherheitsbereich. Daran können wir kein Interesse haben. Dagegen wehren wir uns, und wir sind dabei auch auf einem guten Weg, Erfolge zu erzielen.
Heckmann: Aber ist es nicht der Versuch, einen Schutzzaun um Deutschland herum zu bauen und sich auf den Standpunkt zu stellen, dass andere, also billigere Konkurrenz draußen zu bleiben hat?
Wend: Ja, Schutzzaun, ich würde das gar nicht mal völlig abstreiten, dass es so etwas wie ein Schutzzaun ist. Wir müssen sehen, wir haben Sozialstandards, nicht nur was die Höhe der Löhne angeht, sondern eben auch was die Sicherheit bestimmter Leistungen betrifft, und dass wir sie haben, ist ja gut. Das kann ja nicht unser Ziel sein, dass wir die unterlaufen wollen. Von daher glaube ich, es ist vernünftig zu sagen, Freiheit, auch Dienstleistungsfreiheit ist wichtig. Das kann aber nicht bedeuten, dass wir ein Dumping bekommen im Sozialbereich, den wir nicht vertreten wollen. Von daher glaube ich schon, dass wir richtig liegen mit der Ablehnung des Herkunftslandsprinzips.
Heckmann: Wir haben es im Beitrag gerade schon gehört, der jetzt vorliegende Entwurf für die Dienstleistungsrichtlinie hat mit dem Ursprungsentwurf noch recht wenig zu tun. Die schlimmsten Zähne scheinen gezogen. Weshalb leistet die SPD dennoch Widerstand?
Wend: Die Entscheidung fällt ja im Europäischen Parlament frühestens in der nächsten Woche. Anschließend muss der Rat darüber noch beschließen und auch die Kommission.
Heckmann: Aber die SPD ruft zu Demonstrationen auf?
Wend: Ja, natürlich, wir wollen ja Einfluss nehmen auf die Entscheidung, die in der nächsten Woche getroffen wird. Es gibt jetzt Entwürfe, da ist noch viel Bewegung drin. Die Europäische Volkspartei, also der Zusammenschluss der konservativen und christlichen Parteien einerseits, und die Sozialdemokraten andrerseits in Europa verhandeln. Man hat das Ziel, zu gemeinsamen Vorschlägen zu kommen, und wir wollen mit dieser Demonstration noch Einfluss nehmen auf diese Vorschläge, und es gibt keine Sicherheit, was in der nächsten Woche in Europa beschlossen wird. Wir wollen in Deutschland zeigen, dass die Menschen bei uns jedenfalls das Ziel haben, dass die Standards, die wir haben, gehalten werden.
Heckmann: Was muss konkret raus aus dem Entwurf?
Wend: Es geht auch um, sagen wir mal, prinzipielle, grundsätzliche Dinge. Vielleicht reicht es nicht, nur Ausnahmen vom Herkunftslandsprinzip vorzusehen. Das ist die gegenwärtige Diskussionsgrundlage. Danach wollen wir die Zeitarbeit, die Leiharbeit rausnehmen. Wir wollen, dass die Arbeitsbedingungen insgesamt nicht vom Herkunftslandsprinzip her bestimmt werden. Wir wollen, dass die kommunale Daseinsvorsorge in jedem Falle ausgenommen wird. Das sind so die wichtigen Bereiche, die wichtigsten Bereiche, die wir sehen. Da sind wir inzwischen ein Stück weiter gekommen, übrigens auch mit unserem Koalitionspartner hier in Deutschland ein Stück weiter gekommen. Da hat sich die CDU bewegt, das muss man zugestehen, und wir hoffen, dass diese Demonstration zeigen wird, dass wir in Deutschland klare Mehrheitsverhältnisse dafür haben, vom Herkunftslandsprinzip mindestens ganz wichtige Ausnahmen zu machen.
Heckmann: Wenn der bisherige Entwurf so nicht zustimmungsfähig ist, wie kommt dann Ihr Parteifreund Martin Schulz, der Vorsitzende der sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament, dazu, zu sprechen von einem Schutzdach für das europäische Sozialmodell?
Wend: Ja, ich glaube, wir sind – Sie haben das richtig beschrieben – inzwischen ein großes Stück weiter gekommen, was die Dienstleistungsrichtlinie angeht. Man muss auch sagen, es wird am Ende ein Kompromiss sein, der die Extrempositionen zwischen Sozialdemokraten einerseits und Konservativen andrerseits ein wenig abschleifen wird, und das, was am Ende dabei rauskommen mag in der nächsten Woche, wird vielleicht so etwas sein wie ein Bewahren des Sozialstaatsmodells, dass nämlich die wichtigen Standards beim Arbeitsrecht und bei der Sicherheit gehalten werden. Die Sicherheit gibt es aber heute noch nicht, dass das gelingt. Deswegen ist die Demonstration vernünftig. Sie will Einfluss nehmen und sicherstellen, dass es zu einem vernünftigen Kompromiss kommt.
Heckmann: Aber bei so vielen Ausnahmen, die da geplant sind bei dem Kompromiss, von dem Sie reden, inwiefern macht dann eine Dienstleistungsrichtlinie überhaupt noch Sinn?
Wend: Ich will Ihnen ein Beispiel nennen. Wenn es heute so ist, dass für Dienstleistungen in Belgien etwa eine fünftägige Voranmeldung von Arbeitnehmern erfolgen muss, bevor man ins Land darf, um dort eine Dienstleistung zu erbringen, dann ist dass für uns Deutsche ein Problem, wenn wir Maschinen etwa mit Wartung verkaufen wollen, denn, wenn meine Maschine kaputt geht, dann werden die nicht ein paar Tage warten wollen, bis Arbeitnehmer aus Deutschland kommen, um die Wartung vorzunehmen. Wenn also solche Dinge einig geregelt werden in Europa, dann macht das Sinn, dann bin ich sehr dafür, dass wir solche Dienstleistungsrichtlinien haben, während, wenn sie dafür sorgen würde, dass zu Lohnbedingungen aus Polen bei uns Handwerkerleistungen angeboten werden, dann bin ich dagegen, weil das für mich wenig mit Freiheit zu tun, sondern mehr mit dem Senken von Sozialstandards, und das ist dann nicht vernünftig.
Heckmann: Kommen wir mal zur Stimmung innerhalb der Koalition in Berlin. Die Union hat gestern die SPD zu mehr Verlässlichkeit aufgerufen. Da haben die Vorstöße bei der Rente und bei der Familienförderung doch für einigen Ärger gesorgt. Ist die Dienstleistungsrichtlinie das nächste Thema, das für Konflikte sorgt?
Wend: Wahr ist, dass wir an der Stelle nicht nahtlos übereinstimmen. Wahr ist aber auch, dass wir uns aufeinander zu bewegt haben. Wir hatten aus dem Bereich Wirtschaft eine Klausurtagung mit der Union am Wochenende, und dort konnten wir feststellen, dass wir uns wirklich gewaltig aufeinander zu bewegt haben. Ich glaube deswegen, dass wir bei der Dienstleistungsrichtlinie am Ende wie auch bei den anderen Fragen zu einem vernünftigen Kompromiss kommen werden. Was übrigens unsere Zuverlässigkeit angeht, brauchen wir, glaube ich, keine Belehrung, denn es war Franz Müntefering, der die unangenehmen Wahrheiten im Zusammenhang mit der Rente verkündet hat, und jemand wie Herr Seehofer wäre gerne ausgebüchst aus der Veranstaltung. Also da brauchen wir wirklich keine Belehrung.
Heckmann: Herzlichen Dank für das Gespräch.
Wend: Na, wer sollte etwas gegen ein freies Europa haben? Ich glaube, darum geht es nicht. Es ist ein Zielkonflikt, der in dem Beitrag eben, wie ich finde, richtig beschrieben wurde. Einerseits müssen wir ein Interesse daran haben, dass auch Dienstleistungen innerhalb von Europa möglichst frei sich sozusagen bewegen können. Andrerseits müssen wir sehen, wir haben bestimmte soziale Standards erreicht in Deutschland. Wir haben auch bestimmte Sicherheitsstandards erreicht in Deutschland, und wir können kein Interesse daran haben, dass ausländische Anbieter diese Standards, die wir erreicht haben, sozusagen unterlaufen, und das ist die große Sorge, die bei uns besteht, dass beispielsweise aus Polen oder aus Portugal Dienstleistungen in Deutschland angeboten werden zu völlig anderen Standards im Sozialbereich, im Sicherheitsbereich. Daran können wir kein Interesse haben. Dagegen wehren wir uns, und wir sind dabei auch auf einem guten Weg, Erfolge zu erzielen.
Heckmann: Aber ist es nicht der Versuch, einen Schutzzaun um Deutschland herum zu bauen und sich auf den Standpunkt zu stellen, dass andere, also billigere Konkurrenz draußen zu bleiben hat?
Wend: Ja, Schutzzaun, ich würde das gar nicht mal völlig abstreiten, dass es so etwas wie ein Schutzzaun ist. Wir müssen sehen, wir haben Sozialstandards, nicht nur was die Höhe der Löhne angeht, sondern eben auch was die Sicherheit bestimmter Leistungen betrifft, und dass wir sie haben, ist ja gut. Das kann ja nicht unser Ziel sein, dass wir die unterlaufen wollen. Von daher glaube ich, es ist vernünftig zu sagen, Freiheit, auch Dienstleistungsfreiheit ist wichtig. Das kann aber nicht bedeuten, dass wir ein Dumping bekommen im Sozialbereich, den wir nicht vertreten wollen. Von daher glaube ich schon, dass wir richtig liegen mit der Ablehnung des Herkunftslandsprinzips.
Heckmann: Wir haben es im Beitrag gerade schon gehört, der jetzt vorliegende Entwurf für die Dienstleistungsrichtlinie hat mit dem Ursprungsentwurf noch recht wenig zu tun. Die schlimmsten Zähne scheinen gezogen. Weshalb leistet die SPD dennoch Widerstand?
Wend: Die Entscheidung fällt ja im Europäischen Parlament frühestens in der nächsten Woche. Anschließend muss der Rat darüber noch beschließen und auch die Kommission.
Heckmann: Aber die SPD ruft zu Demonstrationen auf?
Wend: Ja, natürlich, wir wollen ja Einfluss nehmen auf die Entscheidung, die in der nächsten Woche getroffen wird. Es gibt jetzt Entwürfe, da ist noch viel Bewegung drin. Die Europäische Volkspartei, also der Zusammenschluss der konservativen und christlichen Parteien einerseits, und die Sozialdemokraten andrerseits in Europa verhandeln. Man hat das Ziel, zu gemeinsamen Vorschlägen zu kommen, und wir wollen mit dieser Demonstration noch Einfluss nehmen auf diese Vorschläge, und es gibt keine Sicherheit, was in der nächsten Woche in Europa beschlossen wird. Wir wollen in Deutschland zeigen, dass die Menschen bei uns jedenfalls das Ziel haben, dass die Standards, die wir haben, gehalten werden.
Heckmann: Was muss konkret raus aus dem Entwurf?
Wend: Es geht auch um, sagen wir mal, prinzipielle, grundsätzliche Dinge. Vielleicht reicht es nicht, nur Ausnahmen vom Herkunftslandsprinzip vorzusehen. Das ist die gegenwärtige Diskussionsgrundlage. Danach wollen wir die Zeitarbeit, die Leiharbeit rausnehmen. Wir wollen, dass die Arbeitsbedingungen insgesamt nicht vom Herkunftslandsprinzip her bestimmt werden. Wir wollen, dass die kommunale Daseinsvorsorge in jedem Falle ausgenommen wird. Das sind so die wichtigen Bereiche, die wichtigsten Bereiche, die wir sehen. Da sind wir inzwischen ein Stück weiter gekommen, übrigens auch mit unserem Koalitionspartner hier in Deutschland ein Stück weiter gekommen. Da hat sich die CDU bewegt, das muss man zugestehen, und wir hoffen, dass diese Demonstration zeigen wird, dass wir in Deutschland klare Mehrheitsverhältnisse dafür haben, vom Herkunftslandsprinzip mindestens ganz wichtige Ausnahmen zu machen.
Heckmann: Wenn der bisherige Entwurf so nicht zustimmungsfähig ist, wie kommt dann Ihr Parteifreund Martin Schulz, der Vorsitzende der sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament, dazu, zu sprechen von einem Schutzdach für das europäische Sozialmodell?
Wend: Ja, ich glaube, wir sind – Sie haben das richtig beschrieben – inzwischen ein großes Stück weiter gekommen, was die Dienstleistungsrichtlinie angeht. Man muss auch sagen, es wird am Ende ein Kompromiss sein, der die Extrempositionen zwischen Sozialdemokraten einerseits und Konservativen andrerseits ein wenig abschleifen wird, und das, was am Ende dabei rauskommen mag in der nächsten Woche, wird vielleicht so etwas sein wie ein Bewahren des Sozialstaatsmodells, dass nämlich die wichtigen Standards beim Arbeitsrecht und bei der Sicherheit gehalten werden. Die Sicherheit gibt es aber heute noch nicht, dass das gelingt. Deswegen ist die Demonstration vernünftig. Sie will Einfluss nehmen und sicherstellen, dass es zu einem vernünftigen Kompromiss kommt.
Heckmann: Aber bei so vielen Ausnahmen, die da geplant sind bei dem Kompromiss, von dem Sie reden, inwiefern macht dann eine Dienstleistungsrichtlinie überhaupt noch Sinn?
Wend: Ich will Ihnen ein Beispiel nennen. Wenn es heute so ist, dass für Dienstleistungen in Belgien etwa eine fünftägige Voranmeldung von Arbeitnehmern erfolgen muss, bevor man ins Land darf, um dort eine Dienstleistung zu erbringen, dann ist dass für uns Deutsche ein Problem, wenn wir Maschinen etwa mit Wartung verkaufen wollen, denn, wenn meine Maschine kaputt geht, dann werden die nicht ein paar Tage warten wollen, bis Arbeitnehmer aus Deutschland kommen, um die Wartung vorzunehmen. Wenn also solche Dinge einig geregelt werden in Europa, dann macht das Sinn, dann bin ich sehr dafür, dass wir solche Dienstleistungsrichtlinien haben, während, wenn sie dafür sorgen würde, dass zu Lohnbedingungen aus Polen bei uns Handwerkerleistungen angeboten werden, dann bin ich dagegen, weil das für mich wenig mit Freiheit zu tun, sondern mehr mit dem Senken von Sozialstandards, und das ist dann nicht vernünftig.
Heckmann: Kommen wir mal zur Stimmung innerhalb der Koalition in Berlin. Die Union hat gestern die SPD zu mehr Verlässlichkeit aufgerufen. Da haben die Vorstöße bei der Rente und bei der Familienförderung doch für einigen Ärger gesorgt. Ist die Dienstleistungsrichtlinie das nächste Thema, das für Konflikte sorgt?
Wend: Wahr ist, dass wir an der Stelle nicht nahtlos übereinstimmen. Wahr ist aber auch, dass wir uns aufeinander zu bewegt haben. Wir hatten aus dem Bereich Wirtschaft eine Klausurtagung mit der Union am Wochenende, und dort konnten wir feststellen, dass wir uns wirklich gewaltig aufeinander zu bewegt haben. Ich glaube deswegen, dass wir bei der Dienstleistungsrichtlinie am Ende wie auch bei den anderen Fragen zu einem vernünftigen Kompromiss kommen werden. Was übrigens unsere Zuverlässigkeit angeht, brauchen wir, glaube ich, keine Belehrung, denn es war Franz Müntefering, der die unangenehmen Wahrheiten im Zusammenhang mit der Rente verkündet hat, und jemand wie Herr Seehofer wäre gerne ausgebüchst aus der Veranstaltung. Also da brauchen wir wirklich keine Belehrung.
Heckmann: Herzlichen Dank für das Gespräch.