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Virtuelle Performer
Hologramm Superstar

Seit Jahren arbeiten Programmierer und Designer daran, sogenannte Hologramme immer realer zu gestalten. Auf der Bühne hat man bereits verstorbene Musiker wie Elvis Presley oder den Rapper Tupac Shakur auf einer hauchdünnen Leinwand gesehen, während neben ihnen ein realer Künstler singt. In Montréal entsteht gerade das Hologramm "Maya Kodes". Ihre Bewegungen und ihr Gesang werden von echten Menschen erzeugt.

Von Dennis Kastrup | 03.02.2018
    Eine Tänzerin mit unzähligen Sensoren an der Kleidung bringt das Hologramm Maya Kodes zum Tanzen.
    Eine Tänzerin sorgt hinter der Bühne in Echtzeit für die Tanzbewegungen des virtuellen Stars (Deutschlandradio / Dennis Kastrup)
    "Ich wurde im Jahr 2000 geboren, als das ganze Internet eigentlich ein Problem mit der Kalenderumstellung haben sollte. Das habe ich persönlich behoben und das Internet gerettet."
    Schlank, blond, lange Haare, manchmal offen, manchmal zum Zopf gebunden und ungefähr 1,70 Meter groß. So präsentiert sich Maya Kodes als Hologramm auf der Bühne. Laut ihren eigenen Angaben ist sie 17 Jahre alt und kennt sich aus in der digitalen Welt, ihrem Cyberspace. Der Sprung in die andere, unsere menschliche Welt, gelang ihr 2015, als die Firma Neweb Labs begann, an ihr zu arbeiten.
    "Ich habe zum ersten Mal ein Handyklingeln gehört und so gemerkt: Musik ist der beste Weg, um menschliche Gefühle auszudrücken. Ich bin ja nicht in der Lage, Gefühle zu haben. Damit wollte ich dann etwas für die Menschen erschaffen, um mich und sie zu verstehen."
    "Schreibe ich über Algorithmen, ist es mein Leben"
    Natürlich steckt hinter dieser Stimme ein echter Mensch. Wer sie ist, wollen die Macher von Maya nicht preisgeben. Für alle Interviews gilt strikte Geheimhaltung: weder Fotos noch Name dürfen veröffentlicht werden. Nur soviel sei verraten: Sie ist kleiner, nicht blond und eine professionelle Sängerin. Von nun an verkörpert sie ausschließlich Mayas Geschichte.
    "Wenn ich über Liebe oder Freundschaft schreibe, dann geschieht das immer in der dritten Person. Schreibe ich über Algorithmen, ist es mein Leben. Es geht zum Beispiel darum, dass ich einen Softwarefehler habe, der repariert werden muss. Das machen dann die Techniker im Hintergrund."
    Insgesamt zehn Grafik-Designer und Programmierer arbeiteten daran, dass Maya zum Leben erweckt wurde.
    "Alles geschieht in Echtzeit"
    Während das Hologramm auf der Bühne steht, laufen in einem Raum nebenan ständig drei Computer, um die Bewegungen so menschlich wie möglich zu gestalten. Dazu braucht es die Hilfe von 16 Kameras, die in einem Rechteck um eine ungefähr 15 Quadratmeter große Fläche herum angebracht sind, wie Geschäftsentwicklerin Élodie Lorrain-Martin berichtet.
    "Eine professionelle Tänzerin befindet sich hinter der Bühne und tanzt. All ihre Bewegungen werden dann in eine 3D-Animation umgewandelt und auf das Modell übertragen. Die Sängerin ist für das Gesicht und den Gesang zuständig. Alles geschieht in Echtzeit. Um die 3D-Version davon zu sehen, benutzen wir sogenannte 'Game Engines'. Diese Bewegungserfassung ist sehr typisch für 3D-Animationen."
    Game Engines sind bei der Entwicklung von Computerspielen Grundausrüstung. Das Synchronisieren der Tanzbewegungen auf Mayas Körper funktioniert bereits sehr gut. Probleme gibt es bei dem Gesang. Die Sängerin trägt eine Art Helm, an dem vor ihrer Nase eine Kamera angebracht ist, die das Gesicht erfasst. Singt sie, schafft es der Computer nicht, die komplexen Muskelbewegungen schnell genug umzurechnen und in das animierte Gesicht umzuwandeln. Die 2 Sekunden Verzögerung versucht man manuell zu überbrücken: Die Sängerin trägt Kopfhörer und startet den Song auf dem Abspielgerät 2 Sekunden vor dem eigentlichen Playback.
    "Virtuell menschlich"
    Die kleinen Ungenauigkeiten sorgen dafür, dass die Bühnenshow nicht so perfekt ist, wie man das vielleicht von Projektionen auf großen Konzerten kennt. Élodie Lorrain-Martin sagt:
    "Die animierte Choreografie könnte natürlich vorher programmiert werden. Aber darum geht es bei diesem Projekt nicht. Es soll eine reale interaktive virtuelle Sängerin sein, bei der alles live ist. Wenn sie nicht total perfekt synchronisiert mit den Tänzern ist, dann fühlt sich das irgendwie echter an, menschlicher, virtuell menschlich."
    Eine Bühnenshow für eine Hologramm-Musikerin bietet unzählige Möglichkeiten. Man kann sie vor allen vorstellbaren Hintergründen auftreten lassen. Für ihre zweite EP wird Maya zum Beispiel vor bunten Pop Art-Animationen, mit tanzenden Robotern oder auch am weißen Piano sitzend zu sehen sein.
    "Der Hintergrund bewegt sich. Es gibt vorprogrammierte Animationen und welche, die live funktionieren. Man könnte Maya zwischen den Songs zum Beispiel auch fragen: 'Kannst du deine Kleidung verändern?' Dann muss man das auch spontan machen können. Man kann also manches live verändern. Das ist toll, weil wir improvisieren können."
    Wird Maya also Vorreiterin einer neuen Konzertkultur? Gut möglich, dass wir bald mehr Hologramme auf den Bühnen sehen werden. Hatsune Miku begeistert in Japan zum Beispiel jetzt schon Zigtausende. In ihrer Show sind Musik und Bewegungen aber vorher festgelegt. Die Interaktion mit dem Publikum macht Maya also bisher einzigartig. Ob sie Erfolg haben wird, hängt aber am Ende eben auch davon ab, wie gut ihre Musik ist. Und da unterscheidet sie sich dann auch nicht von realen Künstlern.
    "Da schwappt schon eine neue Welle über, Konzerte anders zu spielen. Das bedeutet aber nicht, dass die anderen Künstler nicht auf Welttournee gehen werden und ich keine Tickets für Lady Gaga kaufen werde. Es ist eben ein neues Angebot für die Leute, die etwas anderes sehen wollen."