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Virunga Nationalpark
Das gefährlichste Schutzgebiet der Welt

Der Virunga Nationalpark im Osten der Demokratischen Republik Kongo ist reich an Pflanzen und Tieren und Weltnaturerbe der Vereinten Nationen. Im Osten des Landes wird auch seit mehr als 20 Jahren gekämpft - über 140 Ranger wurden schon ermordet. Wir begleiten zwei Ranger, die um die Gefährlichkeit ihres Berufs wissen.

Von Bettina Rühl | 12.08.2017
    Ein bewaffneter Ranger im Virunga-Nationalpark in der Republik Kongo
    Ein bewaffneter Ranger im Virunga-Nationalpark in der Republik Kongo (picture alliance / Yannick Tylle)
    Der Geruch nach Schwefel liegt in der Luft, zwei Krähen schlagen im heftigen Aufwind Kapriolen. Es nieselt und ist kalt, trotzdem lacht Patrick Saroti kurz auf. Der kongolesische Wildhüter ist glücklich hier oben zu sein, auf dem 3469 Meter hohen Gipfel des Vulkans Nyiragongo.
    "Dieses Geräusch kommt vom Lavasee des Nyiragongo. Es ist immer da, jeden Tag, jede Sekunde."
    Zu sehen ist nichts, Nebel hängt über dem Gipfel des Vulkans.
    "Der Nebel wird sich später auflösen, dann können Sie den Lavasee sehen."
    Man darf keine Angst vor dem Sterben haben
    Patrick Saroti wartet am Feuer in einer kleinen Schutzhütte, wärmt sich auf. Die Hütte wird zum Kochen genutzt, daneben stehen für Touristen weitere Hütten, die jetzt aber leer sind. Neben Patrick Saroti sitzt sein Kollege Deogracias Matemane. Derzeit steigen sie rund drei Mal in der Woche auf den Vulkan, weil sie Touristen nach oben begleiten. Die beiden Wildhüter gehören zu rund 600 Rangern im Virunga Nationalpark. Ihr Beruf ist gefährlich: In den vergangenen zwei Jahrzehnten wurden über 140 Ranger im Dienst ermordet. Natürlich müsste die Regierung ermitteln, tatsächlich geschieht das fast nie. Deogracias Matemane ist sich der Gefahren bewusst.
    "Natürlich rechnen wir jederzeit mit einem Gefecht. Wenn man bei einem solchen Kampf fällt, ist das der Wille Gottes."
    Wenn sie im Park auf Patrouille sind, müssen die Wildhüter oft stundenlang marschieren, immer im Bewusstsein der drohenden Gefahr.
    "Natürlich ist das gefährlich. Sie wissen ja, dass sich bewaffnete Gruppen im Park verschanzen. Aber können unseren Beruf trotz der Risiken nicht aufgeben. Wir müssen den Virunga verteidigen und dürfen keine Angst vor dem Sterben haben - schließlich kann man überall sterben."
    Die Gegner der Ranger sind nicht nur Milizionäre, sondern auch Wilderer oder illegale Köhler. Sie wollen sich von den Rangern ihre Geschäfte nicht durchkreuzen lassen: den Schmuggler mit Elfenbein, mit Gorilla- und Schimpansenbabys. Das Fällen der Bäume, um Holzkohle zu köhlern zu verkaufen. An den Hängen des Nyiragongo seien ihre Waffen aber eine reine Vorsichtsmaßnahme, sagt Deogracias Matemane:
    "In dieser Zone gibt es keine Probleme mehr. Hier haben wir alle Milizionäre geschlagen."
    Sein Kollege Patrick Saroti ist 25 Jahre alt und seit zwei Jahren Ranger. Das Auswahlverfahren war hart – es gibt jedes Mal tausende Bewerber auf vielleicht 100 offene Stellen. Für den Job spricht die regelmäßige Bezahlung. Gegen ihn das hohe Risiko.
    "Im Kongo gibt es keine Arbeit. Man kann nicht auswählen. Ich kenne das Risiko – aber hier bin ich."
    Zwei Mal sei er schon in Gefechte mit Wilderern geraten. Aber nicht einmal seine Frau hat ihn gebeten, seinen Job als Wildhüter aufzugeben – obwohl die beiden zwei Kinder haben, drei und sechs Jahre alt.
    "Sie ist stolz auf meinen Beruf, und oft ist sie es, die mich ermutigt weiter zu machen. Sie sagt, dass es keine Schande ist, für sein Heimatland zu sterben. Dass das alle Mal besser ist, als zu Hause an Malaria zu sterben."
    Auch Deogracias Matemane arbeitet hier mit dem Einverständnis seiner Frau. Er ließe zwei Kinder zurück.
    "Sie hat mich überhaupt erst auf die Idee gebracht, Ranger zu werden. Ich hatte keine Arbeit und habe mich gefragt was ich tun kann. Der Job im Nationalpark war eine Möglichkeit. Meine Frau hat gesagt: Wenn es ein Beruf ist, mach es."
    Dann steigt Patrick Saroti nochmal zum Kraterrand. Mittlerweile ist es stockdunkel, der Nebel hat sich aufgelöst.
    In der Dunkelheit leuchtet der Lavasee. Auf seiner rot glühenden Oberfläche treiben dunkle Platten aus erstarrtem Basalt. Spinnennetzartig glüht dazwischen die Lava.
    "Das muss jeder gesehen haben. Und wer es gesehen hat, muss anderen davon erzählen. Einfach weil das unbeschreiblich schön ist. Das guckt sich jeder am besten selbst einmal an."
    Patrick Saroti und sein Kollege Deogracias Matemane haben ihren Blick für die Schönheit der Natur nicht verloren – trotz der Routine und der Gefahren ihres Berufs.