Mittwoch, 15. Mai 2024

Archiv


Visitenkarte Ausländerbehörde

Der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) hat mehr Serviceorientierung bei den Ausländerbehörden festgestellt. Man unterscheide dort jetzt zwischen Flüchtlingen und hoch Qualifizierten, sagt SVR-Geschäftsführerin Gunilla Fincke. Den Behörden käme bei der Werbung um gut ausgebildete Arbeitskräfte eine Lotsenfunktion zu.

Gunilla Fincke im Gespräch mit Ulrike Burgwinkel | 23.08.2011
    Ulrike Burgwinkel: Wir brauchen sie und wir werben um sie: Hoch qualifizierte Arbeitskräfte aus dem Ausland werden von der deutschen Wirtschaft gesucht. Manchmal auch erfolgreich. Wie gehen die Ausländerbehörden mit ihnen um? Sie sind ja oft die erste offizielle Anlaufstelle, und ihr Image ist nicht immer unbedingt das beste. Der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration hat sich dieser Frage angenommen und die Ergebnisse in seiner Studie jetzt vorgestellt. Geschäftsführerin des SVR ist Dr. Gunilla Fincke. Guten Tag nach Berlin!

    Gunilla Fincke: Guten Tag, Frau Burgwinkel!

    Burgwinkel: Frau Fincke, was genau haben Sie denn untersucht?

    Fincke: Wir haben uns die Veränderungen bei den Ausländerbehörden in drei Städten, nämlich in Hamburg, Berlin und Frankfurt angeschaut. Das sind alles drei große Städte, die einen hohen Anteil an Migranten haben und die aber auch jedes Jahr viele neue Zuwanderer bekommen, darunter viele Hochqualifizierte.

    Burgwinkel: Und was haben Sie bei diesen Ausländerbehörden genau unter die Lupe genommen?

    Fincke: Wir haben uns angeschaut, ob es in den letzten Jahren Veränderungen gegeben hat hin zu einer stärkeren Serviceorientierung dieser Einrichtungen. Sie hatten es ja selbst gerade schon erwähnt. Traditionell sind die Ausländerbehörden Ordnungsbehörden, sie sind beauftragt, da mehr zu kontrollieren, Zuwanderer abzuwehren, und das hat sich doch sehr in das Selbstverständnis dieser Behörden verfestigt. Jetzt stehen sie vor einer neuen Herausforderung. Wir wollen hoch qualifizierte Zuwanderer nach Deutschland bekommen, und das muss sich dann auch natürlich in der Alltagspraxis dieser Behörden widerspiegeln. Und da stellen wir fest, dass die Städte erste wichtige Schritte unternommen haben. Also sie haben zum Beispiel sich ein Leitbild gegeben, bei dem sie sagen, Serviceorientierung ist uns wichtig. Wir haben eine neue Idee, wir wollen uns am Kunden orientieren. Sie haben spezielle Einrichtungen gegründet für Fachkräfte. Das heißt, sie unterscheiden jetzt also zwischen Flüchtlingen und Niedrigqualifizierten, die versuchen, einen Aufenthaltsstatus in Deutschland zu bekommen, und den Hochqualifizierten, die sie gesondert behandeln. Zum Beispiel gibt es in Berlin einen Business Immigration Service, BIS heißt der, das ist eine Kooperation auch mit der Industrie- und Handelskammer, anders gelagert als die Ausländerbehörden, und da bekommen hoch qualifizierte Zuwanderer ein breiteres Spektrum an Angeboten und an Beratungen.

    Burgwinkel: Das klingt jetzt ja doch nach einem relativ guten Aushängeschild, sozusagen nach einer Visitenkarte für das Gastland Deutschland.

    Fincke: Wenn’s gut läuft, ist es die Visitenkarte, so weit sind wir aber flächendeckend in Deutschland leider noch nicht. Es ist doch – kann man vielleicht auch nachvollziehen – schwierig, wenn man viele Jahre immer wieder versucht hat, Leute abzuschrecken, abzuwehren, dann sich vorzustellen, dass man jetzt um andere wirklich werben soll, dass man ihnen hier ein Willkommen bieten muss, das ist doch ein langer Prozess. Und so stellen wir fest, dass noch einiges im Argen liegt, gerade was die Fragen von Transparenz angeht, aber auch die Geschwindigkeit, in der Anträge bearbeitet werden oder indem man überhaupt eine verbindliche Auskunft kriegt. Also es fängt an mit solchen Dingen wie eine Terminvergabe per Internet oder per Telefon vorab, die auch nur in ausgewählten Ausländerbehörden bisher verfügbar ist. Es geht dann weiter über die Frage, gibt es irgendwo im Haus einen Mitarbeiter, der zum Beispiel Englisch spricht, sodass eine Fachkraft, die vielleicht am Anfang ihres Aufenthalts in Deutschland noch nicht gut Deutsch spricht, dann bei diesem Mitarbeiter der Ausländerbehörde einen Termin vereinbaren kann und erst mal auch eine Beratung auf Deutsch kriegen kann. Ja, und es geht weiter dann mit dem – die Fachkräfte kommen ja nicht nur als Arbeitskräfte, sondern sie haben auch ein soziales Leben, und da ist die Frage, können die Ausländerbehörden so etwas wie so eine Lotsenfunktion übernehmen und die Fachkräfte auch an weitere Einrichtungen in der Stadt verweisen, wo sie Hilfe bekommen können, wenn sie eine Wohnung suchen, wenn sie sich sozial engagieren wollen, wenn sie einen Sportverein suchen, wenn sie vielleicht für die Schule ihrer Kinder Fragen haben. Und das ist erst so in den Kinderschuhen in den Ausländerbehörden und ist aber sicherlich bei der Frage der Visitenkarte im internationalen Vergleich wichtig.

    Burgwinkel: In diese Richtung gehen vermutlich dann Ihre Verbesserungsvorschläge, die Sie ausgearbeitet haben?

    Fincke: Genau. Also uns geht es ganz stark darum, diese Serviceorientierung weiter zu stärken, vor allem auch für eine Transparenz zu sorgen, Mitarbeiter zu schulen, sei das über Maßnahmen im Ausländerrecht, wo sich in den letzten Jahren ja auch sehr viel getan hat und man immer gucken muss, dass alles auf dem aktuellen Stand sind, aber auch hinsichtlich interkultureller Kompetenz. Und da kommen wir in so etwas rein, wo wir sagen, es geht wirklich da drum, hier spezialisierte Angebote für einzelne Zuwanderergruppen zu machen, insbesondere für diese Hochqualifizierten, wo so eine gesonderte Beratung sehr sinnvoll sein kann.

    Burgwinkel: Auch aber die Tatsache, dass die meistens ja nicht alleine kommen, sondern mit Familie. Das ist oft genug, denke ich, auch nicht so richtig im Fokus der Behörden.

    Fincke: Absolut. Also so ein Bundesland oder eine große Stadt wie Hamburg haben da erste wichtige Schritte unternommen, sie haben nämlich die Ausländerbehörden dezentralisiert und in die Bürgerämter verlagert, sodass man dort wirklich auf einen Schlag ganz unterschiedliche Dienstleistungen der Gemeinde in Anspruch nehmen kann. Man kann sich eben dann informieren, was ist eigentlich das Angebot, was hier an Kinder- und Jugendgruppen besteht, welche Möglichkeiten gibt es bei dem Schulbesuch, und all das in einer Hand zu bündeln, sodass die Mitarbeiter relativ bürokratielos direkt weiterverweisen können. Das ist ein enormer Vorteil und trägt dazu bei, dass sich Menschen in Deutschland heimisch fühlen, dass sie sich willkommen fühlen.

    Burgwinkel: Vielen Dank für das Gespräch! Dr. Gunilla Fincke vom Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration war das.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.