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Vitali Klitschko ist der neue starke Mann der ukrainischen Opposition

Vitali Klitschko hat sich zum aussichtsreichsten Kandidaten der Opposition gemausert - hinter Julia Timoschenko. Doch sollte Timoschenko nicht begnadigt werden, könnte Klitschko die Opposition in einem Handstreich hinter sich vereinigen. Noch hält er sich zurück.

Von Sabine Adler |
    Der Boxweltmeister und Politiker Vitali Klitschko könnte das Bürgermeisteramt bekleiden.
    Der Boxweltmeister und Politiker Vitali Klitschko könnte das Bürgermeisteramt bekleiden. (picture alliance / dpa / Frolova Maria)
    Das woanders Normalität ist, sorgt in den Zeitungen in der Ukraine für Schlagzeilen: Das Parlament arbeitet. Keiner schreit, niemand schlägt sich, packt einen gegnerischen Deputierten am Schlafittchen. Ausnahmsweise. Vitali Klitschko, seit der vergangenen Parlamentswahl Fraktionschef seiner Partei UDAR, sind die Bilder von prügelnden Deputierten peinlich und er ist entsetzt, dass sie – Zitat – "nicht mit dem Kopf, sondern den Fäusten arbeiten." Außerdem findet er, dass sie sich auch mit den Fäusten nicht sonderlich gut anstellen.

    Trotz des nun gesitteten Benehmens in der Werchowna Rada ist die Opposition keineswegs erlahmt. Sie bleibt hartnäckig mit ihrer Forderung, Wahlen in der Hauptstadt Kiew abzuhalten. Seit fast anderthalb Jahren hat die Stadt keinen Bürgermeister. Der alte ist zurückgetreten, weil ihm Viktor Janukowitsch, der Präsident, eine Verwalter mit umfangreichen Befugnissen vor die Nase gesetzt und damit entmachtet hatte. Jetzt, so heißt es in Kiew, habe der Präsident die Hinhaltetaktik ausgerufen. Er will angeblich die Wahl herauszögern bis zum Jahr 2015, in dem auch die Präsidentschaftswahlen stattfinden. Die Frage, wann im Falle eines Rücktritts neu abgestimmt werden muss, soll jetzt das Verfassungsgericht entscheiden. Eine neutrale Bewertung erwartet der Oppositionsabgeordnete Pawel Rosenko von der Klitschko-Partei UDAR von vornherein nicht:

    "Die Vertikale der Macht funktioniert so, dass das Gericht dem Präsidenten gehorcht und nur auf ihn hört. Somit können wir von einer objektiven Befassung des Gerichts mit dieser Angelegenheit natürlich nicht ausgehen."

    Janukowitsch wolle vermeiden, dass sich ein neuer Kiewer Bürgermeister - womöglich von der Opposition - in dem herausgehobenen Amt für eine Gegenkandidatur bei der Präsidentschaftswahl vorbereitet und dafür die zwei verbleibenden Jahre nutzt.

    Ohne dass der Name dieses möglichen Herausforderers genannt wird, wissen alle, um wen es geht: Vitali Klitschko. Der Boxweltmeister wäre der gefährlichste Gegner.

    Klitschko hat sich noch nicht für eine Kandidatur entschieden

    Für Arsenij Jazenuk von der Timoschenko-Partei Vaterland ist der 2-Meter-Mann Klitschko ohnehin der Kandidat mit den besten Aussichten.

    "Die einzige Figur, die einen Sieg erringen kann, ist zweifellos Vitali Klitschko."

    Doch der Oppositionskollege hat den UDAR-Gründer Klitschko bislang nicht gefragt, ob der überhaupt an einer Kandidatur interessiert ist, was Klitschko kritisiert. Entschieden hat er sich noch immer nicht.

    Dass Präsident Janukowitsch auf Zeit spielt und mit einem Bürgermeister in Kiew, der der Opposition angehört verhindern will, zeigt für die Oppositionsabgeordnete Tetjana Donets von der Vaterlandspartei nur, dass der Präsident mit politischen Gegenkräften nicht umgehen kann.

    "Der Präsident war nicht bei der konstituierenden Sitzung des neuen Parlaments anwesend, er hätte auch den Premierminister vorstellen müssen, selbst dafür kam er nicht in die Werchowna Rada. Er hat einfach Angst vor dem Parlament. Das ist doch nicht normal. In jedem x-beliebigen Land gibt es die Regierungskoalition und eine Opposition, die sich gegenseitig ausbalancieren. Er hat einfach Angst."

    Der durch die Begnadigung des Präsidenten vor knapp zwei Wochen frei gelassene ehemalige Innenminister und Timoschenko-Vertraute Juri Luzenko erwägt eine eigene Kandidatur für die Kiewer Wahl.

    Noch hat Klitschko die ehemalige Premierministerin Julia Timoschenko als Führungsfigur der Opposition nicht abgelöst. Würde Klitschko ebenso beherzt nach der Kandidatur für das Kiewer Amt greifen, wie er im Ring zuschlägt, würde sich die Opposition wohl hinter ihm versammeln, vorausgesetzt, Julia Timoschenko wird nicht zuvor begnadigt. Doch damit ist nicht zu rechnen.

    Dieser Beitrag wurde im Deutschlandradio am 18.04.2013 um 9:18 Uhr ausgestrahlt.