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"Völlig ungewöhnlich und auch schädlich"

Ex-Generalinspekteur der Bundeswehr Harald Kujat bezeichnet die derzeitige Debatte über die Entlassung von Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan als "völlig ungewöhnlich und auch schädlich", um das "Vertrauen der Soldaten in die politische Führung zu erhalten".

Harald Kujat im Gespräch mit Bettina Klein |
    Bettina Klein: Die Umstände der Entlassung zweier hochrangiger Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums, um es einmal so zu formulieren, entwickeln sich im Augenblick zur Kernfrage der Debatte rund um die Luftschläge in Kundus. Der Minister hatte sich unzureichend informiert, in jedem Falle falsch beraten gefühlt, und der so beschuldigte entlassene Generalinspekteur geht nun via Medien zum Gegenangriff über und nennt das ehrenrührig.

    Am Telefon begrüße ich General a.D. Harald Kujat. Er ist der Vorgänger von Wolfgang Schneiderhan im Amt des Generalinspekteurs. Guten Tag, Herr Kujat.

    Harald Kujat: Ich grüße Sie, Frau Klein.

    Klein: Müssen wir es eigentlich ungewöhnlich nennen, dass der oberste Soldat auf offener Bühne in dieser Weise verbal gegen seinen ehemaligen obersten Dienstherrn vorgeht?

    Kujat: Der ganze Vorgang ist ungewöhnlich. Es ist leider, muss ich sagen, ein Vorgang, der von den eigentlichen Problemen ablenkt. In Wahrheit ist es so, dass der Verteidigungsminister ja gar keine Gründe hätte nennen müssen für die Ablösung von General Schneiderhan und von Staatssekretär Wichert. Er hat es leider getan und dann gibt es natürlich diese unschöne Auseinandersetzung darüber, wer was wann gesagt oder getan hat. Das ist eine Auseinandersetzung, die niemandem dient, auch dem Parlamentarismus in Deutschland nicht.

    Klein: Weshalb hätte er keine Begründung angeben müssen?

    Kujat: Das ist die Regel so. Diese Regel ist eingeführt worden, um genau diese Art der Auseinandersetzung zu vermeiden, um deutlich zu machen, dass der Primat der Politik der gilt. Dafür gibt es eben die Kompensation auf der anderen Seite, dass politische Beamte - und das ist in diesem Fall ja auch der Generalinspekteur - bis zum Eintritt ihrer Pension auch das volle Gehalt bekommen.

    Das hat es also in der Vergangenheit häufiger gegeben, dass ein politischer Beamter abgelöst wurde. Er ist dann damals noch am Rhein spazieren gegangen mit seinen vollen Bezügen, jedenfalls so lange, bis er das Pensionsalter erreicht hatte. Das ist eine Regelung, die eben den Primat der Politik herausstellen soll, und die ist richtig und wie dieser Fall zeigt, hat sie sich auch in der Vergangenheit bewährt.

    Klein: Würden Sie es als Anfängerfehler des Ministers bezeichnen?

    Kujat: Ich will das nicht bewerten. Ich will überhaupt nicht das Verhalten des Ministers und auch nicht das Verhalten von General Schneiderhan bewerten.

    Klein: Dennoch einmal die Nachfrage, Herr Kujat. Die Frage ist natürlich schon: wenn Herr zu Guttenberg diese Begründung nicht abgegeben hätte, wäre in der Öffentlichkeit tatsächlich ein besserer Eindruck entstanden und hätte man dann nicht auch gesagt, warum drückt er sich eigentlich um eine klare Antwort?

    Kujat: Ob wir uns damit diese unangenehme Diskussion erspart hätten, das weiß ich nicht. In jedem Fall wäre es nicht zu dieser konfrontativen Auseinandersetzung zwischen dem Minister auf der einen Seite und General Schneiderhan auf der anderen Seite gekommen. Das halte ich für wirklich unakzeptabel, und zwar deshalb, weil das natürlich dazu beiträgt, dass auch die Unterstützung der deutschen Bevölkerung für den Einsatz in Afghanistan, die ja ohnehin auf einem ganz niedrigen Niveau ist, weiter abbröckeln wird.

    Klein: Herr Kujat, ich würde gerne noch mal kurz auf meine Einstiegsfrage zurückkommen. Meine Frage war ja: Ist das ungewöhnlich zu nennen, oder ist es normal, dass der oberste Soldat ...

    Kujat: Nein, nein. Es ist überhaupt nicht normal. Ich kenne keinen Fall, jedenfalls ist mir kein Fall aus der Vergangenheit erinnerlich, wo es dann eine öffentliche Diskussion über diese Frage gegeben hat, wer hat was gesagt, unter welchen Umständen ist wer entlassen worden.

    Klein: Darf die Loyalität gegenüber dem ehemaligen Vorgesetzten irgendwann enden oder gilt sie unbegrenzt?

    Kujat: Zunächst mal muss natürlich ein Vertrauensverhältnis zwischen beiden bestehen, zwischen dem Minister und dem Generalinspekteur. Sonst kann man nicht zusammenarbeiten. Und wenn dieses Vertrauensverhältnis nicht besteht, dann ist es besser, man trennt sich. Das ist eine ganz einfache Regel und in einer Demokratie ist es eben so, dass dann in der Regel der Beamte geht und nicht der Minister. Dafür haben wir den Primat der Politik.

    Die Frage, ob nun über den Tag hinaus sozusagen ein persönliches Loyalitätsverhältnis besteht, die muss man einfach mit Nein beantworten. Es gibt kein persönliches Loyalitätsverhältnis, das über den Dienst hinausgeht. Wenn ein solcher Vorfall geschehen ist, wenn also ganz offensichtlich gravierende Meinungsunterschiede bestehen, dann ist es auch in einer Demokratie, meine ich, zulässig, dass darüber unterschiedliche Auffassungen geäußert werden. Dass es eine öffentliche Diskussion gibt, die nun auch in den parlamentarischen Raum hineingeht, die zu einer parlamentarischen Auseinandersetzung, zu einer Auseinandersetzung der Parteien führt, das ist völlig ungewöhnlich und auch schädlich für das, was uns wirklich im Augenblick wichtig sein sollte, nämlich das Vertrauen der Soldaten in die politische Führung zu erhalten, und zwar nicht nur in die des Ministeriums, sondern auch das Vertrauen in den Auftraggeber, und das ist das Parlament.

    Klein: Herr Kujat, lassen Sie mich da direkt nachfragen. Der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Reinhold Robbe von der SPD, sagt heute der "Bildzeitung", "die Soldaten sind geschockt von den Ereignissen und Umständen, die zur Entlassung des Generalinspekteurs geführt haben". Halten Sie das für eine objektive Zustandsbeschreibung?

    Kujat: Die Soldaten sind geschockt, nach meinem Eindruck, von der Auseinandersetzung, die dort stattfindet. Die einzelnen Soldaten können die Umstände nicht beurteilen, genauso wenig wie Sie oder ich im einzelnen beurteilen kann, wer nun Recht hat, ob das der Generalinspekteur ist, oder der Minister, und wie das im einzelnen abgelaufen ist.

    Aber die Umstände führen doch zu einem gravierenden Vertrauensverlust und die anhaltende Diskussion, die ja noch lange nicht zu Ende ist - sie wird ja weitergehen, sie wird ja auch in dem Untersuchungsausschuss fortgeführt werden -, muss zwangsläufig zu einem gravierenden Vertrauensverlust der Soldaten führen.

    Klein: Würden Sie denn deshalb dafür plädieren, die öffentliche Diskussion darüber einzustellen und zu sagen, das ist jetzt allein Sache des Untersuchungsausschusses?

    Kujat: Auch die Dinge, die im Untersuchungsausschuss besprochen werden, bleiben ja nicht geheim, sondern die Wahrheit wird irgendwann natürlich an den Tag kommen. Insofern muss sich niemand Sorge machen, dass die tatsächlichen Umstände sozusagen unter den Teppich gekehrt werden. Aber ich würde schon dafür plädieren, dass man nun dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss zunächst mal die Chance gibt, überhaupt die Dinge aufzuarbeiten. Die öffentliche Auseinandersetzung in den Medien ist dafür der falsche Platz.

    Klein: Die Einschätzung von General a. D. Harald Kujat. Er war als Generalinspekteur der Bundeswehr Vorgänger von Wolfgang Schneiderhan. Ich bedanke mich für das Gespräch, Herr Kujat.

    Kujat: Ich danke Ihnen, Frau Klein.