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Vogt: Deutlich mehr Zuspruch für Kanzler Schröder als für Merkel

Obwohl die SPD nach Ansicht der stellvertretenden Bundesvorsitzenden Ute Vogt an Vertrauen eingebüßt hat, werde aus dem Wahlergebnis deutlich, dass Schröder immer noch mehr Zuspruch genieße als Angela Merkel. Die SPD habe bis auf die PDS allen Parteien Gesprächsangebote gemacht. Entscheidend sei am Ende, was man an Themen gemeinsam umsetzen könne, betonte Vogt.

    Meurer: Im TV-Duell mit Angela Merkel zwei Wochen vor der Wahl präsentierte sich Bundeskanzler Gerhard Schröder noch als Staatsmann: abgeklärt, souverän und ganz der Medienprofi, entsprechend war das Urteil der Öffentlichkeit und der TV-Zuschauer. Aber am Sonntagabend sahen wir einen ganz anderen Kanzler im Fernsehen: aggressiv, emotional, viele waren geradezu erschrocken über diesen Auftritt. Die SPD aber applaudiert ihrem Kanzler. Am Telefon begrüße ich die stellvertretende Bundesvorsitzende der SPD Ute Vogt, guten Morgen.

    Vogt: Guten Morgen, Herr Meurer.

    Meurer: Überzieht Gerhard Schröder da?

    Vogt: Wissen Sie, auch ein Bundeskanzler hat denke ich mal das Recht auf Emotionen und ich habe den Eindruck gehabt, es ist auch aus ihm herausgebrochen, was er viele, viele Monate an Häme und auch zum Teil an sehr persönlichen Angriffen hat einstecken müssen. Es war ja eine sehr, sehr schwere Zeit und keiner hat so gekämpft wie er und keiner wurde auch oft persönlich so angegriffen und gerade auch in den Medien, das kann man ja nicht abstreiten und ich habe da auch Verständnis, dass das irgendwann auch mal herausbricht, auch Bundeskanzler sind Menschen, die irgendwo sagen, es ist eine Grenze erreicht und da darf man dann auch mal deutliche Worte zurück finden und das war eben an diesem Abend so.

    Meurer: Aber dieses harte Auftreten, schadet das letzten Endes der SPD, weil viele Wähler jetzt sagen, also so geht es nicht?

    Vogt: Ich denke nicht, dass das wenn man da einmal auch mal aus sich rausgeht in dieser Form, dass das jetzt einen Schaden anrichtet. Es gibt ja verschiedene Meinungen darüber. Die einen sagen, das war unangemessen, die anderen sagen, na ja, er hat doch auch mal recht gehabt, klare Worte zu finden. Das kommt auf den Standpunkt an, aber ich glaube, am Ende ist jetzt so ein Auftritt im Fernsehen nicht ausschlaggebend für die Bewertung der Politik des Bundeskanzlers und der SPD insgesamt.

    Meurer: Rot-Grün ist abgewählt, die SPD hat über vier Prozent der Stimmen verloren - woher leiten Sie eigentlich Ihren Machtanspruch ab?

    Vogt: Sehen Sie, die SPD ist nach wie vor die stärkste Partei, wenn Sie die Zahlen anschauen, haben wir über 34 Prozent der Zustimmung erhalten, die CDU 27,8 und die CSU liegt bei 7 Komma noch was. Und es ist schon interessant, die CDU und CSU allseits versuchen immer, darauf zu beharren, dass jeder einzeln gerechnet wird bei jeder Elefantenrunde sitzen immer zwei dort, es gibt zwei Generalsekretäre, zwei Vorsitzende, zwei Parteitage.

    Meurer: Aber diese Spielregeln galten nun mal immer. Und es gibt eine Fraktionsgemeinschaft.

    Vogt: Naja, die Spielregeln, wenn Sie das Wahlergebnis des Wahlleiters anschauen, da wird das einzeln ausgewiesen und da ist die Reihenfolge auch klar ausgewiesen, aber ich glaube am Ende kommt es auch nicht darauf an, wer zuerst wen anschreibt, sondern es kommt vor allem darauf an, wen die Bürgerinnen und Bürger als Kanzler möchten und ich finde schon, dass das ganz deutlich wird bei dem Wahlergebnis, dass jedenfalls Angela Merkel nicht das Vertrauen der Menschen erreichen konnte, weil sehr viele sehr bewusst gewählt haben, weil sie gerade nicht Angela Merkel als Kanzlerin wollten.

    Meurer: Aber Schröder, hat er das Vertrauen erreicht?

    Vogt: Wir haben sicher an Vertrauen eingebüßt, aber wir haben trotzdem denke ich, gerade in Bundeskanzler Schröder einen Politiker, der deutlich mehr Zuspruch hat als Angela Merkel. Was wir nicht erreicht haben ist natürlich die Mehrheit mit der bisherigen Regierung und deshalb ist es jetzt auch ein bisschen komplizierter geworden.

    Meurer: Haben Sie eine Antwort, wie es jetzt weitergehen soll? Mit wem will die SPD regieren? Also wollen mit Grün, aber mit wem kann sie wirklich realpolitisch regieren?

    Vogt: Wir haben alle Parteien angeschrieben und haben außer der PDS auch jedem das Angebot für Gespräche gemacht und es wird am Ende darauf ankommen, mit wem man am nächsten auch inhaltlich sich einigt und da muss man die Gespräche abwarten. Ich denke, man braucht jetzt gar nicht so aufgeregt hier und da zu spekulieren und Farben zusammenzumischen, sondern es kommt ja nicht nur auf die Farbe an, sondern darauf, was man auch an Themen gemeinsam umsetzen kann und da sind wir gespannt auf die Reaktionen, auf die Rückmeldungen aus den anderen Parteien und vor allem auf das, was dann in den Gesprächen rauskommt.

    Meurer: Hoffen Sie wirklich noch, dass die FDP umfällt?

    Vogt: Wissen Sie, ich glaube, dass die Bürgerinnen und Bürger eines von uns erwarten, dass wir uns nämlich am Riemen reißen und uns um Sachfragen kümmern.

    Meurer: Im Moment haben die Bürger das Gegenteil.

    Vogt: Ja und die Bürger erleben im Moment, dass es jede Menge Menschen gibt, die immer nur erzählen, was sie nicht wollen. Ich denke, es steht uns überhaupt nicht an, wenn die FDP jetzt beleidigt in der Ecke steht und sagt trotzig ich will aber nicht mit dem oder mit dem und ich will nur das, das geht nicht in einer Demokratie und ich denke, man muss jetzt abwarten, wie sich das entwickelt, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass die FDP bei so einer Haltung bleiben kann wie ein trotziges Kind, sondern die Bürger erwarten, dass wer gewählt ist auch bereit ist, Verantwortung zu übernehmen.

    Meurer: Wie groß ist die Gefahr, dass die SPD in den selben Geruch gerät, jetzt trotzig zur Seite zur stehen und darauf zu beharren, dass die CDU akzeptieren soll, dass Gerhard Schröder Kanzler bleibt?

    Vogt: Also wir haben alle Parteien um Gespräche ersucht und wir haben uns an alle gewendet und es ist ja keine Trotzhaltung sondern das ist eine konstruktive Haltung, dass es unser Ziel ist, dass Gerhard Schröder Bundeskanzler bleibt, das ist denke ich keine Überraschung, aber dass wir auf jeden Fall gesagt haben, wir reden mit allen und sind bereit, mal zu schauen, mit wem man wie weit kommt, ist eine andere Haltung, als wenn die FDP sagt, wir reden schon gar nicht mit dem ein oder anderen. Ich denke, wenn man Verantwortung hat für ein Land, dann muss man sich schon bemühen, eine stabile Mehrheit zu schaffen.

    Meurer: Wie groß ist die Gefahr, dass am Ende die sogenannte Jamaika-Koalition herausspringt, die Grünen machen also mit Union und FDP und die SPD geht dann leer aus und ist noch nicht mal in einer großen Koalition?

    Vogt: Ich kann das im Moment nicht beurteilen, es wird darauf ankommen, wie weit man dort inhaltliche Übereinstimmungen findet, persönlich muss ich ehrlich sagen, würde es mich sehr überraschen, wenn es zu so einer Farbenkonstellation käme, weil ich nicht sehe, wie man da inhaltlich miteinander klarkommen will, aber es ist eine Entscheidung, die trifft in diesem Falle oder würde in dem Falle eben nicht von der SPD sondern von anderen getroffen. Jetzt warten wir mal ab, was bei den Gesprächen rauskommt. Ich denke, wenn sich der Pulverdampf des Wahlabends ein bisschen verzogen hat, dann wird auch die Atmosphäre wieder sachlicher und dann kommen alle auch auf den Boden zurück.

    Meurer: Neuestes Modell, das jetzt propagiert wird, ist die Minderheitsregierung. Ist das sowohl für die eine als auch für die andere Seite eine ernsthafte Option Ihrer Ansicht nach?

    Vogt: Ich fände es sinnvoll, wenn man doch sich möglichst bemüht, stabile Verhältnisse zu bekommen, also Deutschland hat keine Tradition wie jetzt manche skandinavischen Länder sondern bei uns ist eine andere Parteientradition und es wäre eine schwere Umstellung. Ich glaube nicht, dass die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland so eine Minderheitenregierung wollen, sondern es ist schon unser Auftrag, uns um stabile Verhältnisse zu bemühen.

    Meurer: In Sachsen-Anhalt hat das mal ganz gut und stabil funktioniert.

    Vogt: Ja, ein Land ist immer noch mal ein bisschen was anderes als bundesweit. Ich sage, ich denke, unsere erste Bemühung sollte dazu beitragen und sollte dem Ziel gelten, eine stabile Regierungsmehrheit zu schaffen und da hat man ja schon noch ein paar Tage Zeit, auch miteinander zu reden. Ich empfehle da einfach weniger Aufgeregtheit als wir es in den letzten 48 Stunden erlebt haben.

    Meurer: Wenn es nicht geht, dann eben Neuwahlen zur Not?

    Vogt: Also Neuwahlen fände ich wirklich die allerletzte Reaktion, das fände ich unmöglich, wenn man jetzt den Bürgerinnen und Bürgern zumuten würde, permanent so lange zu wählen bis uns das Ergebnis passt. Man hat einen Auftrag der Bürgerinnen und Bürger bekommen, der ist nicht ganz einfach, aber der Respekt vor dem Wähler, der gebietet schon, dass wir uns auch dann entsprechend mal zusammenreißen und schauen, dass wir aus dem, was die Bürgerinnen und Bürger entscheiden haben auch was machen. Also so einfach darf man sich es nicht machen und das wäre auch unwürdig, wenn man jetzt einfach wieder wählen lassen würde. Ich glaube auch nicht, dass es zum Beispiel dann noch eine entsprechende Wahlbeteiligung oder eine Begeisterung für Demokratie geben würde.