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Vogt: Junge Generation hat noch Klärungsbedarf

Aus Perspektive der jungen Generation gäbe es noch Klärungsbedarf, sagt Sascha Vogt, Bundesvorsitzende der Jusos, der Jugendorganisation der SPD, im Hinblick auf die Kanzlerkandidatur von Peer Steinbrück. Man wolle von dem früheren Finanzminister wissen, was er zur Ausweitung prekärer Beschäftigungsverhältnisse von jungen Menschen sage.

Sascha Vogt im Gespräch mit Mario Dobovisek | 29.09.2012
    Mario Dobovisek: Die SPD hat also ihre Kanzlerkandidatenfrage, die K-Frage entschieden. Den jungen Sozialdemokraten, dem Namen nach, vielmehr den Jungen Sozialisten, den Jusos nämlich, steht Sascha Vogt vor, und ihn begrüße ich nun am Telefon. Guten Morgen, Herr Vogt!

    Sascha Vogt: Einen schönen guten Morgen!

    Dobovisek: Lassen Sie uns, Herr Vogt, mit einem Zitat von CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe beginnen, der wunderte sich gestern darüber, dass die SPD ihren Spitzenkandidaten der Presse zuerst vorgestellt hat, obwohl die Parteigremien erst am Montag dazu tagen werden. Das passe ins Bild, sagte er. Hat Sie die Blitzaktion im Alleingang überrascht?

    Vogt: Ich habe mich gestern schon ein bisschen geärgert darüber, dass es dann doch so schnell ging und wir noch am letzten Montag im Parteivorstand zusammensaßen, gesagt hatten: erst die Programmatik, dann das Personal. Nun haben sich da die Ereignisse überschlagen, und es gibt jetzt einen Vorschlag, den wir am Montag im Parteivorstand diskutieren werden. Ich bin mir ziemlich sicher, dass der Parteivorstand dem auch folgen wird, und ob man nun Einzelgespräch mit Journalisten führt oder gleich eine Pressekonferenz macht, tut da für mich nichts zur Sache.

    Dobovisek: Werden denn die Jusos diesem Vorschlag folgen?

    Vogt: Wir werden mit Peer Steinbrück in den nächsten Wochen über das eine oder andere sprechen, wie wir uns einen Wahlkampf vorstellen für die junge Generation. Da bin ich gespannt, was Peer Steinbrück uns dazu dann sagen möchte. Wir haben ihn bereits eingeladen zu so einem Gespräch, und dann bin ich mir ziemlich sicher, dass auch wir Jusos auf Grundlage eines solchen guten Programmes dann sehr gerne Wahlkampf im Jahre 2013 machen.
    Dobovisek: Steinbrücks Biograf, Daniel Friedrich Sturm, beschreibt ihn als autoritär, als hierarchisch, als aggressiv, außerdem gilt Steinbrück als konservativ. Klingt nicht nach dem Wunschkandidaten der Jusos, Herr Vogt.

    Vogt: Na ja, es ist ja unbestritten, dass es in den vergangenen Jahren vielleicht die eine oder andere Differenz oder Auseinandersetzung zwischen Peer Steinbrück und den Jusos gegeben hat. Wir sind aber alle Mitglied in ein und derselben Partei, und der politische Gegner steht draußen, und dementsprechend müssen wir jetzt schauen, wie wir da gemeinsam ein vernünftiges Programm basteln, mit dem dann auch wir Jusos mit großer Begeisterung in den Bundestagswahlkampf gehen.

    Dobovisek: Wie weit muss sich denn Peer Steinbrück noch bewegen, um auch Sie mitzunehmen?

    Vogt: Ich weiß gar nicht, wie weit er sich bewegen muss, weil Peer Steinbrück in den vergangenen drei Jahren ja kein hohes Parteiamt hatte und von daher bei einigen Diskussionen gar nicht so dabei war oder man gar nicht weiß, was er zu bestimmten Fragen denkt. Das muss jetzt kein Nachteil sein für ihn, aber wir haben da erst mal Klärungsbedarf aus Perspektive der jungen Generation, zum Beispiel: Was sagt er denn zur Ausweitung der prekären Beschäftigungsverhältnisse von jungen Menschen? Was sagt er zur Frage Ausbildungsgarantie? All das sind Punkte, die wir gerne mit Peer Steinbrück erst mal persönlich besprechen möchten, und dann können wir sagen, sind wir wirklich so begeistert? Aber ich gehe davon aus, dass wir das gut hinkriegen.

    Dobovisek: Nun beobachten wir tatsächlich in den letzten Tagen doch ein erhebliches Hin und Her, auch was die Programmatik der SPD angeht. Die Personalfrage ist jetzt geklärt, die Inhalte können also wieder rangieren, Stichwort Rente, vor genau drei Wochen haben Sie hier uns in der Sendung an dieser Stelle gesagt, Herr Vogt, es sei ein fundamentaler Fehler des neuen SPD-Rentenpapiers, an die geplante Absenkung des Rentenniveaus überhaupt nicht rangehen zu wollen. Jetzt hat für Montag Sigmar Gabriel neue Pläne angekündigt und sagt jetzt ganz klar, er will diese Absenkung des Rentenniveaus verhindern. Ist das plötzlich eine andere Denke als die vor drei Wochen?

    Vogt: Das Ganze zeigt ja, dass Diskussionen innerhalb der Partei sinnvoll sind, und unser Parteivorsitzender hat in der Tat vor drei Wochen einen Vorschlag gemacht, da gab es viel Kritik dran, und wenn er sich jetzt einen Teil der Kritik zu eigen macht und einen vernünftigen Vorschlag vorlegt, dann spricht da nichts gegen. Ich kenne den Vorschlag jetzt nicht im Detail, den gibt es ja anscheinend auch noch gar nicht, den muss man dann bewerten, ob das das ist, was wir uns vorstellen. Aber offensichtlich ist die Einsicht eingekehrt, dass wir in der Frage des Rentenniveaus nach oben gehen müssen oder zumindest Haltelinie nach unten einziehen müssen, das wäre ja die richtige Begrifflichkeit. Und das begrüße ich ausdrücklich.

    Dobovisek: Aber wie glaubwürdig macht sich Steinbrück und überhaupt die Parteispitze damit?

    Vogt: Na ja, Peer Steinbrück hat ja nun auch nichts mit dem bisherigen Vorschlag zu tun, hat sich dazu meines Erachtens nach auch noch nicht so en détail geäußert, er hat gesagt, da sind ja einige gute Vorschläge dabei, er würde das im Großen und Ganzen mittragen. Ich bin auch gespannt, was Peer Steinbrück am Montag im SPD-Parteivorstand dann zu diesem Vorschlag und generell zur Frage der Rentenpolitik sagt.

    Dobovisek: Vor genau drei Jahren sagte Steinbrück Folgendes:

    Peer Steinbrück: Mein Mandat werde ich selbstverständlich annehmen, insofern ist das kein vollständiger Abschied aus der Politik, aber aus der ersten und zweiten Reihe trete ich damit zurück, um Platz zu machen für andere.

    Dobovisek: Wie die anderen aussehen, das sehen wir jetzt – Peer Steinbrück kommt also zurück. Wo bleiben denn die anderen, Herr Vogt? Hat die SPD ein Nachwuchsproblem?

    Vogt: Die SPD hat glaube ich kein Nachwuchsproblem, und Peer Steinbrück ist jetzt ja auch noch nicht so alt, dass man sagen kann, oh, der gehört zur ganz alten Garde und die SPD habe überhaupt gar keine Nachwuchskräfte. Es war jetzt seit mehreren Jahren klar, dass die drei Männer in der SPD das unter sich ausmachen, und von daher ist das dann glaube ich auch eine konsequente Entscheidung.

    Dobovisek: Was wäre denn Ihrer Meinung nach herausgekommen, hätte die SPD genauso konsequent wie die Grünen ihre Basis gefragt?

    Vogt: Das ist ja nun eine hypothetische Fragestellung. Ich habe dazu immer gesagt, es gab zwar auch von vielen Seiten den Wunsch, so was in so einer Urwahl zu machen, das kann ich auch nachvollziehen, das hätte ich prinzipiell auch gut gefunden, aber dazu hätte man ja Leute gebraucht, die sagen: Ja, ich stelle mich einer solchen Urwahl. Dazu waren offensichtlich nicht zumindest zwei der drei Kandidaten bereit, haben sie erklärt.

    Dobovisek: Ein Fehler?

    Vogt: Das muss man glaube ich akzeptieren, ob man persönlich bereit ist, sich so einem Prozess zu stellen oder nicht. Und ich akzeptiere dann, dass das da nicht gewünscht war.

    Dobovisek: Aber was zeigt uns das, Herr Vogt, über die innerparteiliche Diskussionskultur?

    Vogt: Für mich macht sich innerparteiliche Diskussionskultur insbesondere daran fest, wie wir es schaffen, gemeinsam eine vernünftige Programmatik zu entwickeln, und ich glaube, da haben wir in den letzten drei Jahren einiges bewegt und haben, finde ich, solide Bausteine für ein Wahlprogramm auf den Tisch gelegt. Das muss jetzt alles in ein Wahlprogramm fließen, und ich glaube, dann wird auch die SPD in der ganzen Geschlossenheit mit großer Überzeugung Wahlkampf machen können.

    Dobovisek: Aber reicht die Transparenz über diesen Diskussionsprozess und auch über die Personalfrage aus, um irgendwann einmal eines Tages vielleicht mit den transparenten Piraten koalieren zu können?

    Vogt: Ich weiß gar nicht, ob die Piraten nächstes Jahr im Bundestag sitzen werden, ob sie irgendwann mal im Bundestag sitzen werden. Ich bin auch ein Anhänger von großer Transparenz, insbesondere in inhaltlichen Fragen. Sicherlich hat da auch die SPD an der einen oder anderen Stelle noch Nachholbedarf. Aber grundsätzlich, glaube ich, müssten erst mal die Piraten sagen, ob sie denn bereit sind, für eine Bundesregierung zur Verfügung zu stehen oder nicht.

    Dobovisek: Juso-Chef Sascha Vogt heute Morgen hier im Deutschlandfunk über den Kanzlerkandidaten der SPD. Vielen Dank für das Gespräch!

    Vogt: Ich danke auch!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.