"Die strategische Partnerschaft Indiens und Amerikas basiert auf gemeinsamen Werten. Beide Demokratien achten religiösen Pluralismus und Rechtstaatlichkeit. Früher waren die USA und Indien getrennt. Wir hatten kaum Beziehungen. Jetzt ändert sich unser Verhältnis dramatisch. Das amerikanische Volk muss verstehen, dass Handel und diplomatische Beziehungen mit Indien in unserem Interesse sind."
Dirk Müller: George Bush gestern in Neu-Delhi. Es ist ein historischer Schritt gewesen. 30 Jahre lang haben die USA Indien boykottiert in der Atomtechnologie. Dies war einmal. George Bush hat nun eine neue Ära eingeleitet. Nuklearmaterial zur zivilen Nutzung darf nun nach Indien wieder geliefert werden, vorausgesetzt der amerikanische Kongress stimmt noch zu. Ein Schritt, der international äußerst umstritten ist, denn die Kritiker wenden ein, Indien sei damit de facto als Atommacht anerkannt, wie auch in der politischen Praxis wohl Pakistan.
Indien und Pakistan, das sind die aktuellen Reisestationen von George Bush, eine Reise, die ganz im Zeichen der internationalen Terrorbekämpfung steht. Der US-Präsident will ohne Wenn und Aber die Regierungen in Neu-Delhi und in Islamabad auf diesen Kampf einschwören, denn der antiamerikanische Widerstand, die antiamerikanischen Ressentiments in beiden Ländern sind beträchtlich. Tausende protestieren gegen diesen Besuch.
Am Telefon ist nun SPD-Politiker Karsten Voigt, in der Bundesregierung Koordinator für die deutsch-amerikanischen Beziehungen. Guten Morgen!
Karsten Voigt: Schönen guten Morgen Herr Müller!
Müller: Herr Voigt, ist das eine Art Wiedergutmachung von George Bush?
Voigt: Nein! Das ist eine strategische Entscheidung von weltpolitischer Bedeutung. Er versucht, die größte Demokratie der Welt, die in diesen Jahren genau so wichtig werden wird wie China, auf die Seite der Amerikaner zu ziehen, als Partner, fast, wenn man so will, als Verbündeten. Das hat weltpolitische Bedeutung, wird natürlich besonders von dem Nachbarstaat von Indien, nämlich China, aufmerksam und mit gewisser Sorge wohl beobachtet werden.
Müller: Warum fällt ihnen das jetzt ein?
Voigt: Das ist eine Politik, die nicht kurzfristig angelegt ist. Sie begann schon unter Clinton, ist dann aber in den letzten Jahren von Präsident Bush forciert worden. Dahinter steckt natürlich die Erkenntnis, dass Indien auch wirtschaftspolitisch eine große Macht werden wird, dass Indien in der Bevölkerungszahl bald China überholt haben wird und dass man Indien vielleicht brauchen könnte für den Fall – was keiner hofft, aber viele in den USA nicht ausschließen – als Gegengewicht gegen China, falls die Lage und die Politik Chinas sich negativer entwickeln würde, als man in den USA heute hofft und vielleicht auch erwartet.
Müller: Herr Voigt, viele fragen sich ja, warum muss es dann ausgerechnet Atomtechnologie sein? Die Inder haben bislang den Atomwaffen-Sperrvertrag nicht unterschrieben, nicht unterzeichnet. Wird da mit unterschiedlicher Elle gemessen? Iran einerseits, Indien andererseits?
Voigt: Die beiden Staaten verhalten sich auch unterschiedlich. Mir ist nicht bewusst, dass Indien irgendeinem Nachbarstaat das Existenzrecht abspricht. Das tut aber Iran im Verhältnis zu Israel. Aber Sie haben Recht: Es gibt in dieser Frage ein Spannungsverhältnis, wie häufig in der internationalen Politik, zwischen Recht und Interesse und zwischen Recht und Macht. Die Nuklearhaltung, die die USA einnehmen, ist nicht das eigentliche Ziel ihrer Politik, aber es war ein Mittel, ihre Nuklearpolitik zu ändern, um Indien als Partner gewinnen zu können. Das konnten sie nur, wenn sie Indien als Atommacht akzeptieren.
Müller: Heißt demnach Realpolitik auch unter aktuellen Konditionen immer noch "der Zweck heiligt die Mittel"?
Voigt: Das heißt es nicht, aber Willy Brandt hat einmal gesagt – und das hat er mit einem gewissen Bedauern gesagt, und ich teile dieses Bedauern -, dass Weltpolitik etwas anderes ist als ein Völkergerichtshof. Das heißt, wir sind für die Verrechtlichung der internationalen Beziehungen, aber diese Verrechtlichung steht als Ziel in einem Widerspruch zu der Ungleichverteilung der Macht in der Welt. Die USA als wichtigste Macht, größte Macht dieser Welt haben sich entschieden, eine der kommenden, eine jetzige Großmacht, aber eine werdende Weltmacht wie Indien auf ihre Seite zu ziehen.
Müller: China und Pakistan, Herr Voigt, das sind jetzt nicht die einzigen Mächte, die gestern mächtig geschluckt haben werden, auch wenn sie das vielleicht in den vergangenen Jahren geahnt hatten, dass so etwas kommen wird. Die internationale Staatengemeinschaft, gerade auch die arabische Staatengemeinschaft, ist nun äußerst irritiert über dieses amerikanische Vorgehen. Ist diese Glaubwürdigkeit der amerikanischen Politik, über die wir seit Jahren reden, vor allem wieder seit dem Irak-Krieg aufs Neue, zusätzlich erschüttert worden?
Voigt: Möglicherweise wird die Nuklearpolitik der USA dadurch etwas unglaubwürdiger, und das ist ein Punkt, auf den Sie anspielen. Aber die internationale Machtposition der USA wird dadurch verbessert. Da manche Staaten auch in der arabischen Welt zwar häufig von Glaubwürdigkeit reden, aber real auch Machtverhältnisse berücksichtigen in ihrer Politik, weiß ich nicht, ob die Auswirkungen auf die islamische Welt so negativ sein werden, wie Sie das vermuten. Das kann man befürchten, aber nicht von Vornherein voraussetzen. Auf jeden Fall wir kümmern uns jetzt verstärkt auch um Indien. Die Entsendung des ehemaligen Sicherheitsberaters Mützeburg von Gerhard Schröder jetzt als Botschafter nach Indien zeigt ja auch, dass Deutschland Indien immer wichtiger nimmt.
Müller: Kommen wir noch einmal auf diese Glaubwürdigkeit zurück, Herr Voigt. An Demokratien werden ja andere Maßstäbe gesetzt in puncto Glaubwürdigkeit. Wie schwierig ist das für die Vereinigten Staaten, das in der internationalen Staatenwelt glaubwürdig durchzusetzen und auch zu präsentieren?
Voigt: Die USA haben sowieso in der internationalen Politik, wie ja alle Meinungsumfragen zeigen, Glaubwürdigkeitsprobleme. Die haben sie aber nicht in Indien. Indien ist eines der Länder, die in zunehmendem Maße proamerikanisch sind, und das nicht nur in der Spitze, sondern auch in der Bevölkerung. Die Demonstrationen, die in Neu-Delhi ja vor allen Dingen von muslimischen Gruppen organisiert worden waren, sind dafür kein Gegenbeweis.
Müller: Das heißt also das, was jetzt in Neu-Delhi geschehen ist, das ist seinen Preis Wert?
Voigt: Ich bin nicht amerikanischer Politiker, sondern deutscher Politiker. Aber aus amerikanischer Sicht ist das eine realpolitische Handlung, mit der man nach außen begründet die größte Demokratie der Welt an seine Seite bringt, aber realpolitisch bedeutet das auch, eine der kommenden Großmächte und Weltmächte an seine Seite zu bringen. Deshalb ist diese Politik zwar zum Teil moralisch begründet mit dem Hinblick, dass man sich an eine Demokratie wendet wie Indien, aber in Wirklichkeit realpolitisch motiviert.
Müller: Schauen wir auf einen Konflikt, der ja jetzt gerade durch den Besuch von George Bush aktuell ist, nämlich der Konflikt zwischen Pakistan und Indien. Morgen geht es nach Islamabad. Dort wird dieses Thema von Neu-Delhi natürlich eine gewichtige Rolle spielen. Hilft das denn den Amerikanern, jetzt nun auch einerseits die Beziehungen zu Islamabad, zur Führung in Pakistan zu vertiefen, und andererseits, diesen indisch-pakistanischen Konflikt auf einen neuen Weg zu bringen?
Voigt: Die USA haben ja auch faktisch Pakistan als Nuklearmacht hingenommen. Die USA haben ein Interesse daran, dass sich Indien und Pakistan möglichst nicht über Kaschmir streiten, sondern über Kaschmir aussöhnen. Insofern werden die Amerikaner alles in ihren Kräften stehende versuchen zu tun, um den Konflikt um Kaschmir möglichst zu entschärfen. Dass Pakistan sicherlich mit einiger Sorge auf die Annäherung der USA in Richtung Indien gucken wird, das ist sicherlich wohl eine Tatsache. Aber gleichzeitig muss man davon ausgehen, dass Pakistan weiterhin ein Interesse an engen Beziehungen zu den USA hat. Insofern werden die USA in der Region ein zunehmender Machtfaktor werden.
Müller: Ist der pakistanische Kampf gegen den internationalen Terror, der sich ja gerade in der Grenzregion zwischen Pakistan und Afghanistan abspielt, ein redlicher, aufrichtiger, konsequenter Kampf?
Voigt: Da bin ich nicht genügend informiert, um das genau beurteilen zu können, aber es gibt Leute im Westen, die besser informiert sind als ich. Die sagen, dass zumindest in der Vergangenheit gleichzeitig zu dem engagierten Bekenntnis des pakistanischen Präsidenten gegen den internationalen Terrorismus zumindest Teile des pakistanischen Sicherheitsdienstes in früheren Jahren zumindest die Taliban auch in Afghanistan in ihrem destruktiven Wirken unterstützt haben.
Müller: Und deswegen muss George Bush einmal nach Islamabad kommen und versuchen, das zu verändern?
Voigt: Die Politik der Pakistanis gegenüber der Taliban – wenigstens auf der Regierungsebene – hat sich wohl verändert und Pakistan ist für die USA ein wichtiger Partner in der Region insgesamt dort. Es ist ein wichtiger Partner für die Stabilisierung der Lage in Afghanistan. Insofern ist auch die Reise nach Pakistan Ausfluss einer wachsenden Rolle der USA dort in der Region und Ausfluss einer realpolitisch motivierten Politik und weniger ideologisch motivierten Politik in der gesamten Region und im Verhältnis zwischen Pakistan und Indien.
Müller: Der SPD-Politiker Karsten Voigt war das, in der Bundesregierung Koordinator für die deutsch-amerikanischen Beziehungen. Vielen Dank für das Gespräch.
Dirk Müller: George Bush gestern in Neu-Delhi. Es ist ein historischer Schritt gewesen. 30 Jahre lang haben die USA Indien boykottiert in der Atomtechnologie. Dies war einmal. George Bush hat nun eine neue Ära eingeleitet. Nuklearmaterial zur zivilen Nutzung darf nun nach Indien wieder geliefert werden, vorausgesetzt der amerikanische Kongress stimmt noch zu. Ein Schritt, der international äußerst umstritten ist, denn die Kritiker wenden ein, Indien sei damit de facto als Atommacht anerkannt, wie auch in der politischen Praxis wohl Pakistan.
Indien und Pakistan, das sind die aktuellen Reisestationen von George Bush, eine Reise, die ganz im Zeichen der internationalen Terrorbekämpfung steht. Der US-Präsident will ohne Wenn und Aber die Regierungen in Neu-Delhi und in Islamabad auf diesen Kampf einschwören, denn der antiamerikanische Widerstand, die antiamerikanischen Ressentiments in beiden Ländern sind beträchtlich. Tausende protestieren gegen diesen Besuch.
Am Telefon ist nun SPD-Politiker Karsten Voigt, in der Bundesregierung Koordinator für die deutsch-amerikanischen Beziehungen. Guten Morgen!
Karsten Voigt: Schönen guten Morgen Herr Müller!
Müller: Herr Voigt, ist das eine Art Wiedergutmachung von George Bush?
Voigt: Nein! Das ist eine strategische Entscheidung von weltpolitischer Bedeutung. Er versucht, die größte Demokratie der Welt, die in diesen Jahren genau so wichtig werden wird wie China, auf die Seite der Amerikaner zu ziehen, als Partner, fast, wenn man so will, als Verbündeten. Das hat weltpolitische Bedeutung, wird natürlich besonders von dem Nachbarstaat von Indien, nämlich China, aufmerksam und mit gewisser Sorge wohl beobachtet werden.
Müller: Warum fällt ihnen das jetzt ein?
Voigt: Das ist eine Politik, die nicht kurzfristig angelegt ist. Sie begann schon unter Clinton, ist dann aber in den letzten Jahren von Präsident Bush forciert worden. Dahinter steckt natürlich die Erkenntnis, dass Indien auch wirtschaftspolitisch eine große Macht werden wird, dass Indien in der Bevölkerungszahl bald China überholt haben wird und dass man Indien vielleicht brauchen könnte für den Fall – was keiner hofft, aber viele in den USA nicht ausschließen – als Gegengewicht gegen China, falls die Lage und die Politik Chinas sich negativer entwickeln würde, als man in den USA heute hofft und vielleicht auch erwartet.
Müller: Herr Voigt, viele fragen sich ja, warum muss es dann ausgerechnet Atomtechnologie sein? Die Inder haben bislang den Atomwaffen-Sperrvertrag nicht unterschrieben, nicht unterzeichnet. Wird da mit unterschiedlicher Elle gemessen? Iran einerseits, Indien andererseits?
Voigt: Die beiden Staaten verhalten sich auch unterschiedlich. Mir ist nicht bewusst, dass Indien irgendeinem Nachbarstaat das Existenzrecht abspricht. Das tut aber Iran im Verhältnis zu Israel. Aber Sie haben Recht: Es gibt in dieser Frage ein Spannungsverhältnis, wie häufig in der internationalen Politik, zwischen Recht und Interesse und zwischen Recht und Macht. Die Nuklearhaltung, die die USA einnehmen, ist nicht das eigentliche Ziel ihrer Politik, aber es war ein Mittel, ihre Nuklearpolitik zu ändern, um Indien als Partner gewinnen zu können. Das konnten sie nur, wenn sie Indien als Atommacht akzeptieren.
Müller: Heißt demnach Realpolitik auch unter aktuellen Konditionen immer noch "der Zweck heiligt die Mittel"?
Voigt: Das heißt es nicht, aber Willy Brandt hat einmal gesagt – und das hat er mit einem gewissen Bedauern gesagt, und ich teile dieses Bedauern -, dass Weltpolitik etwas anderes ist als ein Völkergerichtshof. Das heißt, wir sind für die Verrechtlichung der internationalen Beziehungen, aber diese Verrechtlichung steht als Ziel in einem Widerspruch zu der Ungleichverteilung der Macht in der Welt. Die USA als wichtigste Macht, größte Macht dieser Welt haben sich entschieden, eine der kommenden, eine jetzige Großmacht, aber eine werdende Weltmacht wie Indien auf ihre Seite zu ziehen.
Müller: China und Pakistan, Herr Voigt, das sind jetzt nicht die einzigen Mächte, die gestern mächtig geschluckt haben werden, auch wenn sie das vielleicht in den vergangenen Jahren geahnt hatten, dass so etwas kommen wird. Die internationale Staatengemeinschaft, gerade auch die arabische Staatengemeinschaft, ist nun äußerst irritiert über dieses amerikanische Vorgehen. Ist diese Glaubwürdigkeit der amerikanischen Politik, über die wir seit Jahren reden, vor allem wieder seit dem Irak-Krieg aufs Neue, zusätzlich erschüttert worden?
Voigt: Möglicherweise wird die Nuklearpolitik der USA dadurch etwas unglaubwürdiger, und das ist ein Punkt, auf den Sie anspielen. Aber die internationale Machtposition der USA wird dadurch verbessert. Da manche Staaten auch in der arabischen Welt zwar häufig von Glaubwürdigkeit reden, aber real auch Machtverhältnisse berücksichtigen in ihrer Politik, weiß ich nicht, ob die Auswirkungen auf die islamische Welt so negativ sein werden, wie Sie das vermuten. Das kann man befürchten, aber nicht von Vornherein voraussetzen. Auf jeden Fall wir kümmern uns jetzt verstärkt auch um Indien. Die Entsendung des ehemaligen Sicherheitsberaters Mützeburg von Gerhard Schröder jetzt als Botschafter nach Indien zeigt ja auch, dass Deutschland Indien immer wichtiger nimmt.
Müller: Kommen wir noch einmal auf diese Glaubwürdigkeit zurück, Herr Voigt. An Demokratien werden ja andere Maßstäbe gesetzt in puncto Glaubwürdigkeit. Wie schwierig ist das für die Vereinigten Staaten, das in der internationalen Staatenwelt glaubwürdig durchzusetzen und auch zu präsentieren?
Voigt: Die USA haben sowieso in der internationalen Politik, wie ja alle Meinungsumfragen zeigen, Glaubwürdigkeitsprobleme. Die haben sie aber nicht in Indien. Indien ist eines der Länder, die in zunehmendem Maße proamerikanisch sind, und das nicht nur in der Spitze, sondern auch in der Bevölkerung. Die Demonstrationen, die in Neu-Delhi ja vor allen Dingen von muslimischen Gruppen organisiert worden waren, sind dafür kein Gegenbeweis.
Müller: Das heißt also das, was jetzt in Neu-Delhi geschehen ist, das ist seinen Preis Wert?
Voigt: Ich bin nicht amerikanischer Politiker, sondern deutscher Politiker. Aber aus amerikanischer Sicht ist das eine realpolitische Handlung, mit der man nach außen begründet die größte Demokratie der Welt an seine Seite bringt, aber realpolitisch bedeutet das auch, eine der kommenden Großmächte und Weltmächte an seine Seite zu bringen. Deshalb ist diese Politik zwar zum Teil moralisch begründet mit dem Hinblick, dass man sich an eine Demokratie wendet wie Indien, aber in Wirklichkeit realpolitisch motiviert.
Müller: Schauen wir auf einen Konflikt, der ja jetzt gerade durch den Besuch von George Bush aktuell ist, nämlich der Konflikt zwischen Pakistan und Indien. Morgen geht es nach Islamabad. Dort wird dieses Thema von Neu-Delhi natürlich eine gewichtige Rolle spielen. Hilft das denn den Amerikanern, jetzt nun auch einerseits die Beziehungen zu Islamabad, zur Führung in Pakistan zu vertiefen, und andererseits, diesen indisch-pakistanischen Konflikt auf einen neuen Weg zu bringen?
Voigt: Die USA haben ja auch faktisch Pakistan als Nuklearmacht hingenommen. Die USA haben ein Interesse daran, dass sich Indien und Pakistan möglichst nicht über Kaschmir streiten, sondern über Kaschmir aussöhnen. Insofern werden die Amerikaner alles in ihren Kräften stehende versuchen zu tun, um den Konflikt um Kaschmir möglichst zu entschärfen. Dass Pakistan sicherlich mit einiger Sorge auf die Annäherung der USA in Richtung Indien gucken wird, das ist sicherlich wohl eine Tatsache. Aber gleichzeitig muss man davon ausgehen, dass Pakistan weiterhin ein Interesse an engen Beziehungen zu den USA hat. Insofern werden die USA in der Region ein zunehmender Machtfaktor werden.
Müller: Ist der pakistanische Kampf gegen den internationalen Terror, der sich ja gerade in der Grenzregion zwischen Pakistan und Afghanistan abspielt, ein redlicher, aufrichtiger, konsequenter Kampf?
Voigt: Da bin ich nicht genügend informiert, um das genau beurteilen zu können, aber es gibt Leute im Westen, die besser informiert sind als ich. Die sagen, dass zumindest in der Vergangenheit gleichzeitig zu dem engagierten Bekenntnis des pakistanischen Präsidenten gegen den internationalen Terrorismus zumindest Teile des pakistanischen Sicherheitsdienstes in früheren Jahren zumindest die Taliban auch in Afghanistan in ihrem destruktiven Wirken unterstützt haben.
Müller: Und deswegen muss George Bush einmal nach Islamabad kommen und versuchen, das zu verändern?
Voigt: Die Politik der Pakistanis gegenüber der Taliban – wenigstens auf der Regierungsebene – hat sich wohl verändert und Pakistan ist für die USA ein wichtiger Partner in der Region insgesamt dort. Es ist ein wichtiger Partner für die Stabilisierung der Lage in Afghanistan. Insofern ist auch die Reise nach Pakistan Ausfluss einer wachsenden Rolle der USA dort in der Region und Ausfluss einer realpolitisch motivierten Politik und weniger ideologisch motivierten Politik in der gesamten Region und im Verhältnis zwischen Pakistan und Indien.
Müller: Der SPD-Politiker Karsten Voigt war das, in der Bundesregierung Koordinator für die deutsch-amerikanischen Beziehungen. Vielen Dank für das Gespräch.