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Volker Beck: "Wir wollen keinen staatskonformen öffentlich-rechtlichen Rundfunk"

Nach der umstrittenen Ablösung von ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender wollen die Grünen mit einer Verfassungsklage die Zusammensetzung der ZDF-Aufsichtsgremien überprüfen lassen. Der parlamentarische Geschäftsführer von Bündnis 90/Die Grünen, Volker Beck, ist zuversichtlich, dass Karlsruhe das bisherige Verfahren nicht billigen werde.

Volker Beck im Gespräch mit Gerd Breker |
    Christoph Heinemann: Wir bleiben beim Thema, über das mein Kollege Gerd Breker mit Volker Beck von Bündnis 90/Die Grünen gesprochen hat. Erste Frage: Der Einfluss der Parteien auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist nicht neu. Was macht den Fall Brender so besonders?

    Volker Beck: Na ja, eigentlich soll ja in den Gremien der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Pluralität herrschen und keine Parteipolitik dominieren. Faktisch haben wir aber in diesen Auswahlgremien nur noch Ministerpräsidenten und die Pluralität ist auch nicht mehr gegeben, sondern faktisch ist das ZDF da in der Hand der CDU, wie man ja auch gesehen hat bei der Besetzung, und das ist eigentlich für einen staatsfernen öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht gut und deshalb wollen wir, dass es zu Reformen kommt, die dafür sorgen, dass hier Parteipolitik nicht dominiert, sondern dass man hier entsprechend parteipolitisch unabhängig die Gremien besetzt.

    Gerd Breker: Haben Sie, Herr Beck, den Eindruck, dass der Einfluss der Parteien die Meinungsfreiheit in unserem Lande beeinträchtigt?

    Beck: Es ist auf jeden Fall nicht gut, wenn der Eindruck entsteht, dass, obwohl jemand vorgeschlagen wird als Chefredakteur, er dann aus parteipolitischen Gründen abgelehnt wird. Welche Konsequenzen die neue Besetzung hat, müssen wir abwarten, aber es darf nicht der Eindruck entstehen, dass missliebige Leute abgesetzt werden, obwohl sie qualitativ die Arbeit gut machen, aber vielleicht kritisch sind zu allen Seiten und deshalb manchen nicht passen. Wir wollen keinen staatskonformen und parteipolitisch einseitig geprägten öffentlich-rechtlichen Rundfunk und auch entsprechendes Fernsehen.

    Breker: Diesmal, im Fall Brender, ist der Einfluss offen zutage getreten, aber ist nicht eigentlich der verdeckte Einfluss, der eben nicht offen zutage tritt, der in Form von in sogenannten Freundeskreisen ausgehandelten Paketlösungen präsentiert wird, ist der nicht eigentlich viel gefährlicher, weil da die Zensur in den Köpfen der Macher implantiert wird?

    Beck: Wir brauchen auf jeden Fall Mechanismen, die dafür sorgen, dass ein parteipolitischer Einfluss da erschwert oder verunmöglicht wird, und die gegenwärtigen Strukturen geben das auf jeden Fall nicht her und jetzt muss das Bundesverfassungsgericht, wenn wir die Klage einreichen, entsprechend prüfen, ob die Voraussetzungen für einen neutralen, parteipolitisch nicht gefärbten Rundfunk in diesen Strukturen regelmäßig gegeben sind oder ob es hier einer Korrektur bedarf. Und ich bin sicher, dass das Bundesverfassungsgericht sagen würde, so wie es bisher läuft, geht es eigentlich nicht.

    Breker: Herr Beck, wir reden immer von den Parteien. Bündnis 90/Die Grünen sind auch eine Partei. Wo nehmen Sie denn Einfluss?

    Beck: Wir versuchen, in solchen Gremien - bei den Besetzungsgremien sind wir nicht dabei; das sind eher Gremien der Ministerpräsidenten; im Rundfunkrat sind wir vertreten -, aber wir bemühen uns, hier nicht parteipolitisch Einfluss zu nehmen und hier entsprechend Quoten oder so was durchzusetzen, sondern wir wollen, dass es einen unabhängigen und vielfältigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk und ein öffentlich-rechtliches Fernsehen gibt.

    Breker: In diesen Kontrollgremien sitzen ja nicht nur die an der politischen Willensbildung mitwirkenden Parteien, sondern da sitzen auch die sogenannten gesellschaftlich relevanten Gruppen. Was ist denn daran so verkehrt? Das ist doch eigentlich gut so.

    Beck: Das ist grundsätzlich nicht verkehrt. Was wir kritisieren, ist die einseitige Einflussnahme von der Politik über die Regelung der Ministerpräsidenten, und wir wollen einfach, dass der Einfluss des Staates auf das Fernsehen und den Rundfunk nicht überhandnimmt, sondern zurückgedrängt wird.

    Breker: Ist das denn nicht eigentlich eine Illusion, Herr Beck, denn wenn die Parteien nicht offen vertreten sind, dann nehmen sie halt Einfluss über die sogenannten Freundeskreise?

    Beck: Man wird darüber reden müssen, mit welchen Konstruktionen man es schafft, hier entsprechend die Staatsferne zu organisieren. Aber ich glaube, so wie es jetzt läuft, sollte es nicht laufen und natürlich sollte es auch keine Umgehungstatbestände dann entsprechend geben. Ich finde wichtig, dass in diesen Gremien die Verhältnisse so sind, dass ausgeschlossen ist, dass eine Partei sich durchsetzen kann gegen eine andere, je nachdem, da können ja immer mal die Mehrheitsverhältnisse wechseln. Aber es darf eigentlich nicht sein, dass Parteipolitik hier die Oberhand gewinnt, sondern wir brauchen hier Pluralismus in den Medien und auch Mut zur Kritik gegenüber Politik und Regierung und auch Kritik gegenüber Opposition. Und das sollte nach allen Seiten hin möglich sein, ohne dass man Angst haben muss, dass man hierfür sanktioniert wird, wenn man die Obrigkeit kritisiert.

    Breker: Nehmen denn die Parteien, Herr Beck, aus Ihrer Sicht nur Einfluss auf Personalentscheidungen oder haben Sie das Gefühl, dass sie auch inhaltlich mitbestimmen?

    Beck: Wenn man Einfluss auf Personalentscheidungen hat, dann hat man hinterher auch Einfluss unter Umständen auf Personen, die sozusagen Ergebnis dieser Personalentscheidungen sind, und das wollen wir abstellen beziehungsweise solche Strukturen wollen wir gar nicht erst sich verfestigen lassen.