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Volker Bouffier auf Kuschelkurs

Auch wenn Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier mit der CDU bei der Landtagswahl gewonnen hat, seine Regierungsmehrheit ging verloren. Deshalb geht er nun auf Kuschelkurs mit den Grünen. Nicht überall nimmt man ihm den ab.

Von Anke Petermann |
    Auf der Tagesordnung des Linken-Parteitags im Bürgerhaus Mörfelden bei Rüsselsheim steht das Thema nicht. Doch hinter den Kulissen fragen sich die Genossen und ihre Gäste von SPD und Grünen: Was ist eigentlich mit Volker Bouffier los? Der einstige Innenminister von Roland Koch war mal als schwarzer Sheriff mit blondiertem Haar berüchtigt. Als hessischer Ministerpräsident erfand er sich neu, gab den milden Landesvater in Silbergrau. Derzeit, beim Sondieren mit SPD und Grünen, "merkelt" der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende. Er "räumt die Themen der anderen ab", erläutert ein Gast von den Grünen. Der Gewerkschafter und Sozialdemokrat Frank Herrmann sieht das ähnlich.

    "Ich glaube, Volker Bouffier macht fast allen großzügige Angebote, weil er sicherlich gerne die Macht erhalten möchte."

    "Tariftreue-Gesetz wäre wohl mit der CDU zu machen, hat er wohl angedeutet."

    "Volker Bouffier erkennt, glaube ich, dass es nicht klug ist, dass Hessen eines der letzten Bundesländer ohne funktionierendes Tariftreue- und Vergabe-Gesetz ist. Sein Gesetz aus der laufenden Legislaturperiode funktioniert nicht. Dass er das jetzt korrigiert, ist - glaube ich - ein erster kleiner Schritt der Selbsteinsicht."

    Einsicht? Karlheinz Hofmann bezweifelt das. Der ergraute Linken-Delegierte aus der Wetterau war von 1985 bis 2005 bei den Grünen. Da erlebte er mit, wie eisenhart die konservative Koch-Bouffier-CDU in den neunziger Jahren Front gegen die rot-grüne Landesregierung in Hessen machte. Allein aus machtpolitischen Gründen sei der CDU-Frontmann bereit, …

    "…, der SPD oder auch den Grünen größtmögliche Zugeständnisse zu machen, dass die ihn wieder zum Ministerpräsidenten machen."

    Das wolle der 61-jährige Bouffier unbedingt, lästert Hofmann grinsend.

    "In dem Alter muss er jetzt an der Macht bleiben, der kommt ja nie wieder dran, das kann ich nachvollziehen."

    Hofmanns Nachbarinnen am Delegierten-Tisch im Bürgerhaus kriegen sich kaum ein. Treffender sei die Lage von Wahlgewinner und Mehrheitsverlierer Bouffier nicht auf den Punkt zu bringen, finden sie. Dabei könnten die Linken und ihr klar formulierter Wille, in Hessen mit Rot-Grün zu regieren, ein weiterer Grund dafür sein, warum der amtierende Ministerpräsident neuerdings so aufgeschlossen für die Herzensangelegenheiten von SPD und Grünen ist. Auf ihrem Parteitag empfehlen hessische Linke ihren Genossen von der SPD nämlich dringend, doch lieber ein rot-grün-rotes Bündnis einzugehen. Birgit Koch und Karlheinz Hofmann, die eben noch so herzlich lachten, meinen es ernst mit ihrem Appell an die Sozialdemokraten hinter Thorsten Schäfer-Gümbel:

    "Sie sollten es mal versuchen, dann würde es etwas besser werden im Land."

    "Und ich würde mich da auch über den Gabriel hinwegsetzen. Ich würd’ dann sagen, hör mal, wir probieren das jetzt mal im Land Hessen, und dann guckst du mal, ob du das für den Bund gebrauchen kannst. So viel Selbstbewusstsein würde ich mir wünschen von der SPD."

    Rot-grün-rote Experimente mit bundespolitischer Sprengkraft im hessischen Politlabor? Nicht im Sinne von Gabriels Widersacherin und Bouffiers Chefin Angela Merkel. Schwarz-grüne Versuche dagegen schon - um diese Option im Bund irgendwann doch noch hinzukriegen. Bevor sich Super-Sondierungs-Bouffier in Hessen mit den Grünen trifft, scheint er deshalb stets einen Schluck Zaubertrank zu nehmen. ‚Wiesbadener Modell für Linksbündnis verhindern’ heißt ein Wirkstoff darin. ‚Auf zu neuen Ufern für die Bundespolitik’ ein anderer. Wie sonst ist es zu erklären, dass der CDU-Frontmann beim Termin mit dem scharfzüngigen Grünen-Chef so kuschelig wird? Obwohl Tarek Al-Wazir Bouffier den "guten Onkel" im Wahlkampf nicht abkaufen wollte, treten die beiden immer gemeinsam vor die Kameras.

    "Jetzt sag du was."

    "Sag du was", murmelt Bouffier, aber bevor Al-Wazir ansetzen kann, geht ein Reporter dazwischen: Ein vertrauliches Du, hat er da richtig gehört?

    "Sie duzen sich schon?"

    "Nein. Da dürfen Sie nichts hineingeheimnissen, das ist, weil ich schon so viele Gespräche am Tag habe."

    Schließlich jettet der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende ständig zwischen Wiesbaden und Berlin hin und her, da kann man schon mal vergessen, wer Freund und wer Gegenspieler ist. Vergangenen Dienstag steht Bouffier nach drei Stunden Sondierung schon wieder gut gelaunt Schulter an Schulter mit seinem früheren Widersacher Al-Wazir vor den Kameras. Mit Lob für die hessischen Grünen auf den Lippen. In der Nacht danach wird Bouffier in Berlin miterleben, wie deren wehrige Parteifreunde im Bund den schwarzgrünen Wunschtraum platzen lassen.

    "Die Landes-Grünen sind sehr viel dichter in den Themen und bereit sozusagen, sich nicht nur mit emotionalen Fragen aufzuhalten, nach dem Motto, geht das überhaupt? Solche Fragen haben wir hier alle nicht."

    In gut einer Woche treffen sich die Grünen aber noch mal mit SPD und Linkspartei: zur zweiten Sondierung für eine rot-grün-rote Regierung, …

    "… an der Herr Bouffier kein Interesse hat."

    "Ich halte das für schlimm."

    "So, da sind wir uns wieder einig in unserer Uneinigkeit."

    Doch Ende des Monats steht die dritte Sondierungsrunde Schwarz-Grün in Hessen an, mit neuen Chancen für Kuschelharmonie. Aber auch mit Finanzen und Infrastruktur als Themen von großem Konfliktpotenzial. Vielleicht hofft in Berlin zeitgleich eine Frau im Hosenanzug, dass ihr Volker einen tiefen Schluck aus der Zauberpulle nimmt - und zu neuen Ufern aufbricht.