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Volksabstimmung gegen Zuwanderung
"Eine Katastrophe für die Schweiz"

Die Schweizer sollen Anfang Februar über eine Begrenzung der Zuwanderung in ihr Land abstimmen. Initiiert hat das Referendum die rechtskonservative Partei SVP. Befürworter der Zuwanderung halten den europäischen Gedanken dagegen – und auch die EU zeigt deutlich ihr Missfallen.

10.12.2013
    Überfüllte Züge, verstopfte Straßen, teure Mieten, Kriminalität – für so ziemlich alle Probleme sollen die Ausländer in der Schweiz verantwortlich sein. Dass die rechts-konservative Partei SVP für Anfang Februar eine Volksabstimmung gegen die sogenannte Masseneinwanderung durchgesetzt hat, ist eigentlich nur konsequent, denn schon seit Jahren liegt der SVP-Politiker Christoph Blocher den acht Millionen Einwohnern der Schweiz in den Ohren. "Platzmangel, Wohnungsmangel, Lohndruck, Schulprobleme. Spitäler und so weiter – es platzt aus allen Nähten und wir müssen wieder die Ausländerpolitik selber regulieren können."
    Und das heißt für die 30 Prozent-Prozent-Partei SVP: Weg mit der Personenfreizügigkeit, die mit der EU vor über zehn Jahren ausgehandelt worden ist, also die freie Wahl von Wohn- und Arbeitsort innerhalb Europas. Die SVP will wieder Kontingente einführen, also jedes Jahr eine bestimmte Zahl von Einwanderern festlegen, damit es nicht mehr 80.000 sind wie im vergangenen Jahr, die meisten von ihnen Deutsche, Portugiesen und Italiener. SVP-Parteichef Toni Brunner: "Es ist so, dass wir letztlich diese Initiative auch unter dem Geist machen, dass es jetzt maßlos geworden ist. Wir haben zu viel Zuwanderung. Mit unserer Initiative bekommt die Schweiz die Kompetenz zurück selber zu steuern, selber zu begrenzen."
    Einwanderer werden gebraucht
    Nur halten sehr viele davon überhaupt nichts. Allen voran der Schweizer Wirtschaftsverband "Economie Suisse". Er sagt: Die Schweiz ist auf Zuwanderung angewiesen, Stichwort: Fachkräftemangel und Überalterung der Gesellschaft. Die Europäer, die kommen, seien hochqualifiziert und würden dringend gebraucht. Schließlich sei es kein Zufall, dass er der Schweiz blendend gehe mit einer Arbeitslosenquote von gerade mal drei Prozent. Sogar der Chef des SVP-nahen Bauernverbandes in der Schweiz, Markus Ritter, hält nichts davon, wenn sich die Schweiz wieder abschottet: "Wir haben Bedenken, dass wir eben dann nicht die notwendige Anzahl der Arbeitskräfte bekommen würden, die wir brauchen, um die Arbeit auf den Höfen und Feldern zu erledigen."
    Häuser, Brücken und Tunnel werden in der Schweiz hauptsächlich von Migranten gebaut, in der IT-Branche, in der Pharmaindustrie, im Gesundheitswesen arbeiten viele Deutsche. Was, wenn diese Zuwanderung unterbunden wird? Die FDP-Politikerin Christa Markwalder sagt: "Es wäre sowohl europapolitisch als auch wirtschaftlich eine Katastrophe für die Schweiz. Wir würden auch den Marktzutritt zu unserem wichtigsten Handlungspartner, zum europäischen Binnenmarkt verlieren. Und deshalb kann das nie und nimmer im Interesse der Schweiz liegen."
    Tatsächlich hat die EU schon angedroht, alle bilateralen Verträge mit der Schweiz zu kündigen, sollte die Personenfreizügigkeit von den Schweizern gekippt werden. Die SVP setzt mit ihrer Initiative gegen die sogenannte Masseneinwanderung also einiges aufs Spiel. Dass die Schweizerinnen und Schweizer den Rechtspopulisten folgen werden am 9. Februar, ist derzeit offen. Vieles wird davon abhängen, wie der Abstimmungskampf verläuft und welche Emotionen geschürt werden.
    Und tatsächlich: Die EU wird der Schweiz keinen freien Marktzugang mehr gewähren, wenn sich die Alpenrepublik nicht an die Personenfreizügigkeit als grundlegende Spielregel hält, das haben führende EU-Politiker bereits klargestellt.