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Volksbanken und Sparkassen
Die Coronakrise beschleunigt den Wandel

Kirche, Bäcker und eine Filiale der Sparkasse oder Volksbank: So sah lange fast jeder Ort in Deutschland aus. Doch die Zahl der Filialen geht seit Jahren zurück. Großbanken, Digitalisierung zwingen die "kleine Bank vor Ort" zum Wandel. Die Corona-Pandemie hat das noch mal beschleunigt.

Von Brigitte Scholtes | 10.09.2020
An einem Gebäude in Gersbach hängt ein Hinweisschild für einen Geldautomaten, den Volksbank und Sparkasse gemeinsam betreiben.
Volksbanken und Sparkassen betreieben gemeinsame Filialen (dpa / picture alliance / Wolf Dewitz)
Sulzbach im Taunus. Die Gemeinde im Norden Frankfurts zählt knapp 10.000 Einwohner. Mitten im Ort an einem Verkehrskreisel gibt es einen "Finanzpunkt". Eine Bankfiliale, die von der Frankfurter Volksbank und der Taunus Sparkasse gemeinsam betrieben wird. Ein älterer Mann betritt die Bankfiliale, zufrieden über das Angebot in seinem Ort.
"Sonst muss man wieder nach Bad Soden fahren, und jetzt geht es ja alles hier automatisch."
Reporterin: "Finden Sie das nicht verwirrend, dass es einmal Volksbank, einmal Sparkasse ist?"
"Da gewöhnt man sich mit der Zeit dran. Und wenn ich zwischendurch mal auf die Volksbank muss, dann fahre ich halt nach Bad Soden. Das ist ja auch kein Problem."
Alles sehr komprimiert
Im Foyer stehen zwei Geldautomaten, die die Kunden beider Banken nutzen können, daneben jeweils ein Kontoauszugsdrucker der Volksbank - und einer der Sparkasse. Im Innenraum mit dunkelgrau gestrichenen Wänden ist an zwei Schreibtischen Platz für Beratungsgespräche. Eine Kundin steht an einem der Geldautomaten in der kleinen Filiale.
"Ich lasse mich von dem Automaten führen und dann ist die Ausführung, und ich habe sofort auf dem Konto alles."
Reporterin: "Nutzen Sie auch die Beratung hier im Finanzpunkt?"
"Soweit ich es brauche, im Moment nicht."
Reporterin: "Stört es Sie denn, dass einmal die Volksbank drin ist, einmal die Sparkasse?"
"Nein, das finde ich sehr okay, weil alles komprimiert ist."
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Roter Würfel = Sparkassentag
Ein großer Würfel im Foyer leuchtet rot, heute ist also Sparkassentag. An vier Tagen in der Woche ist die kleine Filiale geöffnet. An zwei Tagen sind die Angestellten der Taunus Sparkasse vor Ort, an den anderen beiden Tagen die der Frankfurter Volksbank. Vor gut einem Jahr haben die beiden Konkurrenten ihre Zusammenarbeit begonnen. Oliver Klink, Vorstandschef der Taunus Sparkasse:
"Wir sind ganz positiv überrascht, dass Kolleginnen und Kollegen wie auch die Kunden das Ganze ganz hervorragend annehmen. Wir hatten sogar während Corona tatsächlich immer ein volles Haus. Und die Kunden kommen mit ganz einfachen Fragen, die kommen mit Service, die kommen mit Beratung,"
"Was Corona für uns ganz begreifbar macht, ist ja das Fehlen von Nähe."
So erklärt sich Ulrich Hilbert, Vorstand der Frankfurter Volksbank, warum dieses gemeinsame Angebot zweier Banken auch in den Monaten der Pandemie so gut akzeptiert worden sei.
"Hier ist die Möglichkeit, eben auch noch einmal Nähe zu spüren in einem ganz sicheren Bereich. Wenn ich wirklich ein Problem habe, muss ich eben nicht irgendwo anders in eine größere Stelle fahren, sondern ich kann in meinem Wohnort dieses Problem lösen. Und ich weiß, die Kollegen von der Sparkasse, die Kollegen von der Volksbank sind an den bestimmten Tagen hier, und ich kann dorthin gehen."
Jeder hat sein spezifisches Geschäftsmodell
Was die beiden Banker nicht verschweigen: Ihre Kooperation an den inzwischen 16 Finanzpunkten im Gebiet der beiden Institute nordwestlich von Frankfurt spart auch 40 Prozent der bisherigen Kosten. Zehn weitere solcher geteilten Filialen sollen bis zum Jahresende hinzukommen. In Bayern gibt es schon Nachahmer: So wollen die Sparkasse Oberpfalz Nord und die Raiffeisenbank Oberpfalz Nord-West ebenfalls das Konzept Finanzpunkt umsetzen. Marija Kolak, Präsidentin des BVR, des Bundesverbands der Volks- und Raiffeisenbanken, würdigt das Konzept als Ausdruck des dezentralen Unternehmertums. Dass unter so viel Gemeinsamkeit die Eigenheiten der jeweiligen Bankengruppe leiden könnten, glaubt sie nicht:
"Das Genossenschaftswesen hat eine Grundhaltung, die geprägt ist von dem Gedanken der Regionalität, des Gedankens Förderung der Mitglieder in der Region. Die Kollegen der Sparkasse haben hier auch noch einen öffentlichen Auftrag über die Kommunen. Also, da mache ich mir keine Sorge, dass jeder sein spezifisches Geschäftsmodell, seine DNA, auch zum Ausdruck bringt."
Helmut Schleweis, Präsident des DSGV, des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands, klingt etwas skeptischer:
"Ich bin ja ein klarer Fan der Filiale. Aber genauso gut bin ich ein Fan unserer Marke Sparkasse, des ‚Sparkassenrot‘. Und ich glaube, dass im Wettbewerb für den Kunden die Marken unverwechselbar sein sollten. Insofern halte ich das für ein interessantes Experiment, das zu recht gemacht wird, aber die Ergebnisse daraus muss man sich dann sehr nüchtern anschauen."
"Hier geht es um eine Dienstleistung"
Nüchtern betrachtet das auch Dorothea Mohn. Für die Banken sei es vielleicht von Vorteil. Für die Kunden jedoch nicht unbedingt, meint die Finanzexpertin vom Verbraucherzentrale Bundesverband:
"Hier geht es um eine Dienstleistung, die für Verbraucher kein Wunschkonzert ist, sondern ein Muss. Das muss bereitgestellt werden und sollte man feststellen, dass die Banken das wirtschaftliche Interesse verlieren sollten, das in der Fläche bereitzustellen, dann muss aus meiner Sicht an dieser Stelle die öffentliche Hand eingreifen und gegenwirken. Für Verbraucher ist das unerlässlich, dass diese Struktur vorhanden ist."
Zwei Hände mit Geldscheinen - eine Frau lässt sich in einer Bankfiliale am Schalter Bargeld auszahlen.
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Die Sorge, dass diese Filialstruktur immer stärker leidet, scheint jedoch berechtigt. Laut Bundesbank-Statistik gab es 2009 noch insgesamt etwa 39.000 Zweigstellen, Ende 2019 nur noch knapp 27.000. Beobachter schätzen, dass deren Zahl in fünf Jahren sogar auf 16.000 zurückgehen wird. Die Coronakrise beschleunige diese Entwicklung, sagt Dirk Schiereck, Professor für Unternehmensfinanzierung an der Technischen Universität Darmstadt:
"Wir beobachten, dass viele Filialen, die zwischenzeitlich geschlossen waren, zunächst mal als temporäre Lösung, nicht wieder aufgemacht haben, weil man auch die Kosten scheut, die mit der Aufrechterhaltung des Filialbetriebs verbunden sind. Wir beobachten, dass sehr viel Bankgeschäft in den Online-Bereich abgewandert ist. Und wir haben natürlich eine nach wie vor sehr schwierige, sehr unübersichtliche Situation, was das gesamte Kreditgeschäft angeht."
Banken als Teil einer Lösung
Anders als in der Finanzkrise 2008/2009 stehen die Banken dieses Mal nicht im Zentrum der Krise. Branchenvertreter verweisen vielmehr gern darauf, dass sie in der aktuellen Krise, die durch die Corona-Pandemie ausgelöst wurde, eher Teil der Lösung seien, sagt etwa Sparkassenpräsident Schleweis:
"Die Sparkassen standen von Anfang an zu ihren Kunden, haben die Krise sehr schnell angenommen und gut gemanagt. Wir hatten viele Kundengespräche, praktisch mit jedem unserer Kunden gesprochen, waren auch mit Liquidität, auch mit Stundungslösungen bei unseren Kunden. In der jetzigen Phase ist natürlich eine Übergangsphase. Jeder schaut, kommt ein zweiter Lockdown, kommt er nicht? Wir hoffen, dass die Wirtschaft schnellstmöglich wieder zur normalen Produktion, normalem Verkauf übergehen kann. Allerdings glauben wir, dass einige Branchen noch sehr stark unter Druck stehen."
Eine Rückkehr zu alter Wirtschaftsstärke werde deutlich länger dauern als allgemein angenommen, sagte etwa Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing vor wenigen Tagen auf einer Bankenkonferenz:
"Viele Unternehmen müssen sich darauf einstellen und es schaffen, mit langfristig geringeren Umsätzen profitabel zu sein. Die Sorge um eine zweite Infektionswelle bestätigt uns in dem, was wir schon vor der Sommerpause gesagt haben: Die Wirtschaft wird sich erholen, aber eben nur allmählich und anders in jedem Sektor."
Ein Kran steht zwischen Gebäuden der Volksbank, der Sparkasse und der Landesbank Baden-Württemberg in Stuttgart.
Volksbank und Sparkasse in Stuttgart (picture alliance / dpa / Sebastian Gollnow)
Kreditversicherer rechnen mit mehr "Zombieunternehmen"
Und diese Unsicherheit wiegt schwer. So hat die Bundesregierung zwar gerade die Antragspflicht für insolvente Unternehmen bis zum Jahresende ausgesetzt. Aber diese Hilfen auch über die Sofortmaßnahmen in der Krise hinaus könnten problematische Folgen haben. So rechnet der Kreditversicherer Euler Hermes, aber auch die Wirtschaftsauskunftei Creditreform mit deutlich mehr "Zombieunternehmen", Firmen also, die unprofitabel sind und deshalb nicht die Zinsen auf ihre Kredite zahlen können. Deutsche Bank-Chef Sewing:
"Wenn jedes sechste Unternehmen in Deutschland durch Rettungsgelder und faktisch ausgesetzte Insolvenzmeldungen ein Zombie wird, wie die Auskunftei Creditreform befürchtet, dann hätte das gravierende Auswirkungen auf die Produktivität in unserer Volkswirtschaft."
Und das wiederum könnte dann auch schwerwiegende Folgen für die Banken haben, befürchtet Felix Hufeld, Chef der Finanzdienstleistungsaufsicht Bafin:
"Das dicke Ende steht noch aus. Es gibt im Moment keinen Grund zur Panik unter Finanzstabilitätsaspekten, aber es gibt große Wachsamkeit und große Sorge zweifellos für viele Institute, die auch lange vor Corona möglicherweise schon ein bisschen schwach auf der Brust waren."
Kunden brauchen Unterstützung in der Krise
20 bis 30 Banken könnte es treffen, sorgt sich der Bafin-Chef, ohne nähere Details zu nennen. Bei den Genossenschaftsbanken gibt man sich jedoch noch zuversichtlich, mögliche Kreditausfälle stemmen zu können. Volks- und Raiffeisenbanken haben allein in den letzten zehn Jahren ihr Eigenkapital auf 116 Milliarden Euro verdoppelt, sagt die Präsidentin des Branchenverbands BVR:
"Was wir heute einschätzen können, wird das Jahr 2020 dahingehend ordentlich, wahrscheinlich auf ein Geschäftsergebnis auslaufen mit Rückgängen. Wir erwarten in der Tendenz eher eine erhöhte Risikovorsorge in den nächsten Jahren 2021, 2022. Wir haben eine sehr gute, solide Grundlage, auf die wir aufsetzen können und sind da sehr zuversichtlich."
So argumentieren auch die Sparkassen. Doch nicht nur Firmenkunden, auch viele Privatkunden benötigen die Unterstützung der Banken in der Krise. So hatte die Bundesregierung als Sofortmaßnahme in der Krise ein Kreditmoratorium eingeführt: Zwischen April und Juni konnten Kunden, die in Zahlungsschwierigkeiten geraten waren, die Zahlung aussetzen - die Kreditlaufzeit verlängert sich entsprechend. Doch ganz korrekt seien die Banken da nicht vorgegangen, kritisiert Dorothea Mohn vom Verbraucherzentrale Bundesverband:
"Da ist es aufgefallen, dass es einige Banken gab, ich schätze, dass es ungefähr die Hälfte war, die trotz dieser gesetzlichen Regelung Zinsen in dieser Aussetzungszeit erhoben haben. Und da würde ich sagen, die, die trotzdem Zinsen erhoben haben, standen ihren Kunden nicht besonders gut zur Seite, was ich einigermaßen traurig finde."
Mario Draghi als neuer EZB-Präsident am 3.11.2011. Der Rat der EZB hat bei seiner turnusmäßigen Sitzung überraschend den Leitzins auf 1,25 Prozent gesenkt. Mitten in der Schuldenkrise hat Draghi das Amt des obersten Währungshüters in der Euro-Zone übernommen.
Euro-Finanzminister - Dauer-Niedrigzinsen lösen Investitionsappelle aus
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Mehr als zehn Jahre dauert die Phase niedriger Zinsen nun schon. Der Druck auf die Banken, ihre Erlöse zu steigern, steigt in der Krise nun noch einmal. Negativzinsen können die Institute meist nur an neue Kunden weitergeben. Doch gerade die Sparkassen und Genossenschaftsbanken leiden darunter, sagt Andreas Pfingsten. Denn ein großer Teil der Passiva, also des Eigenkapitals und der Kundeneinlagen wird direkt wieder als Kredite ausgereicht, erklärt der Experte für Bankbetriebslehre und Direktor des Instituts für Kreditwesen an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster:
"Wenn man die Zahlen anguckt, sind 75, 80 Prozent der Passiva einer Sparkasse oder Genossenschaftsbank Einlagen von Kunden, und die vergebenen Kredite sind auch so 75 oder 80 Prozent. Und das liegt bei Großbanken, Regionalbanken aus dem privaten Sektor typischerweise nicht so hoch."
Man drehe an jedem Schräubchen, sagt Sparkassenpräsident Helmut Schleweis, damit die Dienstleistungen für die Kunden kostengünstig bleiben. Nicht immer entwickelten die Institute da besondere Fantasie, hat Dirk Schiereck von der TU Darmstadt beobachtet:
"Man versucht, auf der einen Seite Kosten zu sparen, man schließt Filialen, reduziert den Personalbestand. Auf der anderen Seite versucht man auch kurzfristig Einnahmen zu generieren, zu erhöhen, insbesondere im Provisionsbereich. Da sehen Sie, dass dann manche Sparkassen ihre Kontogebühren um 100, 200 Prozent erhöhen, auch ein Stück weit aus der Not heraus geboren, weil unklar ist, wo Erträge anderweitig herkommen sollen."
Ein Vorgehen, das Schiereck zufolge Sparkassen bereits in der Vergangenheit verfolgt haben und nun intensivieren – mangels Ideen oder Motivation für Alternativen.
Muss Wettbewerb um Kosten für Konten geben
Verbraucherschützerin Mohn hält hingegen Gebühren für ein Girokonto nicht grundsätzlich für falsch:
"Natürlich steckt hinter dem Girokonto auch eine Dienstleistung, die tatsächlich auch Kosten erzeugt. Und deswegen stehe ich nicht auf dem Standpunkt, dass ein Girokonto zwingend kostenlos sein muss. Was ich aber zwingend wichtig finde ist, dass es einen Wettbewerb um diese Kosten und Konten gibt, und dass die Kosten zu den Konten wirklich transparent sind und es den Verbrauchern leicht gemacht wird zu vergleichen und auch herauszufinden, welches Konto passt wirklich gut zu mir, und wo finde ich das Konto, was gut zu mir passt, dann in der günstigsten Variante."
Diese Variante zu finden, sei in Deutschland noch zu schwierig, kritisiert Mohn. Denn die Vergleichs-Website, die dazu in Europa gesetzlich vorgeschrieben ist, weise in Deutschland erhebliche Mängel auf.
Dass die Banken sich grundsätzlich auf Entwicklungen, die durch die Coronakrise beschleunigt werden, einstellen müssen, das ist auch ein großes Anliegen von Felix Hufeld von der BaFin.
"Keine Veränderung eines Geschäftsmodells gelingt über Nacht. Aber es gibt keine Alternative, der Druck wird weiter steigen, wir werden auch hier stärkere Ausleseprozesse sehen. Der Veränderungsprozess wird in der Branche selbstverständlich verstanden. Aber etwas im Kopf verstanden zu haben und es in praktische Aktion im täglichen Management umzusetzen sind bekanntlich immer noch zwei verschiedene Paar Schuhe."
Schließlich sind bestimmte Trends wie der zur Digitalisierung durch die Pandemie noch verstärkt worden, es müssten also schnell kreative Lösungen her. Doch eine grundsätzliche Umgestaltung des Bankgeschäfts sieht Sparkassenpräsident Schleweis nicht:
"Es geht eben nicht nur um die großen Modelle, um die eine große Idee, sondern es geht einfach darum, dass wir für die Kunden viele Dienstleistungen einfach so erbringen müssen, dass sie für den Kunden Spaß machen, kostengünstig sind und letztendlich ihm dann auch seinen wahren Bedarf decken. Ein Beispiel ist jetzt Apple Pay mit Girocard. Hier haben wir für den Kunden eine Möglichkeit geschaffen, mit seinem Handy, mit seiner Uhr mit Girocard zu bezahlen, ein nationales "Scheme" mit einem internationalen Player zusammengebracht, und das bringt für den Kunden dann Vorteile."
Das allein überzeugt den Bankenexperten Schiereck von der TU Darmstadt nicht:
"Apple Pay ist auch ein schönes Beispiel dafür, was man jetzt aufs Schild hebt, nachdem man mit sehr, sehr viel Geld und sehr, sehr viel Zeit eine Lösung, die Paydirekt hieß, einmal versucht hat im Markt zu etablieren. Der Name ist verschwunden, man ist damit kläglich gescheitert, hat sehr viel Geld verbrannt. Man hat eine Lösung Yomo gehabt, die man nicht an den Start bringen konnte. Man hat jetzt die Lösung eines Dritten implementiert, weil man mit den eigenen Lösungen, die man lange angeschoben hat und teuer bezahlt hat, einfach nicht die Markterfolge erreichen konnte, die nötig wären, um diese Institute auch insgesamt erfolgreich zu machen."
Denn Paydirekt als Online-Bezahldienst, an dem auch Sparkassen und Volksbanken beteiligt sind, fusioniert mit Giropay. Yomo als Smartphone-Konto der Sparkassen wurde kürzlich eingestellt. Die großen Organisationen seien einfach nicht dynamisch genug, die neuen Wettbewerber viel schneller: Reine Onlinebanken und sogenannte Fintechs, junge Finanztechnologieunternehmen, machen den etablierten Instituten ordentlich Konkurrenz. Sie sind häufig kostengünstiger und kommen den Bedürfnissen der Kunden eher entgegen.
Ein Mann hält eine EC-Karte und ein Mobiltelefon, auf dem der Startbildschirm der Mobiles-Bezahlen-App der Sparkasse zu sehen ist, in der Hand. Knapp fünf Wochen nach Google sind die Sparkassen mit ihrem Smartphone-Bezahlsystem in Deutschland gestartet. 
Das Smartphone-Bezahlsystem der Sparkassen (dpa / Fabian Sommer)
Digitalisierung wird enge Bindung zwischen Kunde und Bank weiter schwächen
Die grundsätzliche Umorientierung in Richtung internetbasierter Dienstleistungen aber dürfte die traditionell enge Bindung zwischen dem deutschen Bankkunden und seiner Hausbank weiter schwächen, sagt Dirk Schiereck:
"Mit all den Kontaktpunkten, mit Bankleistungen jenseits der eigenen Institute stellt man halt immer mehr auch fest, was geht, und das löst natürlich die traditionelle Kundenbindung auf. Und dementsprechend können wir davon ausgehen, dass insgesamt die Wechselbereitschaft der Kunden, nicht nur bei den jüngeren, sondern auch bei den etablierteren älteren Kunden in der Tendenz auf jeden Fall steigen wird und dementsprechend die Banken noch mehr gefordert sind, sich auch um die Pflege ihrer Bestandskunden intensiver zu kümmern."
Das könnte über die Nähe zum Kunden geschehen – entweder über die Finanzpunkte wie im Taunus oder auch kleine Filialen, die mit Cafés kombiniert oder in Stadtteiltreffpunkten angesiedelt seien, schlägt Andreas Pfingsten von der Uni Münster vor. Die regional verwurzelten Banken sollten den Kunden zeigen, welche Vorteile sie bieten, etwa das Vertrauensverhältnis, das man zu seinem Berater aufbauen könnte. Denn das schafften die privaten Banken oft nicht:
"Da ist es häufiger so, dass an kleineren Standorten das für aufstrebende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter so eine Durchgangsstation ist, sodass sie dann nach drei, vier Jahren diesen Ort wieder verlassen und in einen anderen Bereich gehen. Wenn das in einer bestimmten Region bei den Großbanken passiert, wird dieser Vorteil noch eklatanter für die Genossenschaftsbanken und Sparkassen."
Balanceakt der Banken
Ein Vorteil, den vermutlich nicht nur Firmenkunden, sondern auch private Kunden annehmen wollen – doch sie dürften dann auch neue Ansprüche artikulieren, glaubt Bankenexperte Schiereck von der TU Darmstadt:
"Das führt auch dazu, dass die Kunden in Zukunft viel stärker darauf pochen werden, dass man ihnen Service anbietet zu Zeiten, die bis dato eigentlich nicht vorgesehen waren, nämlich auch die persönliche Beratung um 19:00 Uhr, um 19:30 Uhr, wenn beide Partner von der Arbeit zurück sind und ein gemeinsames Gespräch führen wollen. In der Breite werden Bankmitarbeiter aufgefordert sein, sich mit diesen Techniken ganz anders vertraut zu machen und ihre Kunden dann aus der Filiale heraus in den digitalen Raum zu begleiten."
Für die Sparkassen und Genossenschaftsbanken bleibt es ein Balanceakt, ihre regionale Nähe zu erhalten und sich gleichzeitig schnell an die neuen Herausforderungen anzupassen. Dieser Balanceakt aber, so ist in den vergangenen Monaten deutlich geworden, muss wegen der Coronakrise viel schneller bewältigt werden.