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Volksentscheid
Berliner entscheiden über Flughafen Tegel

Mit dem Stimmzettel zur Bundestagswahl können die Berliner auch an einem Referendum teilnehmen: für oder gegen den Weiterbetrieb des Flughafens Tegel. Die Bevölkerung ist gespalten.

Von Thomas Weinert | 24.09.2017
    Ein Flugzeug fliegt dicht über ein Wohnhaus in Berlin-Tegel.
    Ein Flugzeug fliegt dicht über ein Wohnhaus in Berlin-Tegel. (dpa / Kai-Uwe Heinrich)
    Zweieinhalb Millionen Berliner sind berechtigt heute zur Wahl des Deutschen Bundestages. Dazwischen der Berlin-Marathon, der manchen Wahlbezirk regelrecht zerschneidet. Das Zusammentreffen des Sportgroßereignisses mit der Bundestagswahl war in der Hauptstadt zuvor heftig diskutiert worden. Dazu kommt noch eine Volksabstimmung, die die Stadt im letzten halben Jahr regelrecht gespalten hatte: Die Berlinerinnen und Berliner sollen sich für oder gegen die Offenhaltung des Flughafens Tegel entscheiden.
    Im wahrsten Wortsinn angezettelt hatte diesen Volksentscheid die Berliner FDP, die im vergangenen Herbst mit ihrer Kampagne zugunsten von Tegel den Wiedereinzug ins Abgeordnetenhaus geschafft hatte. Dementsprechend präsentieren sich die FDP-Direktkandidaten der Stadt auch als Tegel-Retter und wollen erreichen, dass der innerstädtische Flughafen im Nordwesten der Stadt auch dann weiter in Betrieb bleibt, wenn der neue Flughafen BER eröffnet hat.
    Rot-rot-grüne Regierung will Schließung des Flughafen Tegel
    Die rot-rot-grüne Regierung von Berlin will eine Schließung von Tegel spätestens ein halbes Jahr nach der Inbetriebnahme des BER. Auch die beiden anderen Träger der Flughafengesellschaft FBB – der Bund und das Land Brandenburg - wollen eine Schließung von Tegel, vor allem, um den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens nach dem Drama um die Eröffnung des BER nicht noch weiter zu gefährden.
    Michael Müller, der Regierende Bürgermeister von Berlin, wandte sich in einem letzten Appell noch einmal an die Vernunft des Wahlvolkes und warb für Stimmen zur Schließung des Flughafens.
    "Das Entscheidende ist, sich bewusst zu machen, dass es hier um eine zentrale Zukunftsentscheidung geht. Und diese Abstimmung zu Tegel sollte man nicht nutzen, um über die Vergangenheit zu entscheiden und Denkzettel zu verteilen, sondern es geht darum, der Stadt zu ermöglichen für die nächsten 20 oder 30 Jahre Wohnen, Gewerbe, Wissenschaft in der Stadt umzusetzen, ein neues Areal zu entwickeln. Eine Perspektive für Menschen, die Wohnungen brauchen und für Menschen, die Arbeit suchen."
    Der Senat will auf dem frei werdenden Gelände den Ausbau einer Fachhochschule fördern, Start-ups ansiedeln und ein großes Wohnquartier errichten mit einem hohen Anteil an Sozialwohnungen.
    Planungen weit fortgeschritten
    Die Planungen dafür sind weit fortgeschritten, zum einen, weil die zuständige Entwicklungsgesellschaft wegen der Bauverzögerungen beim BER ausreichend Zeit hatte, zu planen, zum anderen, weil nicht ein zweites Mal der Fehler gemacht werden sollte, kein Nachnutzungskonzept zu haben wie einst beim Flughafen Tempelhof.
    Neben der FDP haben sich auch die AfD und die CDU in Berlin für eine Offenhaltung von Tegel ausgesprochen. Sollten sie Erfolg haben, hat die junge Regierung von Berlin ein Problem, denn ihre rot-rot-grünen Konzepte galten lange als Vorbild auch für mögliche Koalitionen im Bund. Und: 300.000 Menschen leben in Berlin in der Einflugschneise des Flughafens Tegel – so viele, wie Karlsruhe Einwohner hat. Nirgendwo in Deutschland fliegen Flugzeuge beim Anflug so tief über Wohngebiete wie in Tegel. Die Kosten für Lärmschutz und eine Ertüchtigung des Airports werden auf mehrere Milliarden Euro geschätzt.