Dirk Müller: Die Zahlen sind immer wieder ein wenig erschreckend, denn sie werden immer höher. Und immer wieder wird auch die Frage gestellt, ist diese neue Dimension noch verkraftbar, für die Volkswirtschaft, für die Verbraucher, auch für die Arbeitsplätze. Rund 72 Dollar, das ist die neue Rekordmarke, der Preis für das Öl. Der Iran-Konflikt soll diesmal verantwortlich sein für das Andrehen der Spirale. Von drohender Energiekrise ist die Rede wie schon so oft. Experten befürchten, dass die Marke noch auf 80 Dollar gehen könnte, nicht bis 2010, sondern noch in diesem Jahr. Die OPEC, die ölexportierenden Staaten, bleiben in dieser Situation auch noch dabei: Es gibt keine höhere Förderquote.
Am Telefon ist nun Professor Norbert Walter, Chefökonom der Deutschen Bank. Guten Morgen!
Norbert Walter: Guten Morgen, Herr Müller!
Müller: Herr Walter gibt es das tatsächlich, ein zu hoher Ölpreis?
Walter: Ja, natürlich gibt es auch in Märkten wie diesem monopolartige oder oligopolartige Situationen, und dann wäre der Preis zu hoch im Sinne der freien Marktbewegungen. Aber ich glaube, dass man sagen kann, dass diese Situation derzeit wohl nicht die entscheidende Ursache dafür ist, dass die Preise gestiegen sind. Es gibt tatsächlich objektive Gründe, warum die Anspannung so groß ist, und Sie haben einige davon genannt. Ein Faktor, der die nachhaltige Erhöhung der letzten Jahre ausgelöst hat, ist der Umstand, dass wir uns im vierten Jahr eines weltweiten Aufschwungs befinden, den wir in Deutschland natürlich nicht so recht wahrnehmen, weil wir nicht Teil davon sind jedenfalls mit unserer Innlandsnachfrage. Die Weltwirtschaft wächst mit 4,5 Prozent, und darauf hat sich kaum jemand eingestellt, auch nicht die Ölproduzenten, auch nicht die Ölgesellschaften. Da wurde immer wieder gesagt, die Ölpreiserhöhung sei eine kurzfristige Erscheinung und würde bald wieder zurückgehen, würde bald sich wieder korrigieren. Deshalb wurde in vielen dieser Firmen nicht so investiert, wie man investiert hätte, hätte man gewusst, dass die Nachfrage so nachhaltig hoch ist.
Müller: Aber Herr Walter, höhere Nachfrage zeitigt höhere Preise. Das ist doch in Ordnung?
Walter: Das ist in Ordnung, aber ich sagte ja: Es könnte ja auch sein, dass es zu Übertreibungen kommt. Solche Übertreibungen könnten natürlich dann, wenn es weniger Anbieter gibt, auch ausnutzen. Das ist theoretisch möglich. Deshalb darf man die Frage schon stellen, sind die Preise zu hoch. Der Staat, die internationale Staatengemeinschaft muss schon aufpassen, dass der Wettbewerb weiter existiert, weiter im Gang ist, dass nicht diejenigen, die neue Anbieter sein könnten, durch die alten Anbieter daran gehindert werden. Bei Energie gibt es ja nun nicht nur Öl und Gas, es gibt ja auch andere Energiequellen. Und über die ist in der letzten Zeit dankenswerterweise in einer Reihe von Ländern ja nicht nur nachgedacht worden, sondern es ist auch gehandelt worden. Deshalb betrifft diese Ölpreiserhöhung auch nicht in gleicher schmerzhafter Weise jede Firma und jede Volkswirtschaft.
Müller: Herr Walter, bleiben wir noch einmal beim Öl. Wie politisch ist dieser Ölpreis?
Walter: Er ist insofern politisch, als wichtige Ölanbieter sich in den geostrategischen Überlegungen natürlich sehr konkret einbringen. Und im Moment ist die akuteste Gefährdung natürlich der Konflikt zwischen Amerika und dem Iran. Der Iran ist kein Anbieter unter vielen, sondern ein ganz wichtiger Anbieter. Fünf Prozent der gesamten Ölversorgung stammen aus dem Iran. Und damit hat natürlich dieses sehr radikale Regime derzeit eine sehr starke Trumpfkarte in der Hand, die für die Ölverbraucher, für die reichen Länder der Welt, aber auch für die armen Schwellenländer, die Öl brauchen, eine außerordentlich schmerzhafte Implikation hat.
Müller: Welche Rolle spielen denn China und Indien?
Walter: Eigentlich eine eher nicht politische Rolle. Diese beiden Länder, vor allem aber China hat sich auf den Weg gemacht, reich zu werden, aus einem armen Land, das es in weiten Teilen noch immer ist, ein wohlhabendes, ein funktionierendes Land zu werden und pragmatische Schritte einzuleiten, das heißt, alle Hebel in Bewegung zu setzen, dass ihnen, der Wirtschaftspolitik ihres Landes nicht durch internationale Ereignisse oder durch spezielle Ereignisse ein Hindernis in den Weg gelegt wird. Mit anderen Worten, auch in der Energiepolitik ziehen die Chinesen alle Register. Sie sorgen dafür, dass sie langfristige Lieferverträge mit ganz, ganz vielen haben, auch mit Ländern, deren politische Strukturen nicht gerade besonders demokratisch beispielsweise sind, afrikanische Länder. Die Chinesen sorgen einfach dafür, dass sie die Rohstoffe bekommen, die sie dringend brauchen, um ihre Infrastruktur auszubauen, um ihr Land voranzubringen.
Und die Inder, die lange Zeit eher still in ihrem eigenen Land vor sich hinwirtschafteten, haben den Weltmarkt jetzt auch entdeckt und wissen natürlich auch, dass sie in Bezug auf Öl und Gas auch von Lieferungen abhängig sind. Deshalb sind die Beziehungen zum mittleren Osten, oftmals auch zu unmittelbaren Nachbarn, bei denen dann ethnische und religiöse Fragen eine wichtige Rolle spielen, Stichwort Afghanistan, Stichwort auch Iran, keine so gewichtige Rolle. Sie stellen das wirtschaftliche Ziel ganz, ganz eindeutig über politische Überlegungen.
Müller:! Herr Walter, wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann kann man schon klipp und klar sagen, Indien und China treiben auch die Preise hoch?
Walter: Aber natürlich, weil sie ganz wichtige Länder sind im Sinne des zusätzlichen Verbrauchs von Energie. Wer wie diese beiden Länder jetzt Infrastruktur vorantreiben will, der braucht natürlich Zement und Stahl. Wer Zement und Stahl braucht, braucht ganz viel Energie. Wer dann auch noch Autos fahren lässt, wie die Chinesen beginnen, das auf ihren Straßen zu tun, die brauchen dann nicht nur Energie für die Infrastruktur, sondern natürlich auch für den laufenden Betrieb. Und insofern, die zusätzliche Nachfrage der letzten fünf Jahre kam in ganz entscheidenden Teilen aus diesen zwei riesengroßen Schwellenländern. Nicht nur Amerika, das weiter mit vier Prozent Wachstum voranstürmt, hat zusätzliche Nachfrage entfaltet, sondern auch diese beiden Giganten in Asien.
Müller: Blicken wir nach innen, Herr Walter. Wie schädlich ist diese jüngste Entwicklung, 72 Dollar mit der Tendenz nach oben, für Deutschland?
Walter: Wir Deutschen sind als Ölverbraucher natürlich betroffen. Wir haben keine eigenen Quellen. Wir müssen das Ganze importieren. Wir müssen die hohen Preise also zahlen. Wir haben auch nicht wie andere Länder ebenso entschlossen beispielsweise bei unseren Autos auf Energieersparnis geachtet. Wir fahren gerne dicke Autos. Das ist unpraktisch.
Aber auf der anderen Seite haben wir auch ganz, ganz gewichtige Vorteile aus der Ölpreiserhöhung, weil viele unserer Kunden sind die Länder, die durch den hohen Ölpreis reich geworden sind. Viele unserer Kunden sind die Länder, die jetzt, weil die Weltwirtschaft boomt, enorm investieren und deshalb unsere außerordentlich effizienten, auch energiesparenden Anlagen bei uns kaufen.
Wir Deutschen haben auch durch 30 Jahre lang grüne Politik auf dem Feld Erneuerbarer Energien viel mehr Fortschritte erzielt als die meisten auf diesem Globus und sind deshalb heute Technologieführer, unternehmerisch weit den anderen voraus bei Windenergie, bei Sonnenenergie, bei einer Reihe von anderen energiesparenden Technologien, bei der Verwendung von Biomasse. Und auf diese Weise haben wir natürlich nicht nur höhere Ausgaben, sondern wir haben auch durch unsere Exporte höhere Einnahmen. Unsere Unternehmen profitieren also auf der einen Seite in enormem Maße von dieser neuen weltwirtschaftlichen Entwicklung ebenso. Deshalb ist per Saldo unsere Last geringer als die beispielsweise Amerikas, das in Erneuerbarer Energie nicht so gut ist wie wir und das sich nicht so energiesparend orientiert, das seine Fenster nicht so ordentlich isoliert wie wir.
Müller: Dann ist das, Herr Walter, alles übertrieben und gar nicht so schlimm?
Walter: Es ist bei uns nicht so schlimm wie in einigen anderen Ländern, die davon unmittelbarer und auf allen Seiten betroffen sind. Wir haben wichtige Entlastungsfaktoren, die manchmal vor lauter Aufregung in unserer Debatte übersehen werden.
Müller: Professor Norbert Walter war das, Chefökonom der Deutschen Bank. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.
Walter: Auf Wiederhören.
Am Telefon ist nun Professor Norbert Walter, Chefökonom der Deutschen Bank. Guten Morgen!
Norbert Walter: Guten Morgen, Herr Müller!
Müller: Herr Walter gibt es das tatsächlich, ein zu hoher Ölpreis?
Walter: Ja, natürlich gibt es auch in Märkten wie diesem monopolartige oder oligopolartige Situationen, und dann wäre der Preis zu hoch im Sinne der freien Marktbewegungen. Aber ich glaube, dass man sagen kann, dass diese Situation derzeit wohl nicht die entscheidende Ursache dafür ist, dass die Preise gestiegen sind. Es gibt tatsächlich objektive Gründe, warum die Anspannung so groß ist, und Sie haben einige davon genannt. Ein Faktor, der die nachhaltige Erhöhung der letzten Jahre ausgelöst hat, ist der Umstand, dass wir uns im vierten Jahr eines weltweiten Aufschwungs befinden, den wir in Deutschland natürlich nicht so recht wahrnehmen, weil wir nicht Teil davon sind jedenfalls mit unserer Innlandsnachfrage. Die Weltwirtschaft wächst mit 4,5 Prozent, und darauf hat sich kaum jemand eingestellt, auch nicht die Ölproduzenten, auch nicht die Ölgesellschaften. Da wurde immer wieder gesagt, die Ölpreiserhöhung sei eine kurzfristige Erscheinung und würde bald wieder zurückgehen, würde bald sich wieder korrigieren. Deshalb wurde in vielen dieser Firmen nicht so investiert, wie man investiert hätte, hätte man gewusst, dass die Nachfrage so nachhaltig hoch ist.
Müller: Aber Herr Walter, höhere Nachfrage zeitigt höhere Preise. Das ist doch in Ordnung?
Walter: Das ist in Ordnung, aber ich sagte ja: Es könnte ja auch sein, dass es zu Übertreibungen kommt. Solche Übertreibungen könnten natürlich dann, wenn es weniger Anbieter gibt, auch ausnutzen. Das ist theoretisch möglich. Deshalb darf man die Frage schon stellen, sind die Preise zu hoch. Der Staat, die internationale Staatengemeinschaft muss schon aufpassen, dass der Wettbewerb weiter existiert, weiter im Gang ist, dass nicht diejenigen, die neue Anbieter sein könnten, durch die alten Anbieter daran gehindert werden. Bei Energie gibt es ja nun nicht nur Öl und Gas, es gibt ja auch andere Energiequellen. Und über die ist in der letzten Zeit dankenswerterweise in einer Reihe von Ländern ja nicht nur nachgedacht worden, sondern es ist auch gehandelt worden. Deshalb betrifft diese Ölpreiserhöhung auch nicht in gleicher schmerzhafter Weise jede Firma und jede Volkswirtschaft.
Müller: Herr Walter, bleiben wir noch einmal beim Öl. Wie politisch ist dieser Ölpreis?
Walter: Er ist insofern politisch, als wichtige Ölanbieter sich in den geostrategischen Überlegungen natürlich sehr konkret einbringen. Und im Moment ist die akuteste Gefährdung natürlich der Konflikt zwischen Amerika und dem Iran. Der Iran ist kein Anbieter unter vielen, sondern ein ganz wichtiger Anbieter. Fünf Prozent der gesamten Ölversorgung stammen aus dem Iran. Und damit hat natürlich dieses sehr radikale Regime derzeit eine sehr starke Trumpfkarte in der Hand, die für die Ölverbraucher, für die reichen Länder der Welt, aber auch für die armen Schwellenländer, die Öl brauchen, eine außerordentlich schmerzhafte Implikation hat.
Müller: Welche Rolle spielen denn China und Indien?
Walter: Eigentlich eine eher nicht politische Rolle. Diese beiden Länder, vor allem aber China hat sich auf den Weg gemacht, reich zu werden, aus einem armen Land, das es in weiten Teilen noch immer ist, ein wohlhabendes, ein funktionierendes Land zu werden und pragmatische Schritte einzuleiten, das heißt, alle Hebel in Bewegung zu setzen, dass ihnen, der Wirtschaftspolitik ihres Landes nicht durch internationale Ereignisse oder durch spezielle Ereignisse ein Hindernis in den Weg gelegt wird. Mit anderen Worten, auch in der Energiepolitik ziehen die Chinesen alle Register. Sie sorgen dafür, dass sie langfristige Lieferverträge mit ganz, ganz vielen haben, auch mit Ländern, deren politische Strukturen nicht gerade besonders demokratisch beispielsweise sind, afrikanische Länder. Die Chinesen sorgen einfach dafür, dass sie die Rohstoffe bekommen, die sie dringend brauchen, um ihre Infrastruktur auszubauen, um ihr Land voranzubringen.
Und die Inder, die lange Zeit eher still in ihrem eigenen Land vor sich hinwirtschafteten, haben den Weltmarkt jetzt auch entdeckt und wissen natürlich auch, dass sie in Bezug auf Öl und Gas auch von Lieferungen abhängig sind. Deshalb sind die Beziehungen zum mittleren Osten, oftmals auch zu unmittelbaren Nachbarn, bei denen dann ethnische und religiöse Fragen eine wichtige Rolle spielen, Stichwort Afghanistan, Stichwort auch Iran, keine so gewichtige Rolle. Sie stellen das wirtschaftliche Ziel ganz, ganz eindeutig über politische Überlegungen.
Müller:! Herr Walter, wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann kann man schon klipp und klar sagen, Indien und China treiben auch die Preise hoch?
Walter: Aber natürlich, weil sie ganz wichtige Länder sind im Sinne des zusätzlichen Verbrauchs von Energie. Wer wie diese beiden Länder jetzt Infrastruktur vorantreiben will, der braucht natürlich Zement und Stahl. Wer Zement und Stahl braucht, braucht ganz viel Energie. Wer dann auch noch Autos fahren lässt, wie die Chinesen beginnen, das auf ihren Straßen zu tun, die brauchen dann nicht nur Energie für die Infrastruktur, sondern natürlich auch für den laufenden Betrieb. Und insofern, die zusätzliche Nachfrage der letzten fünf Jahre kam in ganz entscheidenden Teilen aus diesen zwei riesengroßen Schwellenländern. Nicht nur Amerika, das weiter mit vier Prozent Wachstum voranstürmt, hat zusätzliche Nachfrage entfaltet, sondern auch diese beiden Giganten in Asien.
Müller: Blicken wir nach innen, Herr Walter. Wie schädlich ist diese jüngste Entwicklung, 72 Dollar mit der Tendenz nach oben, für Deutschland?
Walter: Wir Deutschen sind als Ölverbraucher natürlich betroffen. Wir haben keine eigenen Quellen. Wir müssen das Ganze importieren. Wir müssen die hohen Preise also zahlen. Wir haben auch nicht wie andere Länder ebenso entschlossen beispielsweise bei unseren Autos auf Energieersparnis geachtet. Wir fahren gerne dicke Autos. Das ist unpraktisch.
Aber auf der anderen Seite haben wir auch ganz, ganz gewichtige Vorteile aus der Ölpreiserhöhung, weil viele unserer Kunden sind die Länder, die durch den hohen Ölpreis reich geworden sind. Viele unserer Kunden sind die Länder, die jetzt, weil die Weltwirtschaft boomt, enorm investieren und deshalb unsere außerordentlich effizienten, auch energiesparenden Anlagen bei uns kaufen.
Wir Deutschen haben auch durch 30 Jahre lang grüne Politik auf dem Feld Erneuerbarer Energien viel mehr Fortschritte erzielt als die meisten auf diesem Globus und sind deshalb heute Technologieführer, unternehmerisch weit den anderen voraus bei Windenergie, bei Sonnenenergie, bei einer Reihe von anderen energiesparenden Technologien, bei der Verwendung von Biomasse. Und auf diese Weise haben wir natürlich nicht nur höhere Ausgaben, sondern wir haben auch durch unsere Exporte höhere Einnahmen. Unsere Unternehmen profitieren also auf der einen Seite in enormem Maße von dieser neuen weltwirtschaftlichen Entwicklung ebenso. Deshalb ist per Saldo unsere Last geringer als die beispielsweise Amerikas, das in Erneuerbarer Energie nicht so gut ist wie wir und das sich nicht so energiesparend orientiert, das seine Fenster nicht so ordentlich isoliert wie wir.
Müller: Dann ist das, Herr Walter, alles übertrieben und gar nicht so schlimm?
Walter: Es ist bei uns nicht so schlimm wie in einigen anderen Ländern, die davon unmittelbarer und auf allen Seiten betroffen sind. Wir haben wichtige Entlastungsfaktoren, die manchmal vor lauter Aufregung in unserer Debatte übersehen werden.
Müller: Professor Norbert Walter war das, Chefökonom der Deutschen Bank. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.
Walter: Auf Wiederhören.