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Volmer: CIA hat im Irakkrieg keine rühmliche Rolle gespielt

Der ehemalige Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Ludger Volmer, wirft der US-Regierung und ihrem Geheimdienst CIA eine selektive Kooperation hinsichtlich der Terrorismusbekämpfung mit Europa vor. Im Irak hätten die USA durch ihr Vorgehen, Terroristen auf den Plan gerufen, die es dort vorher nicht gegeben hätte. Nun versuchten sie mit zweifelhaften und besorgniserregenden Methoden, diesen Terrorismus in den Griff zu bekommen.

Moderation: Doris Simon |
    Doris Simon: Mehr als 400 mal soll die CIA geheim über Deutschland geflogen sein, möglicherweise mit entführten Terrorverdächtigen auf dem Weg in geheime Lager an Bord, wo ihnen Folter droht. Am Wochenende bestätigte sich außerdem ein lang gehegter anderer Verdacht: Der US-Geheimdienst hat vor zwei Jahren wirklich den deutschen Staatsbürger Khaled el Masri entführt und nach Afghanistan verschleppt. Die Bundesregierung hörte von der Geschichte erst sicher im Juni 2004, damals hatte Masris Anwalt Manfred Gnjidic Briefe an den damaligen Außenminister Joschka Fischer und ans Kanzleramt geschrieben. Aber es hat noch bis 2005 gedauert, so heißt es jetzt, bis die CIA auf die deutsche Geheimdiplomatie mit dem lapidaren Hinweis reagierte: Ja das sei ein Versehen gewesen mit el Masri, man habe den falschen Mann erwischt. Ludger Volmer war damals Staatsminister im Auswärtigen Amt, er ist jetzt am Telefon, guten Morgen.

    Ludger Volmer: Guten Morgen.

    Simon: Herr Volmer, wussten Sie von der Affäre el Masri zu Ihrer Zeit als Staatsminister?

    Volmer: Ich war nur bis 2002 Staatsminister im Auswärtigen Amt und anschließend Sprecher für Außenpolitik für die grüne Fraktion. In unseren politischen Diskussionen ist der Fall nicht vorgekommen, weil wir davon keine Kenntnis hatten.

    Simon: Ist es denn üblich, aus Ihrer Erkenntnis im Amt, dass diese Dinge nur geheim behandelt werden? Auch wenn die Regierung davon wusste, dass sie in der Öffentlichkeit, auch als Fragen dazu entstanden, nichts dazu gesagt hat?

    Volmer: Es gibt immer Dinge, die geheim gehandelt werden, besonders die Arbeit der Geheimdienste, die man im Einzelnen kritisieren kann, insbesondere dann, wenn sie wie in diesem Fall, Regeln verletzten und gegen internationale Konventionen verstoßen. Man darf auf der anderen Seite nicht naiv sein: Der Kampf gegen den internationalen Terrorismus, der muss auch mit geheimdienstlichen Mitteln geführt werden. Umso wichtiger ist es natürlich, dass sich die Dienste der aktiven Nationen immer ins Benehmen setzten, immer gegenseitig informieren. Was nun unsere Dienste von den CIA-Aktivitäten wussten, ist mir nicht bekannt. Und geklärt werden müsste auch die Frage, in wie weit dann die politisch Verantwortlichen, also die Ministerien, wirklich informiert worden sind, und wie sie darauf reagiert haben. Denn was in der Öffentlichkeit darüber nicht breit geredet wird, heißt ja nicht, dass man nicht hinter den Kulissen auch deutliche Worte gefunden haben kann.

    Simon: Halten Sie es denn für vorstellbar, dass Otto Schily, wie es jetzt heißt, schon 2004, also schon vor einem Jahr informiert war über das, was Khaled el Masri wirklich passiert war?

    Volmer: Das mag sein, dazu wird Otto Schily, weil er dazu von verschiedenen Seiten aufgefordert worden ist, sicherlich eine Erklärung abgeben. Informiert zu sein, heißt ja nicht unbedingt, dass er es gebilligt hat. Wir wissen ja auch nichts über seine Reaktion, die er dem amerikanischen Botschafter dann hat zu Teil werden lassen. Ich denke, wir sollten dort nachfragen und dann die Erklärung bewerten.

    Simon: Aber Sie halten es dann - was ich so raushöre - für durchaus normal, dass selbst, wenn es so gewesen, dass der Bundesinnenminister informiert gewesen wäre, das nicht an die Öffentlichkeit weitergetragen wird?

    Volmer: Viele Dinge, die die Geheimdienste machen, werden überhaupt nicht an die Öffentlichkeit getragen, sondern im geheimen Dienstausschuss des deutschen Bundestages eventuell bewertet. Oder die Dienste tragen unseren Ausschüssen, wie dem Auswärtigen Ausschuss und dem Verteidigungsausschuss, diese Dinge in geheimer Sitzung vor. So was braucht man. Im Prinzip allerdings muss auch klar sein, dass sich die Dienste an die Regeln halten. Und insbesondere der CIA hat im Zusammenhang mit dem Irak keine rühmliche Rolle gespielt, weil es der CIA war, der zu Beginn des Irakkrieges oder im Vorfeld die angeblichen Beweise dafür geliefert hat, dass Saddam Hussein eine Gefahr für den Weltfrieden darstellte. Und wir Außenpolitiker haben schon damals befürchtet, dass dies alles Erfindungen und Konstruktionen waren, die dann einer wirklichen Prüfung nicht stand hielten und so hat es sich im Nachhinein ja auch herausgestellt.

    Simon: Haben Sie damals im Auswärtigen Amt immer den Eindruck gehabt, dass Sie von amerikanischer Seite auf gleicher Ebene wirklich das gesagt bekommen, was der Wissenstand ist?

    Volmer: Nein, wir haben von Anfang an das Problem gehabt, dass die Amerikaner in ihrer Kooperation sehr selektiv waren. Wenn sie meinen, sie brauchen die Europäer und die Deutschen, dann informieren sie uns, und ansonsten führen sie ihren eigenen Krieg gegen den internationalen Terrorismus. Sie haben ja auch noch einen ganz anderen Blick auf die Dinge, weil sie im Irak im Krieg stehen und plötzlich dort mit Terroristen konfrontiert werden, die es vorher im Irak nicht gab. Die USA haben sich mit dem Angriff auf den Irak ein Problem selber mitgeschaffen, dass sie jetzt versuchen in den Griff zu bekommen, und die Methoden, die sie dabei anwenden, sind teilweise zweifelhaft und geben eher Anlass zu der Befürchtung, dass damit noch mehr Terroristen neu motiviert und generiert werden.

    Simon: Herr Volmer, wenn Sie aus Ihrer Erfahrung sagen, wir wurden oft so informiert, wie es gerade passte, wie es den USA gerade passte, würden Sie jetzt im Rückblick selbstkritisch auch sagen, man hat vielleicht von deutscher Seite zu viel Geduld an den Tag gelegt?

    Volmer: Mit den Amerikanern müssen wir Geduld haben. Was sollen wir sonst machen? Es gibt immer wieder die Stimmung in der Öffentlichkeit, man muss da doch mal auf den Putz oder auf den Tisch hauen. Wir müssen uns aber klar werden, welches Interesse wir haben in Zusammenarbeit mit den Amerikanern. Wir haben ein fundamentales Interesse daran, dass die Beziehungen gut bleiben und dass auf dieser Basis eventuell auftretende Probleme geklärt werden. Wir können kein Interesse daran haben, dass sich das transatlantische Verhältnis systematisch und nachhaltig verschlechtert, denn dann hätten wir nicht weniger Probleme, sondern mehr.

    Simon: Wie sehr belasten die letzten Affären - Stichwort CIA-Flüge, Stichwort Verschleppung Khaled el Masri - die heute beginnenden Gespräche der US-Außenministerin Condoleezza Rice mit den deutschen Stellen nach Ihrer Erfahrung?

    Volmer: Ja, das ist schon sehr pikant, denn Frau Merkel hat ja in ihrer Oppositionszeit der damaligen rot-grünen Bundesregierung noch vorgeworfen, wir hätten das deutsch-amerikanische Verhältnis verschlechtert. Und wir haben immer darauf hingewiesen, dass es für uns sehr, sehr schwierig war, mit diesem Partner USA so umzugehen, dass die deutschen Interessen und auch die internationalen Standards - was Völkerrechte und Menschenrechte angeht - gewahrt werden.

    Und nun kommt Frau Merkel selber in diese Situation. Und ich bin gespannt darauf, wie sie ihre Ankündigung, sie wolle nun einen neuen freundlichen Kurs gegenüber den USA fahren, angesichts dieser Affäre umsetzen kann, denn sie wird dazu Stellung nehmen. Und es reicht auch nicht aus, von Frau Rice einen Satz jetzt dergestalt hinzunehmen, der da sagt: "Wir haben immer die Souveränität der Staaten gewahrt". Also ich höre aus den USA, dass sie heute Abend diesen Satz vielleicht sagen wird. Dieser Satz heißt, wir haben die Staaten immer informiert, um ihre Souveränität nicht zu verletzen. Frage ist: Was haben die Amerikaner wirklich gesagt? Wie haben die Regierungen darauf reagiert? Und wie reagiert die jetzige Regierung darauf, dass die USA offensichtlich dort eine Strategie fahren, über die sie vielleicht informieren, aber nicht wirklich konsultieren. Also wo sie den Rat der Verbündeten nicht einholen, obwohl sie sich letztlich strategisch mit den Verbündeten auch nicht abstimmen.

    Simon: Das heißt, das Misstrauen, also auch auf deutscher Seite, ist ganz erheblich.

    Volmer: Also ich würde nicht von generalisiertem Misstrauen sprechen, denn in den USA gibt es diese kritischen Stimmen ja selber. Es gibt in den USA, insbesondere seitdem die öffentliche Stimmung - was den Irakkrieg angeht, und die Rolle von Präsident Bush - umzuschlagen beginnt, eine heftige Diskussion darüber, welchen Weg man einschlagen soll. Und die Europäer fühlen sich in diesen Fragen mit einem großen Teil der amerikanischen Öffentlichkeit und der amerikanischen Politik im Grunde bestens verbündet.

    Simon: Das war der frühere Staatsminister im Auswärtigen Amt, Ludger Volmer, vielen Dank Herr Volmer, auf Wiederhören.

    Volmer: Nicht zu danken.