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Vom Aussterben bedroht

Der Schreiadler steht auf der Roten Liste der bedrohten Tierarten. Mit seinem kaffeebraunen Gefieder, dessen Flügelspannweite bis zu 1,60 Meter erreichen kann, kommt er in Polen, Weißrussland und auch Georgien vor, vereinzelt auch in Indien, Bangladesch und Burma. In Deutschland werden aktuell nur noch 102 Brutpaare gezählt, zum einen weil den Greifvögeln durch Infrastrukturmaßnahmen, durch den Bau von Straßen, Feriendörfern oder Golfplätzen zum Beispiel, die Lebensgrundlagen entzogen werden.

Von Caroline Michel |
    Zum anderen aber auch, weil sich die Fortpflanzung so schwierig gestaltet. Es werden genügend Jungvögel geboren, diese töten sich allerdings zuweilen gegenseitig. Das Schutzprojekt der Deutschen Wildtierstiftung und der Deutschen Bundesstiftung Umwelt soll hier nachhelfen - unter anderem in einer künstlichen Zuchtstation in Brandenburg. Dort hat sich Caroline Michel umgesehen und erfahren, was es mit dem so genannten "Kainismus" auf sich hat.

    Hier piepst gut ein Zehntel des diesjährigen deutschen Schreiadler-Nachwuchses. Einer Art, die stark bedroht ist. Denn Schreiadler sind empfindlich und hören bei der kleinsten Irritation auf zu brüten. So gibt es in Deutschland nur noch 102 Brutpaare, die sich neben Brandenburg vor allem auf Mecklenburg-Vorpommern konzentrieren. Und die Schutzmaßnahmen, die in Arbeit sind, brauchen Zeit. Zeit, die der Schreiadler nicht hat. Aber: es gibt ein Hintertürchen:

    " Bei Schreiadlern ist es so üblich, dass zwar unter Umständen zwei Eier gelegt werden, auch zwei Junge schlüpfen, aber nur ein Junges groß wird und ausfliegt, dieses Prinzip, was man "Kainismus" nennt, in Anlehnung an die Geschichte von Kain und Abel. "

    Das heißt: das erstgeborene Küken ist so aggressiv, dass es sein jüngeres Geschwisterchen entweder gleich tötet oder so vehement einschüchtert, dass es die Nahrung verweigert und elendig verhungert, erklärt der Berliner Zoologe Kai Graszynski. Gemeinsam mit Bernd-Ulrich Meyburg, dem Vorsitzenden der Weltarbeitsgruppe für Greifvögel, und Paul Sömmer, dem Leiter der Greifvogelaufzuchtstation Woblitz im Norden Brandenburgs, startete er eine einzigartige "Abel-Rettungsaktion". Und das Ergebnis sitzt jetzt in der Aufzuchtstation und schreit nach Mäusefilets:

    " Den großen da, den haben wir am 8.6. entnommen. Da waren zwei Junge drinne, er war vielleicht so drei Tage alt, 67 Gramm, war vielleicht zwei bis drei Tage alt, ich schätze mal drei Tage - und der "Kain", also sein größeres Geschwister war 4 Tage älter. "

    Die einfache Idee: Die zweitgeborenen Adlerjungen werden aus den Horsten geholt und von Hand, aber ohne prägenden Sichtkontakt zu Menschen, aufgezogen. Und sobald der weiße Flaum geschwunden ist, können die Vögel wieder zu ihren Eltern gesetzt werden. Denn die ziehen die "Abels" jetzt anstandslos gemeinsam mit den "Kains" auf. Und erste Versuche zeigen: dieses bestechend einfache Verfahren funktioniert tatsächlich. Es ist allerdings aufwändig und arbeitsintensiv. Und eigentlich ein unerwünschter Eingriff in die Natur, meint der Adlerexperte Bernd-Ulrich Meyburg. Deshalb ist diese Art von "Jungvogelmanagement" auch keine Dauerlösung, sondern eine aus der Not geborene Feuerwehraktion.

    " Es ist bisher erst einem einigen Zoo in einem einzigen Falle gelungen, ein Schreiadlerpaar zur Fortpflanzung zu bringen - es wäre also ein sehr viel aufwändigerer Vorgang und es würden dadurch ja vor allen Dingen auch sehr viele Adler erstmal in Gefangenschaft gehalten werden müssen, die sozusagen dann für die Natur wirklich verloren werden, während ja in diesem Fall keinerlei Jungvögel, die entnommen werden, für die Natur verloren gehen. Im Gegenteil: es kommen ja sozusagen welche dazu, die sonst nicht überleben würden. "

    Deshalb ruhen die Hoffnungen der Forscher weiter auf den Küken. Und auf den beiden anderen Bausteinen der Rettungsaktion der Wildtierstiftung, dem Schutz von Lebensraum und Zugweg. Denn was nutzt alle Mühe, wenn die mühsam aufgepäppelten Jungvogel keinen geeigneten Brutplatz mehr finden oder auf ihrem ersten Flug in den Süden umkommen?

    " Ein Freund von mir hat mal den Vornamen seiner Frau einem Adlerweibchen gegeben (...) und das wurde auch prompt in Syrien abgeschossen, und das war das Ende der Geschichte, dass wir Namen vergeben haben. "

    Infos

    Deutsche Wildtierstiftung
    Billbrookdeich 210
    22113 Hamburg
    info@DeWiSt.de

    Infos zum Schutzprogramm:
    www.deutschewildtierstiftung.de/projekte/...

    Infos zur Schreiadler-Patenschaft.