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Vom Buchkatalog zum Web 2.0

Bis Anfang der 60er Jahre hatte die 1942 gegründete Schule für "Volks- und verwandte Büchereien" nur eine Planstelle. Doch dann kam es zur Neukonzeption. Ausbau und Umstrukturierung folgten Schlag auf Schlag. Und ebenso wie die Form der Hochschule entwickelten sich die Inhalte des Fachs ständig weiter. Heute feiert der bibliothekarische Studiengang in Stuttgart sein 65-jähriges Bestehen.

Von Christina Schaffrath | 12.12.2007
    "Wir hatten Literatur, Zeitschriftenkunde, Bibliographieren, Verwaltungskunde. Die Bibliothekare mussten auch die Katalogisate erstellen und die Kataloge waren auch die einzige Hilfe, die man im Alltag hatte und ein gutes Gedächtnis. Wenn man das hatte, dann war man ganz gut drauf. Aber das erste Jahr war schwer."

    Rita Mücke absolvierte in den 60er Jahren in Stuttgart ihre Ausbildung zur Diplombibliothekarin. Damals waren öffentliche Bibliotheken vor allem Bildungseinrichtungen. Und so lag auch der Schwerpunkt der Ausbildung auf den schöngeistigen Fächern. Neben Literatur standen Philosophie, Pädagogik und Geschichte auf dem Stundenplan.

    Heute bieten Bibliotheken ein breites Spektrum an Informationsmedien und Veranstaltungen, verstehen sich als Dienstleiter, die sich den Anforderungen des Marktes stellen. Doch ihre Hauptaufgabe ist für Studiendekanin Professorin Inge Simon über die Jahre die gleiche geblieben:

    "Im Grunde geht es immer darum, dass die Bibliotheken den Zugang zu Information ermöglichen und das auch als gesellschaftlichen Auftrag verstehen und entsprechend sich als ganz wichtige demokratische Einrichtung verstehen. Nur wie dieser Zugang jeweils organisiert wird, das hat sich geändert. Das bleibt nach wie vor ein spannendes Thema."
    Während sich früher die angehenden Bibliothekarinnen für den Beruf entschieden, weil sie gerne lasen und etwas mit Büchern und Bildung zu tun haben wollten, ist das Aufgabenfeld heute weitaus differenzierter. Katalogisiert wird immer, doch statt zwischen Regalen mit dicken Büchern, finden sich die Studierenden in Online-Datenbanken zurecht. Corinna Sippke absolviert den Masterstudiengang Bibliotheksmanagement an der Hochschule der Medien in Stuttgart:

    "Klar geht es immer noch darum, wie sortiert man Bücher, aber es geht natürlich darum auch, wie finde ich elektronische Ressourcen, wie bereite ich die auf, und natürlich zählen da auch wirtschaftliche Sachen rein. Eine Bibliothek muss ja von irgendetwas leben. Geld vom Staat gibt es nicht, oder wenig, und das sind sehr interessante Aspekte: Marketing, Werbung, Management, Organisation, Finanzierung, das ist wirklich viel, was da alles eine Rolle spielt."

    Solche Fertigkeiten werden heute projektorientiert vermittelt. Die Studierenden evaluieren beispielsweise die Online-Auskunftsdienste der New York Public Library oder organisieren eine Veranstaltung für Schüler am Literaturmuseum Marbach. Und natürlich spielen IT-Kenntnisse eine wichtige Rolle.

    Der Einsatz von Computern und die zunehmende Digitalisierung der Medien haben die Arbeit in den Bibliotheken beschleunigt. Professor Peter Vodosek, der 16 Jahre Rektor in Stuttgart war, hat diese Entwicklung miterlebt:

    "Es ist uns erst 1981 gelungen eine Professur für Datenverarbeitung einzurichten und damals hatte man noch keinen einzigen Computer und als ich dann ins Ministerium ging und sagte, ja jetzt haben wir den Professor, jetzt brauchen wir auch Computer, da sagte der für uns zuständige Referent, wieso braucht ihr Computer, der kann das doch den Studenten anhand von Overhead Folien erklären, das war noch 1981."

    Heute arbeiten die Studierenden an Arbeitsplätzen mit modernsten Computern. Und so schnell wie dort die Entwicklung weiter geht, ändern sich auch die Bedürfnisse an die Lehre. Kurse über Bibliotheken im Web 2.0 stehen ebenso auf dem Stundenplan wie die Archivierung digitaler Medien oder Qualitätsmanagement in Bibliotheken. Für Prodekanin Professorin Cornelia Vonhof bedeutet dies:

    "Dass man permanent das Ohr auch an der Praxis haben muss, was entwickelt sich, wie kann man das einbinden, und wie kann man sicherstellen, dass die Studierenden, die hier aus dem Haus gehen, dann eben diesen kleinen Schritt vorne weg sind. Ich versuche genau hinzugucken, was in der Praxis passiert, was lässt sich aus anderen Branchen in die Bibliothek übertragen, zum Beispiel das Thema Kundenbindung und damit ist man dann genau an dem Punkt dran, dass man sich permanent weiter entwickelt."