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Vom Horn zum Blech
Wie aus dem Schofar die Posaune wurde

Juden und Christen gehören zusammen - und haben sich doch irgendwann auseinandergelebt. Wie ein zerstrittenes Geschwisterpaar. Selbst an Musikinstrumenten lässt sich das ablesen. Schofar und Posaune tönen sehr unterschiedlich - und doch sind sie verwandt.

Von Tobias Kühn |
Ein Engel bläst eine Posaune
Wenn Engel musizieren, dann zumeist mit Blechblasinstrumenten (imago stock&people / Panthermedia / Leander)
"Protestantismus ohne Posaunen – das wäre wie Weihnachten ohne Gänsebraten."
Jörg-Michael Schlegel, Landesposaunenwart, Leipzig
"Rosch Haschana ohne Schofartöne wäre wie ein Butterbrot ohne Brot."
Elijahu Tarantul, Rabbiner, Nürnberg
"Ein Schofar ist so naturbelassen wie möglich"
Am jüdischen Neujahrsfest Rosch Haschana und in den vier Wochen zuvor wird in den Synagogen auf der ganzen Welt das Schofarhorn geblasen. Auch am Ende des Versöhnungstages Jom Kippur ertönt sein Klang. Elijahu Tarantul sagt:
"Ein Schofar ist ein Musikinstrument aus der uralten Zeit. Es ist ein Widderhorn mit einem Hohlraum innen. Es ist so naturbelassen wie möglich. Es gibt kleine und große Schofaroth. Hier, in Zentral- und Westeuropa, ist es üblich, kleine Schofaroth zu bauen. Unter orientalischen Juden ist es eine Tradition, lange, fast einen Meter lange Schofaroth herzustellen."
Wie ihre Nachbarn im Vorderen Orient waren die Israeliten ursprünglich Nomaden. Aus den Hörnern ihrer Tiere bauten sie Musikinstrumente: sogenannte Schofaroth. Melodien konnten sie darauf nicht spielen. Aber die Instrumente waren gut geeignet, um Menschen zusammenzurufen oder um Alarm zu schlagen. Schon früh diente der Schofar auch zu kultischen Zwecken. Die Thora berichtet, er sei bei religiösen Anlässen gespielt worden: etwa, wenn die Priester bei Prozessionen neben der Bundeslade herzogen. In der Bundeslade sollen die Gesetzestafeln gelegen haben, die Mose laut biblischer Überlieferung am Berg Sinai von Gott erhalten hatte.
Lob statt Warnung
In den meisten deutschen Bibelübersetzungen ist allerdings nicht vom Schofar die Rede oder von einem Widderhorn, sondern von Posaunen. Der Grund dafür: Martin Luther übersetzte vor 500 Jahren das hebräische "Schofar" mit dem deutschen "Posaune" und in einigen Fällen auch mit "Trompete". Nicht nur Luther, auch viele andere Bibelübersetzer wählten für "Schofar" ein zu ihrer Zeit gebräuchliches Blasinstrument mit einem besonders lauten Ton. Sie wollten das biblische Geschehen für ihre Zeitgenossen sinnlich erlebbar machen.
Im Judentum soll der Klang des Schofars den Menschen wachrütteln – bis heute. Der Klang des Schofars an Rosch Haschana ermuntert den Menschen, achtsam zu leben und religiös-moralisch Bilanz zu ziehen. Der Mensch soll darüber nachdenken, wie er sich im zu Ende gehenden Jahr verhalten hat, sagt der Nürnberger Rabbiner Elijahu Tarantul.
"Der Tag des Gerichts kommt, man soll aufwachen und versuchen, das Urteil des Gerichts zum Positiven zu beeinflussen."
Martin Luther (1483-1546)
Der Aufstieg der Posaune im Christentum geht maßgeblich auf Martin Luthers Bibelübersetzung zurück (Cranach)
Ganz anders als beim Schofar im Judentum verhält es sich mit der Posaune im Christentum. Ihre liturgische Funktion unterscheidet sich vollkommen von der des Schofars. An die Stelle des Mahnenden tritt das Lob Gottes. So wie es in Martin Luthers Übersetzung von Psalm 150 heißt:
"Lobet Gott in seinem Heiligtum! Lobet ihn mit Posaunen!"
Schrill und archaisch
Im hebräischen Originaltext ist nicht von Posaunen die Rede, sondern vom Schofar. Dass Luther das hebräische Wort nicht mit "Widderhorn", sondern mit "Posaune" übersetzte, hatte weitreichende Folgen für die Entwicklung der Kirchenmusik. So entstanden seit dem 18. Jahrhundert in den protestantischen Kirchen Posaunenchöre, kleine Gruppen von Blechbläsern. Aus den protestantischen Gemeinden in Deutschland sind sie heute nicht mehr wegzudenken. Posaunenchöre zählen inzwischen sogar zum Immateriellen Kulturerbe der UNESCO. Sie gestalten die Gottesdienste musikalisch und spielen auch außerhalb der Kirchen auf öffentlichen Plätzen. Das Repertoire ist groß, sagt der Leipziger Posaunenwart Jörg-Michael Schlegel:
"Die Visitenkarte der Posaunenchöre ist der Choral, aber auch geistliche Volkslieder. Überhaupt gehören Volkslieder schon immer zum Repertoire der Posaunenchöre. Und mittlerweile wird eigentlich alles gespielt. Je nach Situation kann man auch einen Gospel oder einen Filmhit spielen oder Marsch- und Blasmusik machen."
Anders als die Posaune eignet sich der Schofar nicht zum Musizieren, sagt der Nürnberger Rabbiner Elijahu Tarantul. Er beschreibt den Ton des Widderhorns so:
"Schrill, durchdringend, archaisch, von der musikalischen Seite her gesehen wahrscheinlich auch primitiv, nicht zur Unterhaltung und nicht zum Genuss bestimmt, sondern zum Wachrütteln."
Manchmal ist das Rütteln so stark, dass sogar Steine vom Ton erweicht werden. Die berühmten "Posaunen von Jericho" sollen die Mauern der alten kanaanitischen Stadt zum Einsturz gebracht haben. Es waren aber keine Posaunen. Auch hier ist im Originaltext von Schofarhörnern die Rede. Die Posaunen von Jericho sind also ebenfalls Luthers Übersetzung zu verdanken - der Einsturz der Mauer hingegen Widderhörnern. Im hebräischen Original berichtet die Bibel davon, wie Gott zu Josua, dem Heerführer der Israeliten, spricht:
"Siehe da, ich habe Jericho samt seinem König und seinen Kriegsleuten in deine Hände gegeben. Lass alle Kriegsmänner rings um die Stadt her gehen einmal, und tue das sechs Tage so. Und lass sieben Priester sieben Schofarhörner tragen vor der Lade her, und am siebten Tag geht siebenmal um die Stadt, und lass die Priester die Schofarhörner blasen. Und wenn man dann das Schofarhorn bläst, so soll das ganze Volk ein großes Kriegsgeschrei machen. Dann werden die Mauern der Stadt einfallen, und das Volk soll hineinsteigen."
"Die Posaune ist ein Menschenwerk"
Im alten Israel gab es zahlreiche Instrumente, mit denen man – anders als mit dem Schofar – tatsächlich Musik machen konnte. So erzählt die Bibel im 1. Buch der Chronik davon, wie König David nach Jerusalem einzieht:
"Und David zog hinauf mit ganz Israel. Und sie spielten vor Gott aus ganzer Macht mit Liedern, mit Harfen, mit Psaltern, mit Pauken, mit Zimbeln und mit Trompeten."
Die Bibel kennt neben dem Schofar also auch Trompeten. Sie unterscheiden sich grundlegend von heutigen Trompeten. Es waren kurze Blasinstrumente mit Schalltrichter. Sie wurden aus Holz, aber auch aus getriebenem Bronze- oder Silberblech gefertigt. Die Israeliten nannten die Trompete "Chazozera". Auf Deutsch bedeutet dies so viel wie "die Zusammenruferin". Nachdem diese Trompete in den Tempelkult eingeführt worden war, übernahm sie viele Funktionen des weitaus älteren Schofars. Von all den Instrumenten, die im alten Israel bei kultischen Zeremonien gespielt wurden, erklingt seit der Tempelzerstörung vor bald 2000 Jahren nur noch der Schofar. Rabbiner Elijahu Tarantul betont, dass der Klang des Schofars ganz anders ist als der einer Trompete oder Posaune.
"Posaune ist ein Menschenwerk, ein Instrument, das von der Herstellung viel mehr beeinflusst ist als ein Schofar. Ein Schofar ist so weit wie möglich naturbelassen. Die Posaune, die aus dem Metall entsteht, hat eine längere Technologiekette hinter sich. Die Posaune befindet sich weiter entfernt von der ursprünglichen Schöpfung als ein Schofar."
Ein ultra-orthodoxer Jude spielt am 27.12.2000 bei einer Demonstration vor der Klagemauer in Alt-Jerusalem auf einer Schofar, einem traditionellen jüdischen Horn.
Das Schofarhorn hat einen festen Platz im Judentum (AFP)
In vielen biblischen Geschichten wird immer dann Schofar geblasen, wenn man aufhorchen soll, weil etwas Wichtiges passiert. So schreibt der biblische Prophet Jesaja:
"Alle Bewohner des Erdkreises und die ihr auf Erden wohnt: Wenn ein Kriegsbanner auf den Bergen aufgepflanzt wird, so seht hin, und wenn man den Schofar bläst, so horcht auf!"
Dass durch Luthers Übersetzung aus dem Schofar eine Posaune wurde, schlägt sich auch in der europäischen Orchestermusik nieder. Die Funktion, die in der biblischen Antike der Schofar hatte – nämlich anzukündigen, dass jetzt etwas Wichtiges geschieht –, übernahm hier die Posaune. Viele Komponisten des 19. Jahrhunderts wie Anton Bruckner, Richard Wagner oder Felix Mendelssohn Bartholdy neigten dazu, Posaunen einzusetzen, wenn in ihren Stücken etwas Wesentliches passiert, oder etwas Religiöses, Mystisches.
Vom Berg Moria nach Herrnhut
Die meisten Schofaroth werden aus einem Widderhorn hergestellt, manche auch aus dem Horn einer Antilope. Doch eigentlich kann das Horn eines jeden koscheren Tieres verwendet werden. Mit einer Ausnahme: Das Horn eines Rindes ist verboten – denn es erinnert an die biblische Geschichte vom Goldenen Kalb. Schofaroth aus dem Horn des Widders haben einen hohen Symbolgehalt. Sie erinnern an eine der bekanntesten antiken Erzählungen. Die Bibel berichtet im 1. Buch Mose davon, wie Abraham auf den Berg Moria hinaufsteigt. Er soll dort, auf Befehl Gottes, seinen Sohn Isaak opfern. Doch im letzten Moment nimmt die Geschichte eine unerwartete Wendung:
"Da rief der Engel des Herrn vom Himmel zu Abraham: ‚Lege deine Hand nicht an den Knaben und tue ihm nichts; denn nun weiß ich, dass du Gott fürchtest und hast deinen einzigen Sohn nicht verschont.‘ Da hob Abraham die Augen und sah, dass sich hinter ihm ein Widder mit seinen Hörnern in einer Hecke verfangen hatte. Abraham ging hin und nahm den Widder und opferte ihn als Brandopfer an seines Sohnes statt."
Ein Ölgemälde zeigt die Opferung Isaaks, im Hintergrund ist ein Widder zu sehen
Der Widder spielt in der Geschichte von Abraham und Isaak eine besondere Rolle (imago / Le Pictorium)
Es ist ein weiter Weg vom Widder in der biblischen Geschichte auf dem Berg Moria über Luthers Bibelübersetzung bis hin zu den heutigen protestantischen Posaunenchören. Einer der ersten Posaunenchöre entstand im 18. Jahrhundert in dem kleinen Ort Herrnhut in der Oberlausitz. Dort hatten sich protestantische Flüchtlinge aus Böhmen niedergelassen: die sogenannten Böhmischen Brüder. Beeinflusst vom Pietismus wollten sie die Ideen Martin Luthers mit neuem Leben füllen und vor allem den Alltag heiligen. Dies taten sie mit viel Musik: Jeden Abend versammelten sie sich und sangen gemeinsam Choräle. Einige Flüchtlinge hatten ihre Waldhörner aus Böhmen mitgebracht, und bald schaffte man auch ein paar Posaunen an. In seinem Lebenslauf erinnert sich ein Mann namens David Hans, wie er an einem Sommerabend 1731 nach der Singstunde in Herrnhut eintraf:
"Da eben in diesen Tagen die Gemeinde ihre ersten Posaunen bekommen hatte, so bewillkommten sie uns mit denselben, und die Brüder sangen das Lied dazu: ‚Wie schön ist unsers Königs Braut‘, welches mich so einnahm, dass ich glaubte, ich wäre nicht mehr auf dieser Welt und wusste mich vor Weinen nicht zu lassen."
Bald war der Posaunenchor zu einer festen Einrichtung in Herrnhut geworden. Dass Blasinstrumente, und allen voran der Schofar, bereits bei den Israeliten diese Funktion hatten, war den bibeltreuen Herrnhutern durchaus bewusst. Die Herrnhuter erkannten rasch, dass sie durch ihre berührende Musik Menschen aus der Umgebung anlocken und für ihre Lebensweise gewinnen konnten. Und so setzten sie die Blasmusik ganz gezielt zum Missionieren ein.
"Denn posaunen wird es..."
In den jüdischen Gemeinden wurde, wie in den Jahrhunderten zuvor und danach, auch in dieser Zeit weiterhin jedes Jahr an Rosch Haschana und Jom Kippur Schofar geblasen. Wichtiger jedoch als das Blasen ist das Hören des Schofars. Es ist eine religiöse Pflicht, eine Mitzwa, den Klang zu hören. Er ist Weckruf, Klage und Verheißung. Der mittelalterliche jüdische Gelehrte Sa‘adja Ben Josef schreibt:
"Der Klang des Schofars erinnert an die Erschaffung der Welt. Er soll den Menschen berühren und ihn dazu bewegen, seine Verfehlungen zu bereuen. Zudem erinnert der Klang an die Zerstörung des Jerusalemer Tempels und an den Tag des Gerichts."
Außerdem heißt es, der Schall eines Schofars werde das Kommen des Messias ankündigen. Damit verbunden ist auch die Hoffnung, dass eines Tages alle Toten auferstehen. Auch im christlichen Neuen Testament ist im Zusammenhang mit der Auferstehung der Toten von der "letzten Posaune" die Rede. Der Apostel Paulus schreibt im 1. Brief an die Korinther:
"Siehe, ich sage euch ein Geheimnis: Wir werden zwar nicht alle entschlafen, wir werden aber alle verwandelt werden, in einem Nu, in einem Augenblick, bei der letzten Posaune. Denn posaunen wird es, und die Toten werden auferweckt unverweslich, und wir werden verwandelt."
"Mission ist eigentlich ein ganz positiver Begriff"
Im 19. Jahrhundert war vor allem die christliche Erweckungsbewegung der geistige Nährboden für die protestantischen Posaunenchöre. Damals hatten sich viele Menschen durch die Industrialisierung von den Kirchen entfernt. Einige Pfarrer regten an, diese Menschen wieder an die Kirchgemeinden heranzuführen, vor allem die jungen Männer. So entstand die Idee, Posaunenchöre zu gründen. Die jungen Männer sollten auf öffentlichen Plätzen spielen und würden durch ihre Musik weitere Menschen zurück in die Kirchen holen. So die Hoffnung.
Heute sind die Posaunenchöre eine Art Massenbewegung. Christliche Bläser aus ganz Deutschland treffen sich zu Großveranstaltungen. Die letzten beiden waren die Deutschen Evangelischen Posaunentage 2008 in Leipzig und 2016 in Dresden. Der Posaunenwart Jörg-Michael Schlegel hat sie federführend mitorganisiert. Man spielte in Kirchen, auf Bühnen, Marktplätzen und in Parks. Beim Abschlussgottesdienst 2008 in Leipzig formierte sich gar ein Posaunenchor von 16.000 Bläsern. Er wurde ins Guinness-Buch der Rekorde eingetragen als das weltweit größte Blechbläserensemble. Bis heute ist es eine zentrale Aufgabe der Posaunenchöre, den Menschen die christliche Botschaft nahezubringen, sie zu missionieren. Deshalb heißt auch heute noch mancher Verband, in dem die Posaunenchöre auf Landesebene organisiert sind, "Posaunenmission". So zum Beispiel in Sachsen.
"Mission ist natürlich ein problematischer Begriff, weil man sehr viel Negatives mit Mission in Verbindung bringt. Aber eigentlich ist das ein ganz positiver Begriff. Wir würden, wenn wir uns 'Posaunendachverband' nennen würden, etwas aufgeben. Deshalb ist der Begriff Mission auch richtig an der Stelle."
Ein Posaunenchor posiert in dem Ortsteil Barkow.
Posaunenchöre zählen zum Immateriellen Weltkulturerbe (dpa / picture alliance / Winfried Wagner)
Schaut man sich die bunt gemischte Besetzung von Posaunenchören an – vom Flügelhorn bis zur Tuba –, so verwundert es, dass die Bläserensembles nach der Posaune benannt sind. In etlichen Posaunenchören sind überhaupt keine Posaunen vertreten. Doch der hohe Symbolgehalt der biblischen Posaune – die doch eigentlich ein Widderhorn war – gab den Bläsergruppen diesen Namen.
"Diese Begrifflichkeit kommt vor allem aus der Bibelübersetzung. Aber von vornherein war im 19. Jahrhundert eigentlich die Posaune als Instrument tatsächlich nur geduldet. Viel beliebter war es damals, Horninstrumente zu benutzen. Die ganze Bügelhorn- und Tubafamilie ist ja auch erst im 19. Jahrhundert entstanden. Und diese Mischung – ein weicher Ton, der so ein bisschen an die Vokalstimme erinnert und trotzdem leicht zu spielen und zu erlernen ist – das waren die Instrumente der Wahl."
Schofar und Shoah
Gemeint sind die sogenannten Flügelhörner oder auch Kuhlo-Hörner. Sie sind nach Johannes Kuhlo benannt, dem Urvater der Posaunenchorbewegung.Johannes Kuhlo war Pfarrer in den Bethelschen Anstalten bei Bielefeld. Von dort aus förderte er ab Ende des 19. Jahrhunderts den Aufbau der Posaunenarbeit in ganz Deutschland. Bis heute genießt Kuhlo großes Ansehen in der Posaunenchorbewegung. Doch was viele nicht wissen – oder nicht wissen wollen: Johannes Kuhlo war ein fanatischer Anhänger Hitlers und ein glühender Antisemit. Seinen tiefen Judenhass begründete er mit der Bibel. So schreibt er an einen Pfarrerkollegen:
"Die Juden müssen die Wahrheit der Bibel erleben, die schon vor über 2000 Jahren vorausgesagt hat, dass sie zur Strafe für ihren Abfall von Gott unter alle Völker zerstreut werden sollen und jedem Volk, da sie hinkommen, ein Fluch seien, ja ein Scheusal! Wie genau doch alle Aussagen der Bibel sich erfüllen! Gott schütze unsern geliebten Führer!"
1933 wird Johannes Kuhlo "Reichsposaunenführer". Er nimmt eine Posaunenchorfassung des Horst-Wessel-Lieds in seine Notensammlungen auf, und so mancher Posaunenchor beendet seine Proben von nun an mit: "Sieg Heil!" Der braune Schatten über der Geschichte der Posaunenchorbewegung ist bis heute nicht aufgearbeitet – sondern vielmehr in Vergessenheit geraten. Viele Juden aber können und wollen nicht vergessen, was damals geschah. Bis heute ertönt jedes Jahr beim Marsch der Lebenden in Auschwitz der Ton des Schofars. Und in Israel ertönt am jährlichen Holocaustgedenktag zwei Minuten lang eine Sirene. Elijahu Tarantul sagt:
"Schofar ist eine Sirene, ist ein Alarmzeichen. Es ist eine Warnung gegen das Vergessen. Es ist ein Signal der Erinnerung, um Menschen wachzurütteln."
Der Schofar und die Posaune – sie tragen in vielen Übersetzungen der Bibel zwar denselben Namen, doch sie klingen nicht nur grundverschieden. Sie unterscheiden sich auch stark in ihrer religiösen Bedeutung. Fast wirkt es, als würde der jüdische Schofar mit seinem Ruf warnen wollen vor der triumphierenden christlichen Posaune.