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Vom Klärschlamm zur wertvollen Energiequelle

Umwelt. - Millionen Tonnen Industrieschlämme fallen alljährlich in Deutschland an. Bislang werden sie deponiert. Doch damit soll es in zwei Jahren vorbei sein, denn ab 2005 dürfen derartige Reste nur noch in Ausnahmefällen auf der Deponie landen. Ein neues Verfahren, um Industrieschlämme aufzuarbeiten und aus ihnen neue Rohstoffe zu gewinnen, wird auf der heute in Leipzig beginnenden Umweltmesse TerraTec präsentiert.

11.03.2003
    Von Hartmut Schade

    Unaufhörlich rutscht über einen Trichter eine schwärzliche, übelriechende zähflüssige Masse in den Reaktor: Industrieschlamm sagt Professor Hans Lutze vom Entsorgungsdienstes Chemnitz und listet auf:

    Da sind Industrieschlämme mit Mineralölen wie z. b. Walz- und Schmiedezunder, Schlämme aus der Erdölexploration. Das sind komplexe organische Komponenten, etwa mineralölhaltige Schleifabfälle, Abfälle aus Recycling, Papierabfälle, De-Inkingschlämme, Zelluloseschlämme.

    Gemeinsam mit dem Anlagenbauer BAMO und der Technischen Universität Chemnitz entwickelte Hans Lutze ein Verfahren, bei dem Schlamm die Basis für neue Produkte bildet. Dabei durchlaufen alle Industrieschlämme den im Grundsatz gleichen Prozess: sie werden destilliert. Im Inneren des Reaktor befindet sich ein 12 Meter langes Rohr. In diesem werden die Abfälle auf Temperaturen von rund 1200 Grad Celsius erhitzt. Das im Schlamm enthaltene Wasser verdunstet, ebenso die Öle erklärt Maximilian Bauknecht der Geschäftsführer des Anlagenbauers BAMO.

    Wir saugen dann mit leichtem Unterdruck die entstehenden Gase ab, kühlen sie zurück und nutzen dann die leichtflüchtigen Gase, die in jedem Öl enthalten sind, die sich nicht mehr zurückkondensieren lassen, als Energieträger. Der Vorteil der Anlage liegt in der hervorragenden Energieausbeute. Wir fahren den Reaktor nur einmal mit Primärgas auf Betriebstemperatur und sobald der Prozess einmal in Gang ist, trägt sich das System nur aus den rückgeführten leicht verbrennbaren Gasen komplett selber.

    Doch nicht nur die Gase werden in den Brennkammer zurückgeleitet. Das gleiche können die Chemnitzer mit dem getrockneten Schlamm machen. Papier-, Zellulose- oder Klärschlamm haben den gleichen Brennwert wie Rohbraunkohle. Bauknecht:

    Wir haben hier - wenn wir ihn trocknen- den Zelluloseschlamm. Ein wunderbarer Brennstoff, den man in Kraftwerken verbrennen kann. Gleichzeitig ist es eine Philosophie von uns zu sagen, wie kann man das nutzen als Sekundärenergie für die Anlage. Wir machen das mit einer Einblassteuerung anstelle des Brenners. Und zweigen hier einen Teil des Prozessgutes ab und heizen so die Anlage.

    Rund die Hälfte der benötigten Energie gewinnen die Chemnitzer auf diesem Wege. Doch der getrocknete Schlamm soll künftig nicht nur für Wärme und Strom sorgen. Er ist auch die Basis für Rohstoffe. Bauknecht:

    Aus behandelten Schleifschlamm kann ein Zuschlagstoff für Buntguss entstehen. Walz- und Schmiedezunder kann im Hochofen wieder verwendet werden. Es können Chemikalien entnommen werden. Wir können Schleifmittel damit erzeugen, Oxydationsmittel und Abrasivstoffe für Wasserstrahlschneiden.

    Bisher werden teure Sande dem Wasser beim Wasserstrahlschneiden zugesetzt. Jetzt wird dafür der wiedergewonnene Schmiedezunder genommen. Was die Kosten extrem senkt. Sand kostet 500 Euro pro Tonne, Schmiedezunder lediglich 25. Doch nicht nur da zeigt sich das Chemnitzer Verfahren konkurrenzfähig. Bauknecht:

    Also gegenüber Alternativverfahren wie z. B Kontakttrocknen, Verbrennen mit Teilverbrennen des Öls oder Waschen mit lipophilen Lösungsmittel haben wir bei den Maschinenkosten die Kosten um das 5- bis 6fache und die Behandlungskosten pro Tonne um das 3- bis 5fache niedriger.

    Nach dem erfolgreichen Testlauf mit einer kleinen Anlage bauen die Chemnitzer derzeit einen Reaktor, der pro Stunde aus zwölf Tonnen Schlamm neue Rohstoffe gewinnt.