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Vom Knacksen der Mittelwelle zum digitalen Download

Am 24. Oktober 1924 begann die deutsche Hörspielgeschichte, und zwar mit der Ursendung von Hans Fleschs Stück "Zauberei auf dem Sender". Lange Zeit schien sie im Jahr 1978 zu enden - zumindest auf dem Papier. Denn Stefan Bodo Würffels in diesem Jahr veröffentlichtes Buch "Das deutsche Hörspiel" blieb für lange Zeit der letzte Versuch, die Geschichte der Radiokunst zu erzählen. Erst im Jahr 2003 brach der Medienwissenschaftler Hans-Jürgen Krug das lange Schweigen, und verfasste seine "Kleine Geschichte des Hörspiels". Mittlerweile ist in der UVK Verlagsgesellschaft eine ergänzte Neuauflage erschienen.

Von Frank Olbert | 12.07.2008
    Frank Olbert: Herr Krug, wie kam es zu diesem Buch?
    Hans-Jürgen Krug: Alle redeten Anfang des neuen Jahrtausends von einem Hörspielboom. Aber wenn man sich angeschaut hat, was an Literatur zur Geschichte des Hörspiels existierte, dann hat man festgestellt: Die Diskussion über das Hörspiel hat spätestens in den Siebziger Jahren aufgehört. Wenn man sich über das Hörspiel informieren wollte, traf man auf Positionen, die zu Zeiten des Neuen Hörspiels entstanden sind. Die Medienlandschaft hat sich verändert. Das Hörspiel hat sich verändert, aber der Diskurs über das Hörspiel ist Mitte der Siebziger Jahre stehen geblieben.
    Olbert: Wie kommt das, dass sich diese Entwicklung so weitgehend theorielos abgespielt hat?
    Krug: Das Hörspiel ist lange Jahre von der Literaturwissenschaft begutachtet worden. Die Literaturwissenschaft hat sich für Texte interessiert. Die Hörspielkonzeption der Sechziger Jahre hat sehr dicht bei der Literatur gestanden. Ein ganz zentraler Ansatzpunkt war, das Hörspiel literaturfähig zu machen.
    Olbert: Wo haben Sie dann angesetzt?
    Krug: Ich habe mit der These angesetzt, dass Hörspiel heutzutage eine akustische Kunst ist. Hörspiele werden zwar zunächst meist geschrieben, aber ein wirkliches Hörspiel wird es erst dann, wenn es produziert worden ist.
    Olbert: Zu welchen Erkenntnissen sind Sie dabei gekommen?
    Krug: Die Perspektive auf die Geschichte des Hörspiels verändert sich natürlich, wenn man diese akustische Schiene stärker berücksichtigt. Man sieht, dass es wichtig ist, die Hörspiele, die beispielsweise in der Weimarer Republik entstanden sind, nicht nur unter dem Aspekt des Textes zu betrachten, sondern unter dem Aspekt, wie sie produziert und wie sie verbreitet worden sind. Ein Hörspiel, das in dieser Zeit entstanden ist, wurde über Mittelwelle ausgestrahlt. Das hatte Konsequenzen für die Art, wie die Hörspiele gesprochen wurden. Man musste quasi gegen die Technik ansprechen, um zum Hörer zu kommen.
    Olbert: Deshalb dieses Deklamatorische?
    Krug: Genau. Und das hat sich natürlich im Verlauf der Jahre geändert, als sich die Technik geändert hat. Solche Fragestellungen sind der bisherigen, literaturwissenschaftlichen Betrachtungsweise des Hörspiels zumeist entgangen.
    Olbert: Sie haben Ihre "Kleine Geschichte des Hörspiels" aktualisiert. Was hat denn die Aktualisierung notwendig gemacht?
    Krug: Die neueste Entwicklung, die das Hörspiel verändert hat und weiterhin verändert, ist die Digitalisierung. Einer ihrer Effekte ist, dass heute jeder sein eigener Produzent werden kann. Dadurch ist neben dem öffentlich-rechtlichen Hörspielangebot eine sogenannte "freie" Hörspielszene entstanden. Die Digitalisierung hat auch dazu geführt, dass ein Hörbuchmarkt entstanden ist, auf dem Hörspiele auch eine gewisse Rolle spielen. Die digitale Machbarkeit von Hörspielen hat auch die Ästhetik verändert. Schon seit den Neunziger Jahren ist der Hintergrund entschieden wichtiger geworden, sodass man heutzutage Hörspiele mit Konzertmusik und 50 Spuren hören kann, was in der Vergangenheit nicht möglich war.
    Schließlich hat die Digitalisierung dazu geführt, dass ein fertiges Hörspiel umgehend ins Internet gestellt werden kann. Damit fallen die regionalen Begrenzungen wegfallen, die es vorher durch die Ausstrahlung über UKW gab.
    Die "Kleine Geschichte des Hörspiels" von Hans-Jürgen Krug ist bei der UVK Verlagsgesellschaft erschienen.