Rheinland-Pfalz hat die Westwall-Ruinen vom Bund übernommen. Aus Bunkerresten wurden längst Biotope, so Eva-Maria Altena, Projektleiterin "Grüner Wall im Westen" beim Bund für Umwelt und Naturschutz, kurz BUND. "Wir haben sehr viele Moosarten, Flechten, Farne, die den Beton direkt bewohnen, und wir haben natürlich auch Betonhöhlen und Spalten, in denen kleine Säugetiere, Amphibien, Reptilien – alles mögliche unterkommen kann."
Um aus den Biotop-Inseln einen Verbund zu entwickeln, richtete das Mainzer Umweltministerium eine Stiftung ein. "Grüner Wall im Westen" heißt sie - und: "Mahnmal ehemaliger Westwall". Die grüne Umweltministerin Ulrike Höfken erläutert den Doppelnamen. "Nach 60, 70 Jahren sehen wir jetzt die Wildkatze, die Fledermäuse, die sich in diesen Ruinen angesiedelt haben. Aber wir wollen diesen Ort nicht nur als Naturschutzlinie, als Biotopverbund entwickeln, sondern wir wollen es schon mit der Erinnerung verbinden und eben als Mahnmal für den Frieden."
Naturschutzverständnis in der NS-Zeit
Die Ressortchefin gab eine Studie zum Naturschutz in der NS-Zeit in Auftrag. Der Einsatz von acht Millionen Tonnen Zement, einer Million Tonnen Eisen und Millionen von Kubikmetern Kies und Sand an der Westgrenze des Deutschen Reichs zerstörte zunächst mal Natur und Kulturlandschaft. Aber da seit 1935 das Reichsnaturschutzgesetz galt, rief ein solcher Eingriff den behördlichen Naturschutz und die privaten Verbände auf den Plan. Nils Franke vom Wissenschaftlichen Büro Leipzig hat die Studie zum "Naturschutz bei Planung und Bau des Westwalls" erarbeitet. "Es ging um Landschaftsschutz, da hatte man eine Vorstellung von dieser germanischen Wehrlandschaft, die man da anstrebte. Es ging durchaus teilweise um Artenschutz, das ist keine Frage. Naturschutz ist bis vor 1970 eigentlich nicht das, was man heute darunter versteht. Es ist eher ein ästhetischer, landschaftlicher Zugang. Heimat spielt eine große Rolle."
Und beim Westwall ging es auch um die Tarnung durch das Pflanzen sorgfältig ausgesuchter Arten, die man als "bodenständig" und "deutsch" betrachtete. Keine Robinien also, sondern Buche, Liguster und Waldbrombeere auf trockenen Böden. Erle, Schneeball und Wilder Hopfen auf feuchten, das entnimmt Nils Franke den Pflanzlisten. Der Bau des Bollwerks in einer bis zu 70 Kilometer breiten Zone war mit Enteignungen und Umsiedlung verbunden.
"Und da haben sich diese Landschaftsplaner Gedanken gemacht: Ja, und wenn wir Zugriff auf so viel Land haben, dann gestalten wir das doch gesamt und versuchen unsere Vorstellungen, die im Grunde eine 'Blut- und Boden'-Vorstellung war, im gesamten Raum umzusetzen. Und das sind die zwei Bereiche: das eine militärische Grüntarnung. Das Zweite: Experimentierfeld, um eigene Vorstellungen einer 'gesunden Landschaft' umzusetzen."
"Landschaftsanwälte" hießen die Planer, die im Dienst der paramilitärischen Organisation Todt das Bollwerk systematisch begrünten. Dass dabei auch Zwangsarbeiter eingesetzt wurden, hält Nils Franke mit Blick auf entsprechende Anfragen ans SS-Sonderlager Hinzert für wahrscheinlich. Die "Landschaftsanwälte" nutzten den Westwall als Sprungbrett für die Zusammenarbeit mit der Wehrmacht und der SS, hält der Historiker fest. Die Spur dieser Kooperation ziehe sich bis zum Vernichtungslager Auschwitz mit dem Grüngürtel um die Krematorien. Nach dem Krieg machten einige der "Landschaftsanwälte" als Hochschulprofessoren und in der Vorläuferorganisation des Bundesamtes für Naturschutz Karriere.