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Vom Saulus zum Paulus?

Victor Conte hat über sein Analyse-Labor BALCO jahrelang US-Topathleten mit Steroiden versorgt. Jetzt will er mit einer eigenen Anti-Doping-Agentur gegen Doping im Profiboxen vorgehen. Der Name seiner Organisation: VADA.

Von Jürgen Kalwa | 25.06.2011
    Wenn sich Gerichte in Amerika mit Doping beschäftigen, geht es neuerdings immer wieder um sehr viel Geld. Das liegt daran, dass man in den USA Schadensersatz in Millionenhöhe erstreiten kann. Wenn auch nicht jeder Versuch Erfolg hat. So wie im Fall des Profiboxers Shane Mosley, der eine Klage über 12 Millionen Dollar einreichte, um sich gegen den Verdacht zu wehren, er habe sich auf dem Höhepunkt seiner Karriere gedopt. Der gegnerische Anwalt brauchte nicht lange, um die Wahrheit herauszufinden.

    Anwalt Tom Harvey:
    "”In December of 2003, did you know you were taking EPO, yes or no?”"

    Shane Mosley:
    ""Yes.”"

    Ja, gab Mosley unter Eid zu, er habe EPO genommen. Wissentlich sogar. Genauso wie solche leistungssteigernden Produkte wie das anabole Steroid THG. Mosley zog die Klage vor ein paar Monaten in aller Stille zurück.

    Der Mann, den er mit Hilfe eines Winkeladvokaten einschüchtern wollte, ist übrigens keine unbescholtene Figur. Er heißt Victor Conte und war einst der Drogen-Lieferant einer ganzen Kompanie von Spitzensportlern. Conte war der Inhaber von BALCO, einer Firma in San Francisco, mit der der Name des größten amerikanischen Dopingskandals verbunden ist.

    Seitdem hat sich Conte überlegt, wie er mit seiner Serie von legalen Produkten – sogenannte Nahrungsergänzungsmittel – besser ins Geschäft kommt. Und dabei ist er auf die Idee verfallen, sich in Mosleys Milieu, dem amerikanischen Profiboxen, zu tummeln. Das Gewerbe ist ein einziges unübersichtliches Chaos aus zahllosen sogenannten Welt-Verbänden. Eine Branche, in der Ringrichter bestochen werden und korrupte Promoter und Verbandspräsidenten das Sagen haben.

    In diesem Sumpf will dieser Victor Conte ebenfalls zum Zuge kommen, und zwar als Doping-Experte, der eigenen Angaben zufolge alle Tricks und Schliche kennt. Ein Saulus der Sportwelt, der knapp zehn Jahre später zum Paulus wurde?

    Sein Projekt hat einen kuriosen Namen: Es nennt sich Voluntary Anti-Doping-Agency oder kurz VADA – mit V –, was so ähnlich klingt wie die Abkürzung für die Instanz, die sich weltweit um die Einhaltung der Dopingregeln kümmert: Die World Anti-Doping Agency oder WADA – mit W.

    Für das Vorhaben hat Conte, inzwischen 60 Jahre alt, ein paar Boxer, eine ehemalige Ringärztin aus Nevada und weitere Figuren aus der Kampfszene ins Boot geholt. Vorbildlich will man sein. Warum? Der BBC sagte Conte in einem Telefoninterview im Januar, was er von der gegenwärtigen Praxis hält:

    ""Die Tests im Boxen sind im Prinzip wertlos. Sie werden angekündigt. Ich nenne sie Intelligenz-Tests. Sie testen vor und nach einem Kampf. Mit einem fahndet man nach leistungsfördernden Substanzen. Aber nicht nach allen, die man ermitteln kann. Bei dem anderen Test geht es um Rauschgift.”"

    Gepfuscht wird offensichtlich überall. Übrigens auch in Contes Kerngeschäft der sogenannten Nahrungsergänzungsmittel. Das sieht man an dem Fall des Football-Profis David Vobora von den St. Louis Rams. Der erhielt vor einer Woche von einem Gericht eine Schadensersatzsumme von sage und schreibe 5,4 Millionen Dollar zugesprochen. Dieses Geld soll der Hersteller eines Sprays bezahlen, der seit mehreren Jahren Spitzenathleten aus dem Collegesport und der NFL damit ködert, sie könnten mit seinen Produkten ihr Leistungsvermögen steigern, ohne mit den Dopingbestimmungen in Konflikt zu kommen. Vobora glaubte der Firma, die angeblich aus dem Geweih neuseeländischer Hirsche ein natürliches insulinartiges Hormon herausdestilliert, flog aber bei einem Dopingtest der NFL auf, wurde gesperrt und ließ den Spray untersuchen. Resultat: Das Produkt enthält ein Testosteron-Derivat, das auf der Verbotsliste steht.

    Firmengründer Mitch Ross mimte den Unschuldigen und verteidigte sich vor den Kameras eines Fernsehsenders – "Fox 6” in Alabama:

    ""Ich habe im Dezember 2009 einen Brief bekommen, wonach er positiv getestet wurde. Ich wusste, dass der Spray keine anabolen Steroide enthielt. Zig Sportler haben ihn benutzt. Bei keinem wurde eine solche Substanz gefunden.”"

    Das Argument klang gut. Mal abgesehen davon, dass Ross kurioserweise darauf verzichtete, sich damit auch vor Gericht zu verteidigen. Dort trat er gar nicht erst an. So erging das Urteil vor einer Woche in Abwesenheit. Es dürfte ihn in den Offenbarungseid treiben und seinem dubiosen Geschäft ein Ende bereiten.