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Vom Strippern und Samenspendern

In "Magic Mike" geht es um einen männlichen Stripper, während es sich in der kanadischen Komödie "Starbuck" um die erwachten Vatergefühle eines Samenspenders dreht. Als dritter Neustart kommt "360" in die Kinos. Ein Film von "City of God"-Regisseur Fernando Meirelles.

Von Jörg Albrecht | 15.08.2012
    Wo ist sie nur hin - diese unbändige Energie, mit der Fernando Meirelles (heute im Corsogespräch) seinen Film "City of God" über Bandenkriege in den Armenvierteln von Rio de Janeiro gedreht hat? Wo ist sie geblieben - diese kunstvolle Dramaturgie, die seine Verfilmung von John le Carrés Roman "Der ewige Gärtner" über dubiose Geschäfte in Afrika ausgezeichnet hat? Nichts davon ist zu sehen in seinem neuen Film "360", einer episodenhaften Erzählung über die Sehnsucht nach Liebe, das Verlangen nach Sex und die Unfähigkeit Beziehungen zu führen. Je abstrakter das Sujet also, desto mehr Probleme hat der brasilianische Filmemacher ganz offensichtlich.

    "Gestern Abend habe ich deine Nachrichten gehört. Du hast einsam geklungen. - Wirklich?
    Irre ich mich?
    Nein.
    Ich habe gleich versucht dich anzurufen. Aber es kam nur deine Mailbox. Ich fand es sehr schön, was du gesagt hast.
    Was habe ich denn gesagt?
    Dass du dir wünschst, ich wäre da. ..."

    Rose und Michael - gespielt werden die Beiden von Rachel Weisz und Jude Law - sind verheiratet, haben eine kleine Tochter. Es hat nicht viel gefehlt und Michael hätte auf der Geschäftsreise, von der er gerade zurückgekehrt ist, Sex mit einer Prostituierten gehabt. Dass Rose eine Affäre mit einem Fotografen hat - davon ahnt Michael nichts.

    Es ist eine der Episoden, die - mehr oder weniger kunstvoll - zur nächsten überleitet. Der Staffelstab wird weitergereicht wie in Schnitzlers "Der Reigen", auf den "360" formal Bezug nimmt. Das Konstrukt dieses Films, dessen Geschichten rund um den Globus führen, ist nicht nur bemüht. Es lässt einen auch vollkommen unberührt. Dass unser Leben aus Begegnungen und Abzweigungen besteht, bei denen man sich nie sicher sein kann, den richtigen Weg gewählt zu haben, ist die Binsenweisheit, die über allem steht. Die Geschichten - immerhin ausgedacht von Peter Morgan, dem Autor des Films "Die Queen" - sind beliebig, die Inszenierung steif und die Darsteller blass. Zum namhaften Ensemble zählen neben Jude Law und Rachel Weisz auch Anthony Hopkins und Moritz Bleibtreu.

    "360" von Fernando Meirelles - enttäuschend!

    "Der Star unserer Show: Mr. Magic Mike! ..."

    So um die 30 ist Magic Mike. Seit Jahren verdient er seinen Lebensunterhalt mit Strippen im Xquisite, einem Klub für Frauen in Tampa, Florida. Und Mike verdient gar nicht mal so schlecht - wie auch die anderen Jungs, mit denen er Abend für Abend vor einer johlenden Menge seine Stripshow abspult.

    " ... Das ist nicht nur strippen. Du erfüllst die wildesten Fantasien von allen, die da sitzen. Du bist der Ehemann, den sie nie hatten. Du bist der Traumprinz, der ihnen nie begegnet ist. Du bist der Traumprinz, der ihnen nie begegnet ist - das Gratis-Fickverhältnis, das sie heute geschenkt kriegen mit dir auf der Bühne. ..."

    Aber es ist auch ein Job mit Verfallsdatum. Mike weiß das nur zu genau und zieht bereits hinter den Kulissen die Strippen für eine Zukunft ohne Strippen. Doch vor dem Ausstieg hat die vor allem auf Komik setzende Geschichte, die übrigens auf persönlichen Erfahrungen von Hauptdarsteller Channing Tatum basiert - vorher hat diese Geschichte noch ein paar Stolperfallen eingebaut, die eher ins dramatische Fach gehören. Steven Soderbergh macht es sich jedoch denkbar einfach. Den Humor generiert er aus dem schlüpfrigen "Chippendales"-Ambiente und das vermeintliche Drama hält er knapp. So gerät der an Handlung und Kleidungsstücken arme Film zu einer leidlich unterhaltsamen Stripteaseshow mit Backstage-Pass.

    "Magic Mike" von Steven Soderbergh - akzeptabel!

    "Ich werde es allein aufziehen.
    Was soll das heißen ...
    Ich möchte ein Kind, aber ich möchte keinen Vater, der verschwindet, weil er gerade zu beschäftigt ist ...
    Du bist doch völlig neben der Spur. ..."

    80.000 Dollar Schulden und eine Freundin, die ein Kind von ihm erwartet, aber nichts mehr mit ihm zu tun haben will. Und jetzt holt den 42-jährigen David auch noch seine Vergangenheit ein. Zwischen 1988 und 1990 hatte er regelmäßig in einer Klinik Sperma gespendet, um seine Einkünfte aufzubessern. Er sei der Erzeuger von 533 Kindern, lässt ihn ein Anwalt wissen, der 142 von ihnen rechtlich vertritt. Sie alle haben eine Sammelklage angestrengt, um die Identität des Mannes zu erfahren, der sich damals Starbuck genannt hat. Davids anfängliche Panik schlägt in Neugierde um. Ohne sich zu erkennen zu geben, sucht er den Kontakt zu seinen Sprösslingen und entdeckt Vatergefühle.

    "Ja, mir ist klar geworden, dass die Kinder jemanden in ihrem Leben brauchen. Sie brauchen einen Schutzengel. Jemanden, der über sie wacht. Mit der psychischen Unzurechnungsfähigkeit kommen wir auf jeden Fall durch."

    Zum ersten Mal in seinem Leben lernt David Verantwortung zu übernehmen. Die Situationen, in die er gerät, bieten genügend Raum für komische Verwicklungen, durchaus aber auch für Sentimentalitäten. Hin und wieder schießt der Film dabei übers Ziel hinaus - zum Beispiel wenn David entdeckt, dass eines seiner Kinder schwer behindert ist und in einem Heim lebt. Das aber nimmt man in Kauf in einer Wohlfühl-Komödie, die getragen wird von guten Pointen und vom Spiel des kanadischen Darstellers Patrick Huard.

    "Starbuck" von Ken Scott - empfehlenswert!