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Vom Verteidigungspakt zur "Sicherheitsagentur der Welt"

Der ehemalige dänische Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen ist zum nächsten Generalsekretär der NATO ernannt worden. Er will der NATO ein neues strategisches Konzept auf den Leib schneidern und das Militärbündnis zur Sicherheitsagentur der Welt machen. Ein Blick auf ihn und seine letzten Vorgänger Jaap de Hoop Scheffer und Lord George Robertson.

Von Rolf Clement |
    Der NATO-Gipfel hatte im April in Straßburg schon Überstunden gemacht, als Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer mit dieser Mitteilung im Pressezentrum erschien:

    "Es ist mir eine große Freude, die Entscheidung bekannt zu geben, dass der dänische Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen zum nächsten Generalsekretär der NATO ernannt worden ist."

    Ein doppeltes Novum in der Geschichte der NATO: Zum ersten Mal ist nicht ein Minister aus einem der Mitgliedstaaten in das Amt des Generalsekretärs berufen worden, sondern ein amtierender Regierungschef. Und zum ersten Mal kommt er aus Skandinavien. Anders Fogh Rasmussen steht nun an der Spitze des größten Militärbündnisses der Welt, er nimmt ein prestigeträchtiges Amt ein, aber kein mächtiges. Der Grund für die limitierte Machtbefugnis: Der Generalsekretär ist immer abhängig von den Nationalstaaten, die sich auf der Ebene der Regierungschefs, der Außenminister oder der Verteidigungsminister verständigen und ihm dann Aufträge erteilen. Er sitze den Gremien zwar vor, seufzte der scheidende Amtsinhaber de Hoop Scheffer einmal, aber:

    "Unsere Mitgliedsstaaten sind in ihrer Sicherheitspolitik nicht nur formell souverän, sie lassen mich dies auch immer wieder spüren. Ich liebe meinen Job, aber sie lassen mich das immer wieder spüren."

    Am Montag wird er aus diesem Dilemma befreit, und der Übergang wird geschäftsmäßig ablaufen: Der eine, Jaap de Hoop Scheffer, wird das NATO-Hauptquartier verlassen. Der andere, Anders Fogh Rasmussen, wird das Gebäude in Brüssels Vorort Evere betreten und die Arbeit aufnehmen. Vier Monate hatte er Zeit, um sich auf seine neue Aufgabe als NATO-Generalsekretär vorzubereiten. Unmittelbar nach der Ernennung durch die Staats- und Regierungschefs der NATO-Staaten war er Anfang April von seinem Amt als dänischer Ministerpräsident zurückgetreten. Die Abschlussbilanz des einen ist die die Eröffnungsbilanz des anderen. De Hoop Scheffer:

    "Wir haben diese Allianz – wie schon Manfred Wörner zu Recht gefordert hat – von einem Bündnis der Friedenserhaltung zu einem Bündnis der Friedensgestaltung gemacht."

    Als Jaap de Hoop Scheffer vor viereinhalb Jahren, am 1. Januar 2004, das Amt des Generalsekretärs der NATO antrat, war er für die meisten ein weitgehend unbeschriebenes Blatt. Er war kurzzeitig Oppositionsführer im niederländischen Parlament; NATO-Botschafter der Niederlande; schließlich Außenminister seines Landes – und damit auch Mitglied des NATO-Rates, wo er aber nie besonders auffiel. So wurden damals Bedenken laut, ob er die gestalterische Kraft habe, die Allianz in schweren Zeiten zu führen.

    Dabei haben NATO-Generalsekretäre kein klares Anforderungsprofil. Der Vorgänger De Hoop Scheffers, der Brite Lord Robertson, war eine kantige Führungspersönlichkeit, der seine Devise gleich zum Amtsantritt ausgegeben und dann jahrelang gebetsmühlenartig wiederholt hatte:

    "1999, als ich 1999 durch die Türen dieses Hauptquartiers kam, habe ich gesagt, ich hätte drei Prioritäten: Priorität Nummer 1 war: Fähigkeiten, Priorität Nummer 2 war: Fähigkeiten, Priorität Nummer 3 war: Fähigkeiten."

    Mobiler, flexibler, konzentriert auf die neuen Aufgaben: Die Forderung nach mehr Fähigkeiten der NATO wurde zum Credo des Generalsekretärs Lord Robertson. De Hoop Scheffer hingegen hatte keine politischen Visionen. Er galt als solider Arbeiter, von dem niemand große Akzente erwartete. Er war in dieses Amt gekommen, weil er als europäischer Politiker allen Allianzmitgliedern diesseits und jenseits des Atlantiks in dieser politisch bewegten Zeit zu Beginn des Jahres 2004 vermittelbar war.

    Das Verhältnis unter den NATO-Staaten war damals massiv gestört. Nach den Anschlägen des 11. September 2001 auf New York und Washington war der strategische Konsens dahingeschmolzen. Wie sollte die NATO auf asymmetrische Bedrohungen antworten? Wie sollte sie dem Terror begegnen? Sollte sie gar nicht reagieren? Oder künftig vorbeugend tätig werden? Vor dem Hintergrund dieser offenen Fragen war es schwer, eine profilierte Persönlichkeit zu finden, der alle NATO-Staaten zustimmen konnten.

    Zumal der grundsätzliche Dissens ja keinesfalls gelöst war. Der Irak-Krieg, der offiziell Ende April/Anfang Mai 2003 für beendet erklärt worden war, hatte zu einem tiefen Zerwürfnis zwischen den USA und wichtigen europäischen Partnern geführt, allen voran Frankreich und Deutschland. Aber auch unter den europäischen Partnern selbst hatte sich eine tiefe Kluft aufgetan: Die einen – Großbritannien, Italien, Spanien und die meisten mittelosteuropäischen Staaten – unterstützten die USA bei ihrem Feldzug gegen Bagdad. Die anderen – Deutschland, Frankreich und Belgien zum Beispiel – stellten sich vehement dagegen. Und diese Gruppe ging sogar noch weiter: Sie plante eigene militärische Planungs- und später auch Einsatzeinheiten unter dem Dach der EU. Washington empfand das als Keimzelle einer Konkurrenz zur NATO.

    Dieses Zerwürfnis hatte Folgen für die politische Schlagkraft der Allianz, die in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen wurden: In der NATO gab es immer eine informelle Leitungsgruppe, die aus den USA, Großbritannien, Deutschland und Frankreich bestand. Diese Führungsgruppe, die den Kalten Krieg überstanden und dazu beigetragen hatte, die Teilung Europas zu überwinden, brach entlang der Konfliktlinien auseinander, die der Irak-Krieg geschaffen hatte. Hier die USA und Großbritannien, George Bush und Tony Blair – dort Frankreich und Deutschland, Jacques Chirac und Gerhard Schröder. Das war eine Hypothek für den Generalsekretär der NATO: Er konnte sich nicht mehr auf diese Leitungsgruppe stützen.

    In dieser Phase der inneren Zerrüttung wurde die innere Kohärenz der Allianz aber noch zusätzlich gefährdet: Kurz nach der Amtsübernahme de Hoop Scheffers wurde die NATO um acht neue Mitglieder erweitert. Dadurch geriet die innere Stabilität der Allianz ins Wanken – denn Entscheidungen müssen in der NATO einstimmig fallen; ein einziges Veto bringt sie zu Fall.

    So sah de Hoop Scheffer seine Aufgabe darin, das Verhältnis zwischen den USA und allen europäischen Partnern zu kitten. Am Ende der Amtszeit von US-Präsident George W. Bush hatte sich die Lage bereits entspannt. Mit dem Einzug Barack Obamas ins Weiße Haus hat sich das Klima nun deutlich verbessert. In der Sache jedoch hat sich nichts verändert: Der NATO-Gipfel von Baden-Baden, Kehl und Straßburg erteilte dem Generalsekretär im April dieses Jahres den Auftrag, ein neues strategisches Konzept zu erarbeiten: Es wird zum ersten Meilenstein in der Ära Rasmussen.

    Ein weiteres Problem, das de Hoop Scheffer während seiner Amtszeit lösen wollte, war die Verbesserung der Beziehungen zwischen der NATO und der EU. Noch immer herrscht weitgehende Sprachlosigkeit zwischen diesen beiden Organisationen. Da spielen auf beiden Seiten auch Eifersüchteleien eine Rolle – was umso unverständlicher ist, als viele Staaten ja in beiden Organisationen Mitglied sind und dort zusammenwirken. In der Berliner "Stiftung Wissenschaft und Politik", einem Think Tank und Beratergremium, beobachtet Markus Keim die Entwicklung der NATO. Er bilanziert die Versuche des scheidenden Generalsekretärs, die Beziehungen zwischen der NATO und der EU in Ordnung zu bringen, so:

    "Es ist ihm nicht gelungen, die Beziehungen zu verbessern. Das ist ihm nur begrenzt zum Vorwurf zu machen. Da ist er wie so häufig Opfer der Regierungen der Nationalstaaten, die ihm da wenig Spielraum gelassen haben. Aber das war eines seiner großen Projekte."

    Wie schwierig das Verhältnis zwischen den beiden Organisationen immer noch ist, zeigt exemplarisch die Bekämpfung der Piraterie vor der Küste Somalias. Dort unterhalten EU und NATO parallel laufende Operationen, denen unterschiedliche Mandate zugrunde liegen. Wie in einem Brennglas zeigt sich die Problematik der doppelten Mandatierung an der deutschen Praxis: Der Bundestag hat die Marine bisher nur beauftragt, an der Mission der EU teilzunehmen. Da sich EU und NATO mittlerweile das Seegebiet aufgeteilt haben, kann die deutsche Marine nur dann tätig werden, wenn die EU in der betreffenden Region zum gegebenen Zeitpunkt das Kommando führt. Das gilt auch dann, wenn ein Schiff eines deutschen Reeders betroffen ist oder ein Schiff, das unter deutscher Flagge fährt.

    Wie kein anderes Ereignis hat jedoch der Einsatz in Afghanistan die Amtszeit de Hoop Scheffers geprägt. Er lief bereits, als der Niederländer kam – schon damals fehlte jede Strategie für diesen Einsatz, schon damals waren die Ziele nicht klar definiert. Und daran hat sich unter De Hoop Scheffer nicht viel geändert.

    Das wiegt umso schwerer, als de Hoop Scheffer den Afghanistan-Einsatz zur strategischen Aufgabe der Allianz erklärt hatte:

    "In einer Zeit, in der sich die Grenzen zwischen Innerer und Äußerer Sicherheit verwischen, ist Afghanistan eben kein Einsatz, den wir uns aus freien Stücken ausgesucht haben. Dieser Einsatz ist eine strategische Notwendigkeit. Wer universelle Werte schützen und verteidigen will, der hat hier keine Wahl."

    So sehr de Hoop Scheffer den Einsatz in Afghanistan zur zentralen Aufgabe der NATO erklärte, so sehr behinderten die nationalen Vorbehalte in vielen Ländern - auch in Deutschland - die Operationsführung in Afghanistan. Vor allem in Kanada und in den Niederlanden wuchsen die Bedenken gegen eine weitere Beteiligung an diesem Einsatz. Was dazu führte, dass beide Länder in den kommenden Jahren ihre Truppen zurückziehen wollen

    De Hoop Scheffer lief permanent Gefahr, sich im Kleinklein zu verzetteln: Er musste sich um Kräfte bemühen, die in Afghanistan fehlten. Er musste in aller Öffentlichkeit mit den Mitgliedstaaten um einzelne Hubschrauber ringen, um Truppen, um Unterstützungsverbände wie die Awacs-Maschinen oder die Aufklärungstornados, die die Bundeswehr im vergangenen Jahr bereitgestellt hat – all das eigentlich nicht die Aufgabe eines Generalsekretärs, der die NATO politisch führen soll. All das handelte ihm aber den Vorwurf ein, die militärischen Aspekte allzu sehr in den Vordergrund gerückt zu haben. Markus Kaim:

    "Afghanistan ist ein Beispiel, wo es eine Kakophonie von Vorschlägen und Ansätzen innerhalb der NATO gegeben hat. Das würde ich nur begrenzt dem Generalsekretär zum Vorwurf machen. Er hat es aber nicht verstanden, die Diskussion zusammenzuführen."

    Zwar gibt es durchaus Erfolge am Hindukusch – in einigen Regionen springt die Wirtschaft an. In anderen schreitet der Aufbau der Infrastruktur voran. Doch die Schwierigkeiten wiegen schwerer. Diese Erkenntnis von Jaap de Hoff Scheffer wird sich nun auch Anders Fogh Rasmussen zu Herzen nehmen müssen:

    "Viele Probleme lassen sich ohne die NATO nicht lösen, aber die NATO ist kein Allheilmittel. Afghanistan zeigt das ganz deutlich. Unser Erfolg dort hängt in erste Linie von Entwicklung und Wiederaufbau ab, also von Faktoren, auf die wir nur sehr begrenzt Einfluss haben."

    Die Rede ist vom Prinzip der "vernetzten Sicherheit", vom "comprehensive approach", wie es im NATO-Englisch heißt. Die Entwicklung hin zu diesem vernetzten Ansatz für NATO-Missionen hat sich in der Amtszeit de Hoop Scheffers vollzogen. Die USA standen diesem Konzept lange Zeit skeptisch gegenüber. Erst in den letzten Jahren sind sie auf diesen Kurs eingeschwenkt. Allerdings hat De Hoop Scheffer diesen politischen Ansatz nicht zu seiner Sache gemacht – er hat Afghanistan weitgehend den Militärs überlassen.

    Die Bilanz des Generalsekretärs aus den Niederlanden bleibt also zwiespältig. Politische Akzente konnte er – anders als seine Vorgänger - nicht setzen. Manfred Wörner hatte als Generalsekretär in der Zeit der politischen Wende die Vision eines Europas der ausgestreckten Hand, wie er sagte: die Zusammenarbeit sollte die Konfrontation ersetzen. Lord Robertson hatte die Vision, aus der NATO einen einheitlichen, schlagkräftigen Verband zu machen. De Hoop Scheffer kam zu einer Zeit, in der es galt, die Grundlagen der NATO zu erneuern und neu auszurichten. Das ging er nur sehr zaghaft an – er benannte die neuen Herausforderungen nur:

    "Wir haben das traditionelle geographische Verständnis von Sicherheit durch ein neues funktionales Verständnis ersetzt. Wir brauchen Streitkräfte, die fern von zu Hause das gesamte Spektrum von Peacekeeping bis zum Kampfeinsatz abdecken können. Und wenn ich sage wir, dann meine ich natürlich damit als Generalsekretär alle Verbündeten."

    Damit knüpfte er an die Diskussion an, die sein Vorgänger vor zehn Jahren losgetreten hatte. Die alten NATO-Staaten haben da in den vergangenen Jahren erkennbare Fortschritte gemacht, die neuen hängen aber noch weit hinterher.

    Nicht nur das Beispiel Afghanistan zeigt, wie sehr sich De Hoop Scheffer in seiner Amtsführung an den Positionen der USA orientierte. Die Struktur der NATO ist ganz auf Interessenausgleich ausgelegt: Die Spitzenpositionen in der NATO werden so vergeben, dass der Oberbefehlshaber für Operationen, der im belgischen Mons residiert, stets ein US-Offizier ist; der Generalsekretär, der politische Kopf der Allianz, ein Europäer. Da sich die Europäer aber in dieser Zeit uneinig waren und der strategische Konsens zerbrochen war, wurde de Hoop Scheffer nicht zum Gesicht der Europäer. Einigen NATO-Partnern, den USA zum Beispiel, aber auch Großbritannien und zum Beispiel Polen kam dieser Kurs natürlich gelegen. Auch sein eigenes Heimatland, die Niederlande, sind betont USA-freundlich. In Deutschland und Frankreich etwa konnte de Hoop Scheffer mit dieser Politik aber nicht punkten. Die zu große Nähe zu den USA erwies sich hier als eher hinderlich. Vor diesem Hintergrund kommt der scheidende Generalsekretär zu dieser Bewertung:

    "Für mich jedenfalls beweist diese Diskussion, dass wir unseren Anspruch, die Lehren aus den sicherheitspolitischen Entwicklungen der letzten Jahre gezogen zu haben, noch nicht ganz und wirklich eingelöst haben. Im Zeitalter der Globalisierung kann sich die NATO nicht mehr als rein euro-zentrisches Bündnis verstehen. Natürlich bleibt für uns in Europa noch vieles zu tun. Ich erwähne hier nur das Drängen auf Mitgliedschaft von Staaten aus Südosteuropa oder aus dem Kaukasus. Diese europäischen Ordnungsaufgaben werden uns noch lange beschäftigen. Aber die Zeit der selbst auferlegten geographischen operationellen Beschränkungen – diese Zeit ist definitiv vorbei. Wir müssen den Bedrohungen dort begegnen, wo sie entstehen, auch außerhalb Europas. Und mit unserem Einsatz in Afghanistan haben wir genau dies getan."

    Zu kurz gekommen sind allerdings die Kontakte zu Russland – und das Verhältnis zu Moskau insgesamt. De Hoop Scheffer hatte in seinem Amt als Vorsitzender der OSZE, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, das er im Jahr 2003 als niederländischer Außenminister innehatte, schlechte Erfahrungen mit Russland gemacht: Er war dort mit einer Erklärung zum Vertrag über konventionelle Streitkräfte in Europa, KSE, gescheitert. Diese Erfahrungen führten wohl dazu, dass er in das Verhältnis zu Russland nicht allzu viel investiert hat. Das wurde ihm nach dem russischen Feldzug in Georgien allerdings angelastet – weil die Kontakte fehlten, konnte die komplizierte Phase nach der russischen Intervention in Georgien nicht abgefedert werden.

    Mehr Energie investierte NATO-Generalsekretär De Hoop Scheffer in den Ausbau eines weltumspannenden Netzwerks auch mit jenen Staaten, die nicht der Allianz angehören. Das gilt für die Zusammenarbeit mit Japan, Australien, Neuseeland, Südkorea, mit der arabischen Liga, mit der UNO, mit der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa OSZE. Der Mittelmeerdialog der Allianz, die sogenannte Istanbul-Initiative, ist soweit gediehen, dass sie sich als tragfähig für gemeinsame Missionen erweist. Das lobt auch Markus Kaim von der Stiftung Wissenschaft und Politik:

    "Auf der Habenseite würde ich verbuchen, dass es ihm tatsächlich gelungen ist, Beziehungen zu den Vereinten Nationen zu entwickeln. Es gibt seit dem vergangenen Jahr für Friedensoperationen zwischen der NATO und den Vereinten Nationen. Und dass es – glaube ich – gelungen ist, die NATO attraktiv für sogenannte Kontaktländer zu machen, also Staaten, die auf absehbare Zeit nicht Mitglieder der NATO werden wollen, aber mit der NATO kooperieren – Japan, Indien, China und andere mehr."

    Hier muss der neue Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen eine Hypothek abarbeiten, für die er auch selbst gesorgt hat: Als die Beitrittsverhandlungen der EU mit der Türkei anstanden, wandte sich Rasmussen auf einer Konferenz seiner Partei im August 2005 ausdrücklich gegen die Aufnahme des Landes am Bosporus. Einen Monat später veröffentlichte eine dänische Zeitung Mohammed-Karikaturen, die zu Ausschreitungen in der gesamten islamischen Welt führten. Rasmussen verteidigte die Veröffentlichung der Karikaturen energisch mit dem Hinweis auf die Pressefreiheit. Schließlich ließ er einen kurdischen Sender in Dänemark unbehelligt senden. All dies waren Gründe für den türkischen Ministerpräsidenten Erdogan, sich bei der Nominierung des Dänen zum NATO-Generalsekretär quer zu stellen. Erst als Erdogan seinen Widerstand überreizte und mit der Drohung islamischer Staatschefs hausieren ging, die Beziehungen zur NATO würden schlechter, wenn der Däne Generalsekretär werde, war der Weg für Rasmussen frei: Unter keinen Umständen wollte die NATO den Eindruck erwecken, sie lasse sich in ihre Personalentscheidungen hineinreden. Zuletzt sorgte US-Präsident Obama in Straßburg für das abschließende Ja aus Ankara.

    Unterdessen hat der neue Mann an der Spitze der NATO schon eine Vision für die Zukunft der Allianz formuliert: Anders Fogh Rasmussen will die NATO zur Sicherheitsagentur der Welt machen. Die Chancen dafür stehen nicht schlecht – schließlich ist er es, der der NATO ein neues strategisches Konzept auf den Leib schneidern soll.