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Von der Geologie in die Medizin

Geochemiker nutzen Isotope - also die Varianten von Elementen - für viele Fragestellungen: Wie alt ist ein Gestein? Welche Klimabedingungen hat es erlebt? Französische Geochemiker hoffen nun auf ein neues Einsatzgebiet: die Medizin. Manche Metallisotope könnten eingesetzt werden, um den Erfolg einer Therapie zu beurteilen oder Krankheiten wie Alzheimer früher zu erkennen.

Von Dagmar Röhrlich |
    Die Varianten chemischer Elemente sind verräterisch. Mit ihrer Hilfe können Geochemiker beispielsweise feststellen, ob das Meerwasser vor Hunderten von Millionen Jahren wärmer oder kälter gewesen ist als heute oder wovon sich ein längst ausgestorbenes Tier ernährt hat. Auch Francis Albarede nutzt Isotope für solche geologischen Fragestellungen. Inzwischen beschäftigen er und sein Team sich jedoch auch mit biologischen Prozessen, die den Menschen betreffen:

    "Wir konzentrieren uns auf die unterschiedlichen Isotope von Kupfer, Zink und Eisen, die im Körper als essenzielle Spurenelemente eine wichtige Rolle spielen. Zink beispielsweise wird in mehr als 300 Proteinen eingesetzt, Kupfer in fast ebenso vielen. Eisen ist unter anderem beim Sauerstofftransport wichtig, Kupfer beim Energiestoffwechsel und Zink bei der Signalübertragung zwischen Zellen. Wir können mithilfe der Isotopen dieser Metalle biologische Prozesse verfolgen und krankhafte Veränderungen im menschlichen Organismus ablesen."
    Bei diesen Analysen werden Proben in Massenspektrometern untersucht, die geringste An- oder Abreicherungen erfassen, erklärt Francis Albarede vom Laboratoire de Géologie de Lyon. Beispiel Kupfer:

    "Ein Kupferion wird normalerweise in den Proteinen von Aminosäuren wie von einem Käfig umschlossen. Ob sich nun in einem Protein Kupfer 63 anreichert oder Kupfer 65, hängt von den spezifischen Eigenschaften dieses Käfigs ab, aber auch von Redoxreaktionen und vom pH-Wert der Umgebung. Weil bestimmte Krankheiten in diese biochemischen Prozesse eingreifen, messen wir in den Proben der Patienten beispielsweise Veränderungen bei den schweren Kupfer-Isotopen in den roten Blutkörperchen oder bei den leichten im Blutserum."

    Zunächst sei es schwierig gewesen, den Kontakt zu den Medizinern aufzubauen, erzählt der Geochemiker. Nachdem das Team an Blut- und Plasmaproben von Mäusen und Schafen nachweisen konnte, dass die Methode funktioniert, erhielt es Proben gesunder Menschen. Die dienten dazu einzugrenzen, welche Werte eigentlich normal sind. Dann begann die Arbeit mit den Proben von Patienten. Francis Albarede:

    "Wir zielen auf pathologische Befunde ab: Am wichtigsten war bislang wohl unsere Arbeit mit Brust- und Darmkrebspatienten, und zwar die Arbeit, bei der es um die Überwachung des Therapieerfolgs geht. Aufgrund unserer Analysen wissen wir, dass Isotope empfindlicher und früher auf Veränderungen reagieren als traditionelle Tumormarker. Wir sehen schon dann Verschiebungen, wenn die Marker noch nichts anzeigen. Wir hoffen deshalb, dass Isotope bei manchen Krebsarten die Diagnostik verbessern. Vor allem aber zeigen sie früher als andere Marker, wie ein Patient auf eine Therapie reagiert."
    Die Ärzte wüssten schneller, ob sie eine Therapie anpassen sollten. Davon ist Francis Albarede überzeugt. Ihm geht es jedoch nicht nur um die Krebstherapie, sondern auch um die Diagnose anderer Krankheiten:

    "Wir erhoffen uns beispielsweise auch Einiges bei der Alzheimer-Früherkennung. Wir untersuchen gerade, welche Rolle bei dieser Erkrankung die Kupferregulation im Körper spielt. Und wir haben auch noch andere Stoffwechselerkrankungen im Visier. Vieles, an dem wir arbeiten, ist reine Zukunftsmusik. Aber wenn es darum geht, den Therapieerfolg bei Brust- und Darmkrebs zu überprüfen, sind wir wirklich sehr gut, und unsere Methode ist fast marktreif."

    Denn noch seien die Geräte für die Praxis in einem Krankenhaus zu aufwendig und zu teuer. Aber die Anpassung an den medizinischen Alltag laufe.