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Von der Schwierigkeit zu zitieren

Eine Loriot-Biografie aus dem Münchner Riva-Verlag muss wegen Urheberrechtsverletzungen vom Markt genommen werden. Jurist Christian Russ empfiehlt, vor dem Abdruck immer eine Erlaubnis einzuholen - nur bei einzelnen Sätzen gebe es etwas mehr Spielraum.

Christian Russ im Gespräch mit Stefan Koldehoff |
    O-Ton Loriot: "Meine Damen und Herren! Politik bedeutet – und davon sollte man ausgehen -, das ist doch, ohne darum herumzureden, in Anbetracht der Situation, in der wir uns befinden."

    Stefan Koldehoff: Der große Vico von Bülow – Loriot. Ein Zitat war das. Und das durften wir – ganz kurz – senden, weil wir uns im Folgenden ernsthaft mit Loriot befassen werden. Dessen Werk – natürlich urheberrechtlich geschützt – stand heute nämlich im Zentrum eines Urteils, das das Landgericht Braunschweig gesprochen hat. Danach muss eine Loriot-Biografie des Riva-Verlags vom Markt genommen werden, weil der Autor an 35 von 68 beanstandeten Stellen kein Recht hatte, den Künstler einfach zu zitieren. Erwirkt hatte diese Entscheidung Susanne von Bülow, die Tochter des Künstlers. An den restlichen 33 Stellen allerdings, die sie auch nicht in Ordnung fand, wurde durch Zitate nicht gegen das Urheberrecht verstoßen.

    Erste Frage an den Wiesbadener Rechtsanwalt und Urheberrechtsexperten Christian Russ deshalb: Wann darf man denn nun ganz einfach Loriot zitieren und wann nicht?

    Christian Russ: Das Problem fängt schon damit an, dass man es nicht auf diese einfache Frage reduzieren kann. Es ist grundsätzlich so, dass, wenn jemand einen Text geschrieben hat, wie jetzt Loriot beispielsweise, ein Gedicht oder einen Beitrag, dann muss jeder, der das abdruckt und verbreitet, zunächst mal egal in welchem Zusammenhang, die Erlaubnis dazu bekommen – und zwar entweder von Loriot, oder, nachdem der nun verstorben ist, von dessen Erben, oder dem Verlag, der dann gegebenenfalls die Nutzungsrechte am Werk von Loriot hat. Das ist der Grundsatz: also keine Verwertung ohne Erlaubnis.

    Nun gibt es im Urheberrechtsgesetz einige wenige Ausnahmen, wann man nun doch solche Texte abdrucken und verbreiten kann (in Buchform), und dazu gehört auch das sogenannte Zitatrecht. Das besagt, dass in eng auszulegenden Fällen einzelne Sätze bis hin zu ganzen Gedichten abgedruckt werden können.

    Beim sogenannten Kleinzitat geht es um einzelne Sätze, also Auszüge aus einem Beitrag, aus einem Gedicht. Da hört es aber nach ein, zwei Sätzen schon auf. Was darüber hinausgeht, ist erlaubnispflichtig. Und beim sogenannten Großzitat, wenn ich also einen ganzen Cartoon abdrucke, also ein ganzes Werk, oder ein ganzes Gedicht abdrucke, dann geht das nur im Rahmen einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Werk selbst.

    Koldehoff: Das heißt also, würden wir beispielsweise zusammen ein Kochbuch schreiben und im Vorwort dann zitieren, Loriot hat immer so schön gesagt, "Ich persönlich esse täglich", dann wäre das durchaus möglich?

    Russ: Das wäre möglich. Ich muss nur einen Quellenhinweis machen, ich muss sagen, es war Loriot, und dann kann ich das machen. Wenn ich aber in einem Buch beispielsweise schreiben würde, beispielsweise in einer Biografie, "Die schönsten Bonmots Loriots sind die Folgenden:", und dann bringe ich drei Seiten schöne Bonmots und Zitate, dann geht das über den Zitatzweck hinaus.

    Koldehoff: Und das geht unter anderem deswegen auch wahrscheinlich nicht, weil ich dann Verkauf betreiben würde mit geistigem Eigentum, das ich gar nicht selbst produziert habe, sondern versuchen würde, auf der Loriot-Welle, auf seiner Beliebtheit sozusagen mitzuschwimmen?

    Russ: Genau so ist es.

    Koldehoff: Welche Rolle spielt denn die Frage, ob ein Urheber Person der Zeitgeschichte ist? Umgekehrt: Könnte ich Helmut Kohl oder Willy Brandt einfacher zitieren als Loriot?

    Russ: Nein, das spielt keine Rolle. Es sind natürlich in beiden Fällen Personen der Zeitgeschichte, der eine als Politiker, der andere als Künstler, aber das betrifft auch jeden Autor und auch jeden Nobody, der in irgendeiner Weise Texte schreibt. Die sind da vor dem Gesetz alle gleich. Man kann also nicht sagen, nur weil jemand besonders bekannt ist, ist dessen Urheberrecht in irgendeiner Weise eingeschränkt.

    Koldehoff: Ich versuch's trotzdem noch mal, ich geb' so schnell nicht auf. Wann wird ein Zitat Allgemeingut?

    Russ: Gar nicht! Es gibt den schönen Fall von Erich Kästner und von dessen sehr, sehr kurzem Gedicht, "Es gibt nichts Gutes, außer man tut es". Viele denken, und ich habe es auch eine Weile gedacht, das wäre so eine Art allgemeiner Spruch, den es halt irgendwie schon immer gab. Es ist aber tatsächlich ein zweizeiliges Gedicht von Erich Kästner, und wann immer das irgendwo abgedruckt wird, ohne dass der Zitatzweck erfüllt ist und ohne dass hier der Erich Kästner auch als Urheber des Zitats genannt wurde, liegt ein Urheberrechtsverstoß vor.

    Koldehoff: Ich versuche jetzt mal, aus der Sicht des juristischen Laien zusammenzufassen. Wann immer ich jemanden zitiere und möchte Geld damit verdienen, muss ich vorher um Genehmigung fragen, und wenn ich die nicht bekomme, dann darf ich auch nicht zitieren, egal wer es ist?

    Russ: Nein, ganz so ist es nicht, denn Sie können zitieren, wie gesagt, ein, zwei Sätze, wenn es Sinn macht, im Zusammenhang dieses Zitat zu bringen. Wenn es darüber hinausgeht, dann wird es meistens schwierig.

    Koldehoff: Also kein einfaches Thema. Loriot hätte wahrscheinlich Spaß daran gehabt. - Der Rechtsanwalt Christian Russ war das zum heutigen Braunschweiger Loriot-Urteil.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.