von Dohnanyi: Guten Morgen Frau Heuer!
Heuer: Der Konvent für Deutschland hat die Losung ausgegeben Klarheit gehe vor Konsens. Ist in diesem Sinne das Scheitern der Kommission vielleicht gar nicht so schlimm?
von Dohnanyi: Also das würde ich dann doch nicht sagen, obwohl es natürlich eine ganze Reihe von Punkten gibt, die noch klarer hätten vielleicht auch vorbereitet werden müssen. Aber im Ganzen hat natürlich die Debatte in der Föderalismuskommission oder wie sie eigentlich heißt "Kommission zur Neuordnung der bundesstaatlichen Ordnung" doch dazu geführt, dass das Thema endlich in die Köpfe der Menschen, auch in die Köpfe vieler Politiker gelangt ist.
Heuer: In die Köpfe schon, aber die Ergebnisse der Kommission sind ja eher dürftig, oder sehen Sie das anders?
von Dohnanyi: Das kommt darauf an. Es gibt eine ganze Reihe von Gebieten, auf denen ist man schon relativ weit vorangekommen. Das ist unbestreitbar. Es gibt andere Dinge, die man erst gar nicht angefasst hat, wie zum Beispiel die Frage einer gewissen finanziellen Eigenverantwortung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden, wo man meiner Meinung nach von Anfang an auch mehr hätte tun müssen. Aber ich denke schon man ist mehr als auf dem halben Wege vorangekommen, und das ist doch eine ganze Menge.
Heuer: Aber jetzt nur die Bildungspolitik nachzuarbeiten, wie die Grünen es anregen, das würde nicht ausreichen?
von Dohnanyi: Nein. Ich glaube das wird deswegen nicht gehen, weil leider in der Kommission am Schluss zwischen Bund und Ländern eine Art Geben und Nehmen, gibst du mir das, dann nehme ich mir jenes oder umgekehrt, eine solche Mentalität eingekehrt ist und die ist natürlich für die ganze Frage völlig falsch, denn es geht nicht darum, wer was bekommt, sondern es geht darum, wo was hingehört, damit der Staat, damit die Gesellschaft besser funktioniert.
Heuer: Ist nicht an dieser Mentalität, Herr von Dohnanyi, dieses Geben und Nehmen, die Kommission eigentlich gescheiter, denn das ist ja das Spiel, das Bund und Länder und das die Parteien seit Jahren treiben?
von Dohnanyi: Ich denke das ist vielleicht nicht ganz richtig, denn wie gesagt man hat ja in einer ganzen Reihe von Bereichen auch Fortschritte gemacht, obwohl im Grunde genommen sage ich mal entweder die Länderseite oder die Seite des Bundes gemeint hat, das müsste eigentlich doch entweder auf der eigenen Seite oder mindestens nur zu einem kleinen Teil abgegeben werden. Ich denke Geben und Nehmen hat erst am Ende eine besonders große Rolle gespielt und die beiden Vorsitzenden haben dann ja in ihrer Presseerklärung oder in ihrer Pressekonferenz erklärt, dass sie eine solche Geben- und Nehmen-Mentalität nicht für richtig halten. Das fand ich schon eine wichtige Erklärung, weil sie - und Sie gehen ja auch davon aus, Frau Heuer - beide, die Vorsitzenden, davon ausgehen, dass das Thema nicht zu Ende ist.
Heuer: Nicht zu Ende. Glauben Sie denn an einen raschen Neuanfang?
von Dohnanyi: Das kommt darauf an. Ich würde es für sehr wichtig halten. Sehen Sie, wir haben mit dem Thema Föderalismusreform begonnen in der Bertelsmann-Stiftung, wo ich das vor etwa zehn Jahren angestoßen habe, dass man sich mit der Frage intensiv befasst. Wir haben dort sehr, sehr gut vorbereitet und haben dann vor einigen Jahren einen Bericht vorgelegt, der "Entflechtung 2005" heißt. Wir wussten also auch schon, warum man eben länger braucht, aber dann auch vor einer nächsten Bundestagswahl rechtzeitig fertig sein müsste. Ich würde es sehr bedauern, wenn die Debatte über den Föderalismus in die Bundestagswahldebatte für 2006 gelänge. Das würde passieren, wenn man sage ich mal über den Sommer 2005 hinaus wartet. Also ich denke die erste Hälfte 2005 müsste eigentlich genutzt werden. Das ist übrigens - so habe ich auch Herrn Müntefering verstanden - auch seine Auffassung. Diese Zeit müsste genutzt werden, um das Thema voranzubringen.
Heuer: In welchem Rahmen sollte es denn vorangebracht werden, mit einer neuen Kommission, mit der alten Kommission, oder vielleicht mit einem Verfassungskonvent, wie die FDP ihn jetzt vorschlägt?
von Dohnanyi: Der Verfassungskonvent ist ja eine schöne Idee, aber ich glaube nicht, dass er uns im Augenblick sehr viel weiterführt. Das könnte man machen, wenn man ein großes Stück vorangekommen ist, eine abschließende Entscheidung getroffen hat und sich dann sozusagen mit viel Zeit noch mal damit befasst, ob damit nun alles erledigt ist und was noch offen ist und was man grundsätzlich noch besser machen könnte. Ich halte aber einen Konvent auf der grünen Wiese jetzt nicht für sehr fruchtbar. Nein: mein Vorschlag wäre, dass man sich dem Bildungsthema zuwendet, und zwar ohne Geben und Nehmen, sondern mit der Frage wo gehört denn was von der Funktion her hin. Da bin ich entschieden der Auffassung, dass das Bildungssystem einschließlich der Hochschulfragen in die Länder gehört. Wir müssen heute Hochschulabschlüsse anerkennen aus Frankreich, aus Finnland, aus Italien, aus allen möglichen Ländern. Warum soll man nicht in Deutschland ein System entwickeln, bei dem sich die Länder darauf einigen, dass sie gegenseitig ihre Hochschulabschlüsse anerkennen, auch wenn die Voraussetzungen für einen erfolgreichen Abschluss in allen Ländern nicht die gleichen sind.
Heuer: Wenn wir beim Bildungsthema bleiben oder auch bei den Finanzfragen, die Sie vorhin angesprochen haben. Horst Köhler, der Bundespräsident, hat ja angeboten, sich wenigstens mittelbar in neue Reformgespräche einzuschalten. Könnte das in diesen schwierigen Fragen den Durchbruch bringen?
von Dohnanyi: Das weiß ich nicht, aber ich halte das für sehr fruchtbar und für sehr nützlich, wenn der Bundespräsident sich in dieser Frage einschaltet. Er kennt auch die internationale Szene. Es ist ja so: wir müssen den deutschen Föderalismus ja auch immer wieder vergleichen mit den anderen relativ wenigen Ländern, die föderalistisch organisiert sind, wie zum Beispiel Kanada oder die USA, Australien oder auch die Schweiz. Da stellen wir fest: wir haben natürlich einen ganz zentralen Mangel. Der ist uns von den Alliierten nach dem Zweiten Weltkrieg aufgezwungen worden. Wir haben nämlich keine durchgehende Bundesverwaltung für Zuständigkeiten des Bundes. Oder anders ausgedrückt: der Bundesfinanzminister macht zwar im Bundestag gemeinsam mit dem Bundesrat die Gesetzgebung zu den Steuern, aber die Bundessteuern werden gewissermaßen von den Ländern eingetrieben. Der Bund hat nicht wie in den USA seine eigenen Gerichte, die seine eigenen Fragestellungen auch bearbeiten und entscheiden, sondern auch das sind Landesgerichte. Diese Trennung, die uns sozusagen einen Bund beschert hat, wo der Bund keinerlei Verankerung auf dem Boden der Wirklichkeit hat, die ist sehr schädlich. Wir werden die auch nicht mehr ändern können, aber um so mehr müssen wir entflechten, eigene Verantwortung von Bund und Ländern herstellen. Wenn wir das nicht machen, werden wir in der schnellen Globalisierung nicht im Stande sein, uns zu behaupten. Davon bin ich tief überzeugt.
Heuer: Es sind ja inhaltlich höchst komplexe Beratungen, die dort stattfinden. Glauben Sie eigentlich, Herr von Dohnanyi, die Bürger verstehen überhaupt noch worum es geht?
von Dohnanyi: Die Bürger verstehen eins: wenn man ihnen klar macht, dass sie eigentlich gar nicht wissen, wer ihr Bundeskanzler ist, weil der Bundeskanzler wechselt alle sechs Monate als Vorsitzender des Vermittlungsausschusses, wenn man das einmal etwas deutlich ausdrückt. Wir haben eine, wie ich das immer genannt habe, perfekt organisierte Unverantwortung der Politik in Deutschland. Niemand weiß, wer was eigentlich zu verantworten hat. Wenn eine Entscheidung im Bundeskabinett gefallen ist und sie geht durch den Bundestag mit knappen Mehrheiten, dann wird sie im Bundesrat eventuell völlig verändert. Dann kann hinterher der Bundeskanzler sagen, ich war es nicht, das war der Bundesrat. Nehmen Sie mal zum Beispiel dieses ganze Problem der Streichung von Subventionen. Ja wer war das eigentlich? Wer ist da eigentlich zuständig? Das haben die Leute verstanden und da wollen die Leute nach meiner Meinung, die Bürgerinnen und Bürger im Land, auch endlich Klarheit haben. Wir wollen nicht, dass die Politik immer den schwarzen Peter hin- und herschieben kann. Sie wollen wissen, wer hat was entschieden und wen können wir dafür entweder loben oder auch abstrafen bei der nächsten Wahl. Wenn man einen solchen Zustand nicht herstellt, dann kann man auch keine wirkliche Beziehung der Bürgerinnen und Bürger zur Politik erwarten.
Heuer: Roman Herzog, Ihr Kollege, der Vorsitzende im Konvent für Deutschland, hat gesagt, die Föderalismusreform sei zu einer Lebensfrage der Republik geworden. Sind die Deutschen, Herr von Dohnanyi, mehrheitlich reformwillig beziehungsweise reformfähig?
von Dohnanyi: Das glaube ich schon! Ich glaube das schon und ich glaube, man muss mit den Menschen wie in allen Ländern der Welt ehrlich reden. Viele werden dann sehen, dass sie auch unter Veränderungen Nachteile bekommen, und viele werden auch sehen, dass es für das Ganze unter Veränderungen Vorteile gibt. Das muss man ausdiskutieren mit den Menschen mit einer langen Perspektive - ich benutze nicht das Wort Vision -, mit einer Sicht darauf, was wird eigentlich aus Deutschland, wie können wir uns eigentlich behaupten, wenn wir in Europa nicht mit einer Stimme sprechen können, wie können wir uns behaupten, wenn wir viel zu langsam sind, um Veränderungen in der Welt auch in Deutschland nachzuvollziehen. Das alles glaube ich verstehen die Menschen. Diesen Dialog muss man mit ihnen führen. Ich finde es schon ziemlich merkwürdig, dass ein Land über Jahre debattiert, in welcher Weise wir das Dosenpfand organisieren, und die wichtigen Fragen des Landes wie zum Beispiel den Föderalismus oder auch zum Beispiel das Thema Aufbau Ost faktisch nicht diskutiert werden. Dosenpfand ganz vorne und die nationalen Fragen eigentlich in der öffentlichen Debatte kaum sichtbar. Das ist nicht gut!
Heuer: Klaus von Dohnanyi, Sozialdemokrat und stellvertretender Vorsitzender im Konvent für Deutschland, im Interview mit dem Deutschlandfunk. Herr von Dohnanyi, herzlichen Dank fürs Gespräch!
von Dohnanyi: Vielen Dank Frau Heuer!
Heuer: Der Konvent für Deutschland hat die Losung ausgegeben Klarheit gehe vor Konsens. Ist in diesem Sinne das Scheitern der Kommission vielleicht gar nicht so schlimm?
von Dohnanyi: Also das würde ich dann doch nicht sagen, obwohl es natürlich eine ganze Reihe von Punkten gibt, die noch klarer hätten vielleicht auch vorbereitet werden müssen. Aber im Ganzen hat natürlich die Debatte in der Föderalismuskommission oder wie sie eigentlich heißt "Kommission zur Neuordnung der bundesstaatlichen Ordnung" doch dazu geführt, dass das Thema endlich in die Köpfe der Menschen, auch in die Köpfe vieler Politiker gelangt ist.
Heuer: In die Köpfe schon, aber die Ergebnisse der Kommission sind ja eher dürftig, oder sehen Sie das anders?
von Dohnanyi: Das kommt darauf an. Es gibt eine ganze Reihe von Gebieten, auf denen ist man schon relativ weit vorangekommen. Das ist unbestreitbar. Es gibt andere Dinge, die man erst gar nicht angefasst hat, wie zum Beispiel die Frage einer gewissen finanziellen Eigenverantwortung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden, wo man meiner Meinung nach von Anfang an auch mehr hätte tun müssen. Aber ich denke schon man ist mehr als auf dem halben Wege vorangekommen, und das ist doch eine ganze Menge.
Heuer: Aber jetzt nur die Bildungspolitik nachzuarbeiten, wie die Grünen es anregen, das würde nicht ausreichen?
von Dohnanyi: Nein. Ich glaube das wird deswegen nicht gehen, weil leider in der Kommission am Schluss zwischen Bund und Ländern eine Art Geben und Nehmen, gibst du mir das, dann nehme ich mir jenes oder umgekehrt, eine solche Mentalität eingekehrt ist und die ist natürlich für die ganze Frage völlig falsch, denn es geht nicht darum, wer was bekommt, sondern es geht darum, wo was hingehört, damit der Staat, damit die Gesellschaft besser funktioniert.
Heuer: Ist nicht an dieser Mentalität, Herr von Dohnanyi, dieses Geben und Nehmen, die Kommission eigentlich gescheiter, denn das ist ja das Spiel, das Bund und Länder und das die Parteien seit Jahren treiben?
von Dohnanyi: Ich denke das ist vielleicht nicht ganz richtig, denn wie gesagt man hat ja in einer ganzen Reihe von Bereichen auch Fortschritte gemacht, obwohl im Grunde genommen sage ich mal entweder die Länderseite oder die Seite des Bundes gemeint hat, das müsste eigentlich doch entweder auf der eigenen Seite oder mindestens nur zu einem kleinen Teil abgegeben werden. Ich denke Geben und Nehmen hat erst am Ende eine besonders große Rolle gespielt und die beiden Vorsitzenden haben dann ja in ihrer Presseerklärung oder in ihrer Pressekonferenz erklärt, dass sie eine solche Geben- und Nehmen-Mentalität nicht für richtig halten. Das fand ich schon eine wichtige Erklärung, weil sie - und Sie gehen ja auch davon aus, Frau Heuer - beide, die Vorsitzenden, davon ausgehen, dass das Thema nicht zu Ende ist.
Heuer: Nicht zu Ende. Glauben Sie denn an einen raschen Neuanfang?
von Dohnanyi: Das kommt darauf an. Ich würde es für sehr wichtig halten. Sehen Sie, wir haben mit dem Thema Föderalismusreform begonnen in der Bertelsmann-Stiftung, wo ich das vor etwa zehn Jahren angestoßen habe, dass man sich mit der Frage intensiv befasst. Wir haben dort sehr, sehr gut vorbereitet und haben dann vor einigen Jahren einen Bericht vorgelegt, der "Entflechtung 2005" heißt. Wir wussten also auch schon, warum man eben länger braucht, aber dann auch vor einer nächsten Bundestagswahl rechtzeitig fertig sein müsste. Ich würde es sehr bedauern, wenn die Debatte über den Föderalismus in die Bundestagswahldebatte für 2006 gelänge. Das würde passieren, wenn man sage ich mal über den Sommer 2005 hinaus wartet. Also ich denke die erste Hälfte 2005 müsste eigentlich genutzt werden. Das ist übrigens - so habe ich auch Herrn Müntefering verstanden - auch seine Auffassung. Diese Zeit müsste genutzt werden, um das Thema voranzubringen.
Heuer: In welchem Rahmen sollte es denn vorangebracht werden, mit einer neuen Kommission, mit der alten Kommission, oder vielleicht mit einem Verfassungskonvent, wie die FDP ihn jetzt vorschlägt?
von Dohnanyi: Der Verfassungskonvent ist ja eine schöne Idee, aber ich glaube nicht, dass er uns im Augenblick sehr viel weiterführt. Das könnte man machen, wenn man ein großes Stück vorangekommen ist, eine abschließende Entscheidung getroffen hat und sich dann sozusagen mit viel Zeit noch mal damit befasst, ob damit nun alles erledigt ist und was noch offen ist und was man grundsätzlich noch besser machen könnte. Ich halte aber einen Konvent auf der grünen Wiese jetzt nicht für sehr fruchtbar. Nein: mein Vorschlag wäre, dass man sich dem Bildungsthema zuwendet, und zwar ohne Geben und Nehmen, sondern mit der Frage wo gehört denn was von der Funktion her hin. Da bin ich entschieden der Auffassung, dass das Bildungssystem einschließlich der Hochschulfragen in die Länder gehört. Wir müssen heute Hochschulabschlüsse anerkennen aus Frankreich, aus Finnland, aus Italien, aus allen möglichen Ländern. Warum soll man nicht in Deutschland ein System entwickeln, bei dem sich die Länder darauf einigen, dass sie gegenseitig ihre Hochschulabschlüsse anerkennen, auch wenn die Voraussetzungen für einen erfolgreichen Abschluss in allen Ländern nicht die gleichen sind.
Heuer: Wenn wir beim Bildungsthema bleiben oder auch bei den Finanzfragen, die Sie vorhin angesprochen haben. Horst Köhler, der Bundespräsident, hat ja angeboten, sich wenigstens mittelbar in neue Reformgespräche einzuschalten. Könnte das in diesen schwierigen Fragen den Durchbruch bringen?
von Dohnanyi: Das weiß ich nicht, aber ich halte das für sehr fruchtbar und für sehr nützlich, wenn der Bundespräsident sich in dieser Frage einschaltet. Er kennt auch die internationale Szene. Es ist ja so: wir müssen den deutschen Föderalismus ja auch immer wieder vergleichen mit den anderen relativ wenigen Ländern, die föderalistisch organisiert sind, wie zum Beispiel Kanada oder die USA, Australien oder auch die Schweiz. Da stellen wir fest: wir haben natürlich einen ganz zentralen Mangel. Der ist uns von den Alliierten nach dem Zweiten Weltkrieg aufgezwungen worden. Wir haben nämlich keine durchgehende Bundesverwaltung für Zuständigkeiten des Bundes. Oder anders ausgedrückt: der Bundesfinanzminister macht zwar im Bundestag gemeinsam mit dem Bundesrat die Gesetzgebung zu den Steuern, aber die Bundessteuern werden gewissermaßen von den Ländern eingetrieben. Der Bund hat nicht wie in den USA seine eigenen Gerichte, die seine eigenen Fragestellungen auch bearbeiten und entscheiden, sondern auch das sind Landesgerichte. Diese Trennung, die uns sozusagen einen Bund beschert hat, wo der Bund keinerlei Verankerung auf dem Boden der Wirklichkeit hat, die ist sehr schädlich. Wir werden die auch nicht mehr ändern können, aber um so mehr müssen wir entflechten, eigene Verantwortung von Bund und Ländern herstellen. Wenn wir das nicht machen, werden wir in der schnellen Globalisierung nicht im Stande sein, uns zu behaupten. Davon bin ich tief überzeugt.
Heuer: Es sind ja inhaltlich höchst komplexe Beratungen, die dort stattfinden. Glauben Sie eigentlich, Herr von Dohnanyi, die Bürger verstehen überhaupt noch worum es geht?
von Dohnanyi: Die Bürger verstehen eins: wenn man ihnen klar macht, dass sie eigentlich gar nicht wissen, wer ihr Bundeskanzler ist, weil der Bundeskanzler wechselt alle sechs Monate als Vorsitzender des Vermittlungsausschusses, wenn man das einmal etwas deutlich ausdrückt. Wir haben eine, wie ich das immer genannt habe, perfekt organisierte Unverantwortung der Politik in Deutschland. Niemand weiß, wer was eigentlich zu verantworten hat. Wenn eine Entscheidung im Bundeskabinett gefallen ist und sie geht durch den Bundestag mit knappen Mehrheiten, dann wird sie im Bundesrat eventuell völlig verändert. Dann kann hinterher der Bundeskanzler sagen, ich war es nicht, das war der Bundesrat. Nehmen Sie mal zum Beispiel dieses ganze Problem der Streichung von Subventionen. Ja wer war das eigentlich? Wer ist da eigentlich zuständig? Das haben die Leute verstanden und da wollen die Leute nach meiner Meinung, die Bürgerinnen und Bürger im Land, auch endlich Klarheit haben. Wir wollen nicht, dass die Politik immer den schwarzen Peter hin- und herschieben kann. Sie wollen wissen, wer hat was entschieden und wen können wir dafür entweder loben oder auch abstrafen bei der nächsten Wahl. Wenn man einen solchen Zustand nicht herstellt, dann kann man auch keine wirkliche Beziehung der Bürgerinnen und Bürger zur Politik erwarten.
Heuer: Roman Herzog, Ihr Kollege, der Vorsitzende im Konvent für Deutschland, hat gesagt, die Föderalismusreform sei zu einer Lebensfrage der Republik geworden. Sind die Deutschen, Herr von Dohnanyi, mehrheitlich reformwillig beziehungsweise reformfähig?
von Dohnanyi: Das glaube ich schon! Ich glaube das schon und ich glaube, man muss mit den Menschen wie in allen Ländern der Welt ehrlich reden. Viele werden dann sehen, dass sie auch unter Veränderungen Nachteile bekommen, und viele werden auch sehen, dass es für das Ganze unter Veränderungen Vorteile gibt. Das muss man ausdiskutieren mit den Menschen mit einer langen Perspektive - ich benutze nicht das Wort Vision -, mit einer Sicht darauf, was wird eigentlich aus Deutschland, wie können wir uns eigentlich behaupten, wenn wir in Europa nicht mit einer Stimme sprechen können, wie können wir uns behaupten, wenn wir viel zu langsam sind, um Veränderungen in der Welt auch in Deutschland nachzuvollziehen. Das alles glaube ich verstehen die Menschen. Diesen Dialog muss man mit ihnen führen. Ich finde es schon ziemlich merkwürdig, dass ein Land über Jahre debattiert, in welcher Weise wir das Dosenpfand organisieren, und die wichtigen Fragen des Landes wie zum Beispiel den Föderalismus oder auch zum Beispiel das Thema Aufbau Ost faktisch nicht diskutiert werden. Dosenpfand ganz vorne und die nationalen Fragen eigentlich in der öffentlichen Debatte kaum sichtbar. Das ist nicht gut!
Heuer: Klaus von Dohnanyi, Sozialdemokrat und stellvertretender Vorsitzender im Konvent für Deutschland, im Interview mit dem Deutschlandfunk. Herr von Dohnanyi, herzlichen Dank fürs Gespräch!
von Dohnanyi: Vielen Dank Frau Heuer!