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Von Heidelberg nach Mannheim

Die beiden Uni-Städte Heidelberg und Mannheim machen jetzt mit einem Tausch der besonderen Art auf sich aufmerksam. Bis 2010 soll das Fach Volkswirtschaftslehre in Heidelberg komplett aufgegeben und nach Mannheim verlegt werden. Im Gegenzug kommen die Gymnasiallehrer-Ausbildung, die Technische Informatik und die Mathematik. Gerade aber die Volkswirtschaftler fürchten, dass ihr besonderer Ansatz beim Hin und Her verloren geht.

Von Wolfgang Brauer |
    "Ich denke, dass das Institut geschlossen wird, betrifft mich eigentlich nicht, aber dass die Qualität im Studium abnehmen wird, das wir weniger Auswahl an Fächern haben, dass die Professoren weggehen wollen, das finde ich nicht ganz toll."

    "Glauben Sie, der Ruf der Uni Heidelberg leidet, wenn das Alfred-Weber-Institut nicht mehr hier ist?"

    "Ja, auf jeden Fall, weil Wirtschaftswissenschaften sind – glaube ich – sehr wichtig im Hinblick auf Erstreben von Elite- Uni ist das schon sehr schädlich."

    ...schimpfen diese Heidelberger VWL-Studenten. Bis 2010 soll das Fach Volkswirtschaftslehre in Heidelberg komplett aufgegeben und nach Mannheim verlegt werden. Im Gegenzug wird die Gymnasiallehrer-Ausbildung, die Technische Informatik und die Mathematik von Mannheim nach Heidelberg verlegt. Insgesamt 13 Professuren sollen getauscht werden. Beide Uni-Städte liegen nur 20 Kilometer voneinander entfernt. Deshalb müssen die beiden Hochschulen noch enger als bisher zusammenarbeiten, bekräftigt Michael Schwarz. Er ist Pressesprecher der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg.

    "Ich denke, dass die Idee der Volluniversität sowieso eine Illusion ist in Zeiten, wo nicht mehr so viel Geld vorliegt, dass man an allen Standorten alles anbieten kann und zum Profil der Universität Heidelberg gehören in erster Linie Lebenswissenschaften, die Neurologie, die Molekularwissenschaften, die Medizin..."

    ...und in diese Pläne passt die Volkswirtschaft nicht, obwohl die Heidelberger Fakultät weltweiten Ruf genießt. Mehr als 30 Prozent der Studenten im Fach VWL sind Ausländer.

    Begründet wurde die Volkswirtschaft in Heidelberg vor über 100 Jahren von dem bekannten Nationalökonom und Soziologen Max Weber. Nach dessen Tod 1920 übernahm dessen jüngerer Bruder Alfred Weber das Institut. Nach ihm ist die zentrale volkswirtschaftliche Forschungseinrichtung in Heidelberg heute benannt. Jürgen Eichberger ist geschäftsführender Institutsdirektor.

    "Alfred Weber war einer der bekannten Ökonomen innerhalb Deutschlands mit einem sehr eigenen Schwerpunkt, also nicht, was man heute als Mainstream mathematische Ökonomie bezeichnet, sondern eher in Institutionen und ähnlichen Bereichen beheimatet. Insofern fanden wir, dass die Institutionsökonomik hier in eine Tradition anschließt und sich auch abgrenzt gegen die Nachbardisziplinen in Heidelberg."

    Volkswirtschafslehre besteht eben nicht nur aus trockene mathematische Formeln! Doch dieser eigenständige Heidelberger Ansatz der Volkswirtschaftslehre geht wohl verloren, wenn das Fach komplett nach Mannheim verlegt wird. Hinzu kommt: Viele Professuren sind derzeit unbesetzt. Sie werden bei einem Wechsel nach Mannheim wohl nicht mehr besetzt werden, befürchtet der Institutsdirektor.

    "Wenn das so ist, wie sich das mir darstellt, wird Volkswirtschaftslehre schon radikal abgebaut. Das heißt, die Vorstellung ist, dann Mannheim in etwa auf dem Niveau bleibt, dass sie bis jetzt hat, allerdings einige der Stellen der älteren Professoren nicht besetzen kann, weil sie aus Heidelberg welche dazu bekommt, dass aber insgesamt die Größenordnung des AWIs wegfällt."

    Besonders ärgert den Institutsdirektor, dass er in den vergangenen Jahren die Volkswirtschaft in Heidelberg neu strukturiert und mit der Politischen Wissenschaft und der Soziologie in einer neuen Fakultät vereinigt hat – ganz im Sinne von Max und Alfred Weber. Er war davon ausgegangen, dass die Volkswirtschaft in Heidelberg Bestand hat. Die Entscheidung der Rektoren in Mannheim und Heidelberg vor zwei Wochen traf ihn wie ein Schlag.

    "Das Problem ist, dass man mit uns, mit den Betroffenen, nicht gesprochen hat, unseren Rat nicht eingeholt hat. Ich war jahrelang im Ausland, was mir nie vorgekommen ist, dass man bei einer so massiven Entscheidung überhaupt keinen Rat der Betroffenen einholt. Die Pressemitteilung, die sie im Internet finden, ist alles, was da ist meines Wissens. Es gibt nichts Schriftliches, dann finde ich das insgesamt schon skandalös und das ist auch nicht gut für die Wirtschaftswissenschaften in Deutschland."

    In Mannheim ist die Entscheidung über den Fächertausch schon gefallen, in Heidelberg soll der Universitätssenat nächste Woche entscheiden.