Jürgen Liminski: Soviel Nahtlosigkeit war nie. Nicht einmal Haarrisse seien auszumachen, meinte der Regierungssprecher, nachdem der Gegensatz in der Türkeipolitik, zwischen CDU und vor allem CSU auf der einen und der SPD auf der anderen Seite, nicht mehr zu verbergen gewesen war. Aber einen Koalitionskrach wollte deswegen auch niemand riskieren, schon gar nicht so kurz vor der EU-Präsidentschaft, in der man als Außenminister oder Kanzlerin manche Akzente setzen kann, also entschied man sich für die vorläufige Nahtlosigkeit. Mehr Gemeinsamkeiten dürfte es in der Nahost-Politik geben. Hier will Deutschland während der EU-Präsidentschaft mit neuen Initiativen Akzente setzen. Ist das überhaupt möglich? Wie entscheidend ist der europäische Beitrag in Nahost? Zu diesen und anderen Fragen begrüße ich am Telefon Eckart von Klaeden, den außenpolitischen Sprecher der Unionsfraktion. Guten Morgen, Herr von Klaeden.
Eckart von Klaeden: Guten Morgen, Herr Liminski.
Liminski: Herr von Klaeden, der israelische Premier hat bewusst oder unbewusst in einem Interview die Krallen gezeigt, indem er von der israelischen Atombombe sprach. Gestern nahm er seine Äußerungen wieder zurück. Ist das als Warnung an die iranische oder auch die arabische Seite zu interpretieren, denn das wissen ja nun alle, dass Israel schon seit Jahren Atomwaffen hat?
von Klaeden: Ob es sich um einen Versprecher handelt von Herrn Olmert oder ob es eine solche Drohung gewesen ist, das werden wir sicherlich, jedenfalls in naher Zeit, nicht herausfinden können. Aber wenn man einmal die jüngsten Ereignisse im Iran beobachtet - gestern zum Beispiel hat auf der Holocaust-Leugner-Konferenz Ahmadinedschad wörtlich gesagt: "Mit Gottes Segen läuft der Countdown für den Zerfall Israels und dies ist der Wunsch aller Nationen der Welt". Wir kennen ja die deutlichen Hinweise auf das iranische militärische Nuklearprogramm, dann kann man verstehen, dass in Israel die Nerven blank liegen und dass man auch darüber nachdenkt, Iran durch Abschreckung in die Schranken zu weisen.
Liminski: Die finnische EU-Ratspräsidentschaft erwartet nun eine Erklärung Israels, weil ein offizielles Eingeständnis Atomwaffen zu besitzen den Rüstungswettlauf anfeuern könnte. Wird Deutschland auf eine Klärung drängen oder ist man zufrieden mit den nachgeschobenen Worten Olmerts?
von Klaeden: Ich glaube jedenfalls, dass wir nicht mehr von Israel erfahren werden, als das was Olmert gesagt hat. Und wenn man sich einmal in die Situation Israels versetzt und die israelische Sicherheitsstrategie sich vor Augen führt, dann gehört ja auch ein gewisses Maß an Unsicherheit dazu, zu der Abschreckung möglicher Angreifer von Seiten Israels, und deswegen werden wir von Israel nicht weitere Auskünfte bekommen. Ich persönlich gehe davon aus, dass Israel über ein Nuklearprogramm verfügt.
Liminski: Deutschland will im EU-Vorsitz neue Nahost-Initiativen starten. Wo kann man da ansetzen und hat Außenminister Steinmeier das nicht schon mit seinem Besuch in Syrien versucht?
von Klaeden: Über den Syrienbesuch können wir ja vielleicht gleich noch sprechen. Ich glaube, dass die Ansatzpunkte vor allem sein können was die Unterstützung der moderaten Kräfte unter den Palästinensern angeht. Ich bin Ende Oktober mit unserem Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder in Israel gewesen und bei der Gelegenheit habe ich dann auch den palästinensischen Präsidenten Abbas getroffen. Und zu dem Zeitpunkt war er ganz optimistisch, dass man eine Regierung der nationalen Einheit zustande bekommen kann, die auch bereit ist die drei Bedingungen des Nahost-Quartetts anzuerkennen. Diese Hoffnung hat sich in den letzten Wochen wieder ein wenig verflüchtigt, aber ansetzen müssen wir, die moderaten Kräfte unter den Palästinensern, also die Fatah, zu unterstützen und gleichzeitig auf Transformation der Fatah zu drängen, wie es Präsident Abbas in dem Gespräch auch deutlich gemacht hat. Denn die Fatah hat ja ihre Wahlen vor allem deswegen verloren, weil sie in der Bevölkerung als unfähig und korrupt angesehen wird. Und dieses Problem ist erkannt, und was wir dort zur Transformation der moderaten Kräfte tun können und zu ihrer Unterstützung sollten wir unternehmen.
Liminski: Aber nun hat die Hamas die Wahlen gewonnen. Halten Sie denn die Hamas für friedensfähig?
von Klaeden: So lange die Hamas die Kriterien nicht anerkennt - und es wird ja manchmal in der öffentlichen Diskussion so getan, als seien das Kriterien die für die Hamas nicht zu akzeptieren seien. Es sind im Grunde die Minima des menschlichen Zusammenlebens unter Staaten, nämlich dass man seinen Nachbarn nicht vernichten will - so lange die Hamas nicht bereit ist, diese Kriterien anzuerkennen, muss man an ihrem Friedenswillen ernste Zweifel haben. Aber sobald sie bereit ist, zum Beispiel im Rahmen einer Regierung wie ich sie gerade angesprochen habe, diese Kriterien anzuerkennen und sie sich auch keine argumentativen Hintertüren lässt, sind wir selbstverständlich bereit, auch mit der Hamas zu verhandeln und über die Unterstützung einer palästinensischen Regierung an der sie beteiligt ist nachzudenken und die auch möglich zu machen. Aber zunächst einmal muss die Hamas die Essentialia negotii erfüllen.
Liminski: Zur Reise von Außenminister Steinmeier nach Syrien, da hatten Sie uns auf später vertröstet.
von Klaeden: Ja, also ich kann verstehen, dass Außenminister Steinmeier erneut den Versuch unternommen hat, Syrien einzubinden, und mit der Hoffnung hingefahren ist, ein konstruktives Signal aus Damaskus mitbringen zu können. Diese Hoffnung hat sich leider nicht erfüllt. Und ich bin in der letzten Woche in London und Paris gewesen und habe da feststellen können, dass auch die dortigen Regierungen Syrien gegenüber, zur Zeit jedenfalls, sehr skeptisch sind. Also es sind nicht alleine die Amerikaner, die das derzeitige Verhalten Syriens sehr skeptisch beurteilen. Es besteht, so ist ja unsere Analyse, am Ende doch ein wohlverstandenes Interesse Syriens daran, nicht in jeder Hinsicht mit dem Iran in einen Topf geworfen zu werden. Und Syrien müsste als laizistisches Regime eigentlich auch kein Interesse daran haben, dass im Libanon der Einfluss der Hisbollah stärker wird, so dass Syrien dann sowohl im Osten wie im Westen ein schiitisches Regime hätte. Aber bisher fehlt eben von Seiten Syriens die Bereitschaft, konstruktive Schritte zu unternehmen, sowohl was die Anerkennung des Libanon angeht, die Aufnahme diplomatischer Beziehungen, wie es ja die Vereinten Nationen, der Sicherheitsrat, von Syrien schon seit langem fordern, als auch konstruktive Schritte in Richtung Irak. Und so lange wird man Verhandlungen und weiteren Schritten Syriens gegenüber skeptisch sein müssen.
Liminski: Über den Misserfolg der Syrienreise Steinmeiers ist sich die Kanzlerin auch gestern mit Olmert einig gewesen. Allerdings gibt es noch einen Dissens mit Israel: Olmert meint, man soll mit Syrien überhaupt nicht reden, Merkel und Steinmeier wollen das nicht ausschließen. Kann man denn eine Nahost-Lösung allein auf ein Arrangement zwischen Israelis und Palästinensern beschränken?
von Klaeden: Nein, das wird man sicherlich nicht tun können. Wir haben ja gerade auch schon über die Lage im Libanon gesprochen und die Stützung und Stabilisierung der Regierung Siniora ist sicherlich auch ein wichtiger Baustein in so einer Gesamtlösung für den Nahen Osten. Und ich kann mir auch eine dauerhafte Friedenslösung im Nahen Osten ohne Syrien nicht vorstellen. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass von Syrien jetzt konstruktive Schritte erforderlich sind. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht immer wieder durch eine, wie soll ich sagen, ich will nicht sagen naive, aber durch eine Analyse des syrischen Verhaltens, die nicht ausreichend das bisherige syrische Verhalten einbezieht, den Eindruck erwecken, als läge es vor allem am Westen, dass es mit Syrien nicht vorangeht. Es ist jetzt die Pflicht Syriens einen konstruktiven Beitrag zu leisten und das kann Syrien tun, zum Beispiel im Hinblick auf den Libanon. Der Libanon wird ja diplomatisch von Syrien immer noch nicht anerkannt und das ist erst einmal ein konstruktiver Schritt, ein wesentlicher Schritt Syriens, der mit dem Verhältnis zu Israel auch überhaupt nichts zu tun hat.
Eckart von Klaeden: Guten Morgen, Herr Liminski.
Liminski: Herr von Klaeden, der israelische Premier hat bewusst oder unbewusst in einem Interview die Krallen gezeigt, indem er von der israelischen Atombombe sprach. Gestern nahm er seine Äußerungen wieder zurück. Ist das als Warnung an die iranische oder auch die arabische Seite zu interpretieren, denn das wissen ja nun alle, dass Israel schon seit Jahren Atomwaffen hat?
von Klaeden: Ob es sich um einen Versprecher handelt von Herrn Olmert oder ob es eine solche Drohung gewesen ist, das werden wir sicherlich, jedenfalls in naher Zeit, nicht herausfinden können. Aber wenn man einmal die jüngsten Ereignisse im Iran beobachtet - gestern zum Beispiel hat auf der Holocaust-Leugner-Konferenz Ahmadinedschad wörtlich gesagt: "Mit Gottes Segen läuft der Countdown für den Zerfall Israels und dies ist der Wunsch aller Nationen der Welt". Wir kennen ja die deutlichen Hinweise auf das iranische militärische Nuklearprogramm, dann kann man verstehen, dass in Israel die Nerven blank liegen und dass man auch darüber nachdenkt, Iran durch Abschreckung in die Schranken zu weisen.
Liminski: Die finnische EU-Ratspräsidentschaft erwartet nun eine Erklärung Israels, weil ein offizielles Eingeständnis Atomwaffen zu besitzen den Rüstungswettlauf anfeuern könnte. Wird Deutschland auf eine Klärung drängen oder ist man zufrieden mit den nachgeschobenen Worten Olmerts?
von Klaeden: Ich glaube jedenfalls, dass wir nicht mehr von Israel erfahren werden, als das was Olmert gesagt hat. Und wenn man sich einmal in die Situation Israels versetzt und die israelische Sicherheitsstrategie sich vor Augen führt, dann gehört ja auch ein gewisses Maß an Unsicherheit dazu, zu der Abschreckung möglicher Angreifer von Seiten Israels, und deswegen werden wir von Israel nicht weitere Auskünfte bekommen. Ich persönlich gehe davon aus, dass Israel über ein Nuklearprogramm verfügt.
Liminski: Deutschland will im EU-Vorsitz neue Nahost-Initiativen starten. Wo kann man da ansetzen und hat Außenminister Steinmeier das nicht schon mit seinem Besuch in Syrien versucht?
von Klaeden: Über den Syrienbesuch können wir ja vielleicht gleich noch sprechen. Ich glaube, dass die Ansatzpunkte vor allem sein können was die Unterstützung der moderaten Kräfte unter den Palästinensern angeht. Ich bin Ende Oktober mit unserem Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder in Israel gewesen und bei der Gelegenheit habe ich dann auch den palästinensischen Präsidenten Abbas getroffen. Und zu dem Zeitpunkt war er ganz optimistisch, dass man eine Regierung der nationalen Einheit zustande bekommen kann, die auch bereit ist die drei Bedingungen des Nahost-Quartetts anzuerkennen. Diese Hoffnung hat sich in den letzten Wochen wieder ein wenig verflüchtigt, aber ansetzen müssen wir, die moderaten Kräfte unter den Palästinensern, also die Fatah, zu unterstützen und gleichzeitig auf Transformation der Fatah zu drängen, wie es Präsident Abbas in dem Gespräch auch deutlich gemacht hat. Denn die Fatah hat ja ihre Wahlen vor allem deswegen verloren, weil sie in der Bevölkerung als unfähig und korrupt angesehen wird. Und dieses Problem ist erkannt, und was wir dort zur Transformation der moderaten Kräfte tun können und zu ihrer Unterstützung sollten wir unternehmen.
Liminski: Aber nun hat die Hamas die Wahlen gewonnen. Halten Sie denn die Hamas für friedensfähig?
von Klaeden: So lange die Hamas die Kriterien nicht anerkennt - und es wird ja manchmal in der öffentlichen Diskussion so getan, als seien das Kriterien die für die Hamas nicht zu akzeptieren seien. Es sind im Grunde die Minima des menschlichen Zusammenlebens unter Staaten, nämlich dass man seinen Nachbarn nicht vernichten will - so lange die Hamas nicht bereit ist, diese Kriterien anzuerkennen, muss man an ihrem Friedenswillen ernste Zweifel haben. Aber sobald sie bereit ist, zum Beispiel im Rahmen einer Regierung wie ich sie gerade angesprochen habe, diese Kriterien anzuerkennen und sie sich auch keine argumentativen Hintertüren lässt, sind wir selbstverständlich bereit, auch mit der Hamas zu verhandeln und über die Unterstützung einer palästinensischen Regierung an der sie beteiligt ist nachzudenken und die auch möglich zu machen. Aber zunächst einmal muss die Hamas die Essentialia negotii erfüllen.
Liminski: Zur Reise von Außenminister Steinmeier nach Syrien, da hatten Sie uns auf später vertröstet.
von Klaeden: Ja, also ich kann verstehen, dass Außenminister Steinmeier erneut den Versuch unternommen hat, Syrien einzubinden, und mit der Hoffnung hingefahren ist, ein konstruktives Signal aus Damaskus mitbringen zu können. Diese Hoffnung hat sich leider nicht erfüllt. Und ich bin in der letzten Woche in London und Paris gewesen und habe da feststellen können, dass auch die dortigen Regierungen Syrien gegenüber, zur Zeit jedenfalls, sehr skeptisch sind. Also es sind nicht alleine die Amerikaner, die das derzeitige Verhalten Syriens sehr skeptisch beurteilen. Es besteht, so ist ja unsere Analyse, am Ende doch ein wohlverstandenes Interesse Syriens daran, nicht in jeder Hinsicht mit dem Iran in einen Topf geworfen zu werden. Und Syrien müsste als laizistisches Regime eigentlich auch kein Interesse daran haben, dass im Libanon der Einfluss der Hisbollah stärker wird, so dass Syrien dann sowohl im Osten wie im Westen ein schiitisches Regime hätte. Aber bisher fehlt eben von Seiten Syriens die Bereitschaft, konstruktive Schritte zu unternehmen, sowohl was die Anerkennung des Libanon angeht, die Aufnahme diplomatischer Beziehungen, wie es ja die Vereinten Nationen, der Sicherheitsrat, von Syrien schon seit langem fordern, als auch konstruktive Schritte in Richtung Irak. Und so lange wird man Verhandlungen und weiteren Schritten Syriens gegenüber skeptisch sein müssen.
Liminski: Über den Misserfolg der Syrienreise Steinmeiers ist sich die Kanzlerin auch gestern mit Olmert einig gewesen. Allerdings gibt es noch einen Dissens mit Israel: Olmert meint, man soll mit Syrien überhaupt nicht reden, Merkel und Steinmeier wollen das nicht ausschließen. Kann man denn eine Nahost-Lösung allein auf ein Arrangement zwischen Israelis und Palästinensern beschränken?
von Klaeden: Nein, das wird man sicherlich nicht tun können. Wir haben ja gerade auch schon über die Lage im Libanon gesprochen und die Stützung und Stabilisierung der Regierung Siniora ist sicherlich auch ein wichtiger Baustein in so einer Gesamtlösung für den Nahen Osten. Und ich kann mir auch eine dauerhafte Friedenslösung im Nahen Osten ohne Syrien nicht vorstellen. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass von Syrien jetzt konstruktive Schritte erforderlich sind. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht immer wieder durch eine, wie soll ich sagen, ich will nicht sagen naive, aber durch eine Analyse des syrischen Verhaltens, die nicht ausreichend das bisherige syrische Verhalten einbezieht, den Eindruck erwecken, als läge es vor allem am Westen, dass es mit Syrien nicht vorangeht. Es ist jetzt die Pflicht Syriens einen konstruktiven Beitrag zu leisten und das kann Syrien tun, zum Beispiel im Hinblick auf den Libanon. Der Libanon wird ja diplomatisch von Syrien immer noch nicht anerkannt und das ist erst einmal ein konstruktiver Schritt, ein wesentlicher Schritt Syriens, der mit dem Verhältnis zu Israel auch überhaupt nichts zu tun hat.