Simon: Halten Sie es für wichtig, oder nicht wichtig, dass direkte Wahlen erst früher oder später stattfinden werden?
Von Sponeck: Schauen Sie, es ist, wie Lakhdar Brahimi, der Sonderbotschafter von Kofi Annan, gesagt hat: Schlecht durchgeführte Wahlen werden sich schlecht auswirken auf die politische Zukunft des Landes. Man muss vorbereitet sein. Wir haben das jetzt immer wieder gehört, die Forderung, dass man sich vorbereiten muss. Dann soll man jetzt anfangen, sich vorzubereiten. Da hapert es, glaube ich, noch. Man sieht nicht konkrete Anfänge einer Vorbereitung auf Direktwahlen. Direktwahlen ist das, was die Schiiten natürlich besonders, die Kurden weniger, fordern. Da müssen jetzt Zeichen gesetzt werden, dass man den Anfang macht.
Simon: Stimmt denn nach Ihren Erfahrungen und Gesprächen wenigstens der Eindruck, dass zumindest die von Ihnen angesprochenen Kurden, und viele Schiiten im Süden, heute immer noch zufriedener sind im Irak, als zu Saddams Zeiten?
Von Sponeck: Ob man heute mehr zufrieden ist, als man es vorher war, das ist eine schwierige Frage. Natürlich ist die große Mehrheit der Überzeugung, dass es höchste Zeit war, dass Diktator Saddam Hussein von der Bildfläche verschwand. Aber das heißt nicht, dass man heute mit der Situation zufrieden ist. Ich glaube die meisten politisch gebildeten Menschen, zumindest die, mit denen ich spreche, im Irak und auch in der Golf-Region, wo eine große Zahl von Irakern sich angesiedelt haben, ist die, dass man sich jetzt fürchtet, dass sich dieses Chaos weiter ausbreitet, dass eine Anarchie existiert und dass damit das, was viele von uns eigentlich nicht für möglich gehalten haben, eintreten könnte: die Gefahr der Zersplitterung.
Simon: Glauben Sie denn, dass die Übergabe an eine irakische Regierung, an eine Interimsregierung, daran etwas ändern kann?
Von Sponeck: Sicher nicht, wenn man eine wie von den Amerikanern vorgeschlagene indirekte Wahl durchführt. Direktwahlen, die passabel vorbereitet werden, die in der Grundtendenz korrekt vorbereitet sind - ich glaube, das würde zu einer Beruhigung führen. Zumindest würde es in der großen Mehrzahl der Bürger, besonders der Schiiten eine gewisse Beruhigung hervorbringen. Die große Karte, das sage ich immer wieder, ist von dem Groß-Ayatollah Sistani ja noch gar nicht gespielt worden: Er hat seine Massen noch gar nicht eingesetzt. Aber wenn man jetzt noch lange zögert und keine konkreten Pläne vorlegt, ich glaube dann wird es zu einer Ungeduld kommen, die sich sicher nicht gut für die Zukunft des Landes auswirken wird.
Simon: Herr von Sponeck, Sie sprachen eine mögliche Bedrohung durch eine Zersplitterung des Landes an. In der Golfregion ist das natürlich eine der meist gefürchteten Optionen überhaupt. Wie geht man damit um, mit dem derzeitigen Zustand des Irak?
Von Sponeck: Ich muss da vorsichtig sein. Man darf da nicht zu schnelle Schlussfolgerungen treffen, aber das, was ich in den letzten sechs, sieben Tagen in zwei Golfstaaten, in den Emiraten und Katar immer wieder gehört habe ,zeigt, dass man hier eine absolut gespaltene Position einnimmt. Auf der einen Seite ist man bereit zu konzedieren, dass dieser Wechsel notwendig war, aber die anti-amerikanischen Gefühle, besonders in der Öffentlichkeit hier, sind ungeheuer groß. Das steht im Widerspruch zu dem, was man von den politischen Führern in diesen Ländern zu hören bekommt, die natürlich in ihrer Aussage sehr viel vorsichtiger sind. Aber immer wieder hört man Dinge, die bezeugen, dass man im Grunde genommen die Amerikaner aus der ganzen Region entfernt sehen will. Die Bevölkerung ist sehr viel mehr antiamerikanisch geworden, als sie es vorher gewesen ist. Das sage ich aufgrund von Reisen in der Region vor einem Jahr, im Vergleich zu den Gefühlen die man heute hören und sehen kann, die sich nicht ausdrücken in der Presse, aber die sich ausdrücken in Gesprächen, die man mit Personen am Ort hat.