Christian Schütte: Auch wenn die Temperaturen derzeit nicht ganz halten, was die Jahreszeit verspricht; laut Kalender haben wir Sommer in Deutschland. Wirtschaftsforscher und Arbeitsmarktexperten blicken allerdings bereits mit Sorge auf den Winter. Sie sagen, Deutschland muss sich warm anziehen: zum einen im wörtlichen Sinne. Jedenfalls heißt es aus dem Deutschen Gewerkschaftsbund, dies wird der erste Winter seit langem sein, in dem zehn Tausende Deutsche ihre Heizkosten nicht mehr bezahlen können. Warm anziehen aber auch im übertragenen Sinn. Aus dem Münchener Konjunkturforschungsinstitut Ifo zum Beispiel hören wir von einer bevorstehenden Konsumflaute angesichts steigender Energie- und Lebensmittelpreise. Die Auftragslage für Unternehmen sei "grottenschlecht" - mit entsprechenden negativen Folgen für den Arbeitsmarkt.
Darüber spreche ich nun mit Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertags. Guten Morgen, Herr Wansleben!
Martin Wansleben: Herr Schütte, guten Morgen!
Schütte: Trotz der Beteuerungen aus der Politik, dass es dann doch nicht so schlimm kommen werde, sind die Anzeichen für den Abschwung in Deutschland noch zu leugnen?
Wansleben: Also jetzt muss ich erst mal sagen: hier in Berlin scheint die Sonne und insofern ziehen wir uns im Moment noch nicht warm an. - Aber jetzt Scherz bei Seite!
Schütte: Aber scheint auch in der Wirtschaft künftig noch die Sonne?
Wansleben: Ja, ja. Das ist die entscheidende Frage. - Also es ist überhaupt keine Frage. Wir haben wirklich gute Jahre hinter uns und es gibt einige Elemente oder einige Faktoren, die einem Sorgen machen können. Aber jetzt schon von Vornherein die Krise auszurufen, halte ich für übertrieben. Ich glaube wir müssen uns mit einer Abkühlung auseinandersetzen und wir müssen fragen, was wir hier in Deutschland tun können, damit es uns nicht so negativ erwischt, wie einige das jetzt vorhersagen.
Schütte: Also weiterhin für 2008 1,7 Prozent Wachstum, wie es die Bundesregierung sagt, und im kommenden Jahr noch 1,2 Prozent. Ist das nicht zu optimistisch?
Wansleben: Wir sagen sogar für dieses Jahr eher 2,3 Prozent als 1,7 Prozent, weil wir in dieses Jahr mit einer gehörigen Portion von Rückenwind aus dem letzten Jahr von fast einem Prozentpunkt gestartet sind. Das heißt also dieses Jahr ist schon fast im Bunker, wenn nicht jetzt wirklich die Erde einbricht, und so sieht es nun wirklich nicht aus.
Schütte: Herr Wansleben, Ihre Einschätzungen überraschen dann doch ein bisschen, denn die Zahlen, die Statistiken sprechen offenbar eine andere Sprache. Die Preise steigen. Die Inflationsrate beispielsweise im Euro-Raum ist auf Rekordhoch. Die Erzeugerpreise, das heißt die Preise, zu denen Handel und Unternehmen einkaufen, lagen im Juni in Deutschland 6,7 Prozent über dem Stand noch vor einem Jahr. Sind das keine deutlichen Anzeichen für einen Abschwung?
Wansleben: Es gibt Anzeichen für einen Abschwung und es gibt nach wie vor stabilisierende Anzeichen. Lassen wir mal einige nennen. Finanzmarktkrise, Energiepreise, Ölpreise - Sie nannten es - führen hier in Deutschland, in Europa, in den USA ganz klar zu Dämpfungen. Auf der anderen Seite gibt es natürlich auch Gewinner von dieser Entwicklung: Russland, der arabische Raum, teilweise Südamerika. Die kaufen nach wie vor ganz ordentlich. Nicht zu vergessen Indien und China. Das heißt also, wir haben nicht diese einseitige Entwicklung, jetzt geht die ganze Welt konjunkturell runter, sondern es gibt noch Märkte, die durchaus stabil sind. Aber es ist keine Frage: es gibt auch Momente, die nicht mehr so gut aussehen. Auf der anderen Seite haben wir nach wie vor eine gute Beschäftigungssituation. Das dürfen wir nicht vergessen. Wir haben bei den Erwerbstätigen, wir haben bei den Arbeitslosen wirklich, ich sage jetzt mal, Rekordwerte zum Positiven hin, die wir in den letzten 10, 20 Jahren so nicht gehabt haben, die gewissermaßen auch einen Stabilisierungsfaktor darstellen. Aber wir als Verbraucher müssen in Zukunft mehr Geld ausgeben für Energie. Das stimmt.
Schütte: Martin Kannegießer, Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, beurteilt die Aussichten für den Arbeitsmarkt nicht ganz so rosig. Er sagt, in vielen Firmen reichen die Aufträge nur noch bis Jahresende - mit entsprechenden Konsequenzen für den Arbeitsmarkt. Liegt er mit seiner Einschätzung richtig?
Wansleben: Das klingt natürlich sehr fürchterlich. Wenn wir am Anfang des Jahres sagen, in vielen Unternehmen reicht der Auftrag nur noch bis Jahresende, dann haben die ja immerhin 12 Monate Auftragspolster. Jetzt haben sie noch vier oder fünf Monate Auftragspolster. Herr Kannegießer - das weiß ich - hat verschiedene Unternehmen besucht und hat dort solche Entwicklungen festgestellt. Das ist im Moment aber kein flächendeckendes Phänomen. Ich glaube was richtig ist: Wir sollten uns jetzt weniger darin ergehen, irgendwelche Schreckensszenarien aufzumalen. Wir müssen uns überlegen, was wir hier in Deutschland tun können, was wir in Europa tun können, um jetzt nicht haltlos in eine negative Entwicklung hinein zu kommen. Und ich glaube da können wir eine ganze Menge tun!
Schütte: Bevor wir darauf zu sprechen kommen noch kurz: "Ein bisschen Rückgang", sagen Sie. Was bedeutet das konkret zum Beispiel für den Arbeitsmarkt?
Wansleben: In diesem Jahr rechnen wir ja noch damit - und das zeigen im Moment auch die Entwicklungen - dass wir noch mal Beschäftigungsaufbau haben werden. In diesem Jahr, sage ich noch einmal, ist keine Krise angesagt.
Wir haben im Moment unsere Umfragen noch nicht durch. Die werden wir im Herbst dann vorstellen. Für das nächste Jahr sagen wir, können wir in der Tat froh sein, wenn wir eine Eins vor dem Komma haben. Das heißt also wir rechnen mit einer Abkühlung im nächsten Jahr. Das kann bedeuten, dass wir im nächsten Jahr keinen Beschäftigungsaufbau mehr haben. Das kann bedeuten, dass es etwas runter geht. Aber im Moment - ich möchte das noch mal deutlich sagen - gibt es keine Anzeichen dafür, dass wir in eine wirkliche Krise hineinlaufen. Sie müssen sich mal angucken, wie die Ölpreise sich entwickelt haben. Noch vor wenigen Jahren, Ende 1999 ungefähr, 1998, lag der bei 10, 20 Dollar. Dann ging er auf 50 Dollar und jetzt sind wir wieder zurück auf 120. Aber damals hätte man gedacht, bei 120, 130 Dollar pro Barrel brauchen wir nur noch zu überlegen, wer als letzter das Licht ausmacht. Das heißt, wir dürfen auch die Anpassungsfähigkeit von Wirtschaftssystemen, von Unternehmen nicht unterschätzen. Aber dass im Moment Branchen wie die Automobilindustrie daran zu knabbern haben, das ist keine Frage.
Schütte: Herr Wansleben, wenn Sie sagen, da wird eine Krise herbeigeredet, so schlecht geht es uns dann gar nicht. Woher kommt trotzdem diese schlechte Stimmung?
Wansleben: Wir sind im Moment verwöhnt und es gibt im Moment in einigen Branchen Schwierigkeiten und da kann man schon Angst kriegen. Und ich sage auch: man kann auch Angst kriegen, was wir zum Beispiel hier in Deutschland machen. Bei Tarifforderungen kann man schon Angst kriegen, wie hoch die im Moment gehen, welche Ansprüche formuliert werden. Und man kann durchaus auch Angst kriegen - ich sage das jetzt mal so deutlich -, wie kopflos manche Diskussionen zum Beispiel über die Frage der Energie, Energieversorgung in Zukunft laufen.
Schütte: Greifen wir noch mal das Thema Arbeitsmarkt und die Zukunft auf. Da wollten wir noch mal weiter schauen, was man in Deutschland eigentlich machen könnte. Niemand kann genau wissen, was uns erwartet. Die Anzeichen lassen sich nicht so ohne Weiteres deuten, sagen Sie. Aber bei so viel Ungewissheit, sollte dann die Bundesregierung nicht doch für alle Fälle ein Konjunkturprogramm auflegen, falls es dann doch zu einem Abschwung kommt?
Wansleben: Wir brauchen kein Konjunkturprogramm im klassischen Sinne, dass die Bundesregierung jetzt hingehen soll, um Geld auszugeben, um Nachfrage zu stimulieren. Was wir brauchen: Wir brauchen eine klare, konsistente Politik. Zum Beispiel das ganze Thema Mindestlohn. Das kommt natürlich jetzt genau zur Unzeit. Wer jetzt Mindestlohn einführt muss wissen, dass er die Anpassungsfähigkeit der Wirtschaft erheblich schwächt, und der muss wissen, dass er dadurch zusätzlich Arbeitslose produziert. Das ist überhaupt keine Frage.
Schütte: Andererseits könnten Entlastungen für Einkommensschwache auch eine notwendige Korrektur sein, um die Binnenkonjunktur dann wieder anzutreiben.
Wansleben: Wir sagen ganz klar: was wir brauchen ist, wir müssen die Sozialbeiträge senken. Da gibt es Freiräume, Spielräume in der Arbeitslosenversicherung auf unter drei Prozent. Die müssen jetzt dringend genutzt werden. Das sind mehrere Milliarden, die man dort freimachen kann. Wir brauchen eine Steuerreform. Die Progression greift viel zu früh. Also mehr Netto! Wir brauchen einen Stopp des Gesundheitsfonds. Der wird zu höheren Krankenkassenbeiträgen führen, was wir uns jetzt überhaupt nicht leisten können. Lassen Sie mich noch einen anderen pragmatischen Punkt nennen: Wer jetzt die Maut erhöht, der hat nun wirklich die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Die Mauterhöhung muss ausgesetzt werden. Und wir brauchen ein wirklich glaubwürdiges, langfristig tragfähiges Energiekonzept. Was da im Moment stattfindet, kann uns Bürgerinnen und Bürger einfach nur verunsichern, wenn wir sehen, dass Themen die wirklich Lebensgrundlage sind, derartig ideologisiert und einseitig diskutiert werden.
Schütte: Noch kurz. Was müsste als Sofortmaßnahme in der Energiepolitik passieren?
Wansleben: Was wir brauchen ist, wir brauchen ein Konzept für mehr Energieeffizienz. Wir selbst als IHK-Organisation sind mit dabei, Aktivitäten vorzuschlagen. Wir müssen rational über das Thema "Ausstieg aus dem Ausstieg der Kernenergie" diskutieren. Das ist für mich überhaupt keine Frage. Wer jetzt einseitig sagt, wir verzichten auf Energiequellen, der irrt. Wir müssen jede Chance nutzen.
Schütte: Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages. Ich danke Ihnen für das Gespräch.
Wansleben: Bitte sehr!
Darüber spreche ich nun mit Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertags. Guten Morgen, Herr Wansleben!
Martin Wansleben: Herr Schütte, guten Morgen!
Schütte: Trotz der Beteuerungen aus der Politik, dass es dann doch nicht so schlimm kommen werde, sind die Anzeichen für den Abschwung in Deutschland noch zu leugnen?
Wansleben: Also jetzt muss ich erst mal sagen: hier in Berlin scheint die Sonne und insofern ziehen wir uns im Moment noch nicht warm an. - Aber jetzt Scherz bei Seite!
Schütte: Aber scheint auch in der Wirtschaft künftig noch die Sonne?
Wansleben: Ja, ja. Das ist die entscheidende Frage. - Also es ist überhaupt keine Frage. Wir haben wirklich gute Jahre hinter uns und es gibt einige Elemente oder einige Faktoren, die einem Sorgen machen können. Aber jetzt schon von Vornherein die Krise auszurufen, halte ich für übertrieben. Ich glaube wir müssen uns mit einer Abkühlung auseinandersetzen und wir müssen fragen, was wir hier in Deutschland tun können, damit es uns nicht so negativ erwischt, wie einige das jetzt vorhersagen.
Schütte: Also weiterhin für 2008 1,7 Prozent Wachstum, wie es die Bundesregierung sagt, und im kommenden Jahr noch 1,2 Prozent. Ist das nicht zu optimistisch?
Wansleben: Wir sagen sogar für dieses Jahr eher 2,3 Prozent als 1,7 Prozent, weil wir in dieses Jahr mit einer gehörigen Portion von Rückenwind aus dem letzten Jahr von fast einem Prozentpunkt gestartet sind. Das heißt also dieses Jahr ist schon fast im Bunker, wenn nicht jetzt wirklich die Erde einbricht, und so sieht es nun wirklich nicht aus.
Schütte: Herr Wansleben, Ihre Einschätzungen überraschen dann doch ein bisschen, denn die Zahlen, die Statistiken sprechen offenbar eine andere Sprache. Die Preise steigen. Die Inflationsrate beispielsweise im Euro-Raum ist auf Rekordhoch. Die Erzeugerpreise, das heißt die Preise, zu denen Handel und Unternehmen einkaufen, lagen im Juni in Deutschland 6,7 Prozent über dem Stand noch vor einem Jahr. Sind das keine deutlichen Anzeichen für einen Abschwung?
Wansleben: Es gibt Anzeichen für einen Abschwung und es gibt nach wie vor stabilisierende Anzeichen. Lassen wir mal einige nennen. Finanzmarktkrise, Energiepreise, Ölpreise - Sie nannten es - führen hier in Deutschland, in Europa, in den USA ganz klar zu Dämpfungen. Auf der anderen Seite gibt es natürlich auch Gewinner von dieser Entwicklung: Russland, der arabische Raum, teilweise Südamerika. Die kaufen nach wie vor ganz ordentlich. Nicht zu vergessen Indien und China. Das heißt also, wir haben nicht diese einseitige Entwicklung, jetzt geht die ganze Welt konjunkturell runter, sondern es gibt noch Märkte, die durchaus stabil sind. Aber es ist keine Frage: es gibt auch Momente, die nicht mehr so gut aussehen. Auf der anderen Seite haben wir nach wie vor eine gute Beschäftigungssituation. Das dürfen wir nicht vergessen. Wir haben bei den Erwerbstätigen, wir haben bei den Arbeitslosen wirklich, ich sage jetzt mal, Rekordwerte zum Positiven hin, die wir in den letzten 10, 20 Jahren so nicht gehabt haben, die gewissermaßen auch einen Stabilisierungsfaktor darstellen. Aber wir als Verbraucher müssen in Zukunft mehr Geld ausgeben für Energie. Das stimmt.
Schütte: Martin Kannegießer, Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, beurteilt die Aussichten für den Arbeitsmarkt nicht ganz so rosig. Er sagt, in vielen Firmen reichen die Aufträge nur noch bis Jahresende - mit entsprechenden Konsequenzen für den Arbeitsmarkt. Liegt er mit seiner Einschätzung richtig?
Wansleben: Das klingt natürlich sehr fürchterlich. Wenn wir am Anfang des Jahres sagen, in vielen Unternehmen reicht der Auftrag nur noch bis Jahresende, dann haben die ja immerhin 12 Monate Auftragspolster. Jetzt haben sie noch vier oder fünf Monate Auftragspolster. Herr Kannegießer - das weiß ich - hat verschiedene Unternehmen besucht und hat dort solche Entwicklungen festgestellt. Das ist im Moment aber kein flächendeckendes Phänomen. Ich glaube was richtig ist: Wir sollten uns jetzt weniger darin ergehen, irgendwelche Schreckensszenarien aufzumalen. Wir müssen uns überlegen, was wir hier in Deutschland tun können, was wir in Europa tun können, um jetzt nicht haltlos in eine negative Entwicklung hinein zu kommen. Und ich glaube da können wir eine ganze Menge tun!
Schütte: Bevor wir darauf zu sprechen kommen noch kurz: "Ein bisschen Rückgang", sagen Sie. Was bedeutet das konkret zum Beispiel für den Arbeitsmarkt?
Wansleben: In diesem Jahr rechnen wir ja noch damit - und das zeigen im Moment auch die Entwicklungen - dass wir noch mal Beschäftigungsaufbau haben werden. In diesem Jahr, sage ich noch einmal, ist keine Krise angesagt.
Wir haben im Moment unsere Umfragen noch nicht durch. Die werden wir im Herbst dann vorstellen. Für das nächste Jahr sagen wir, können wir in der Tat froh sein, wenn wir eine Eins vor dem Komma haben. Das heißt also wir rechnen mit einer Abkühlung im nächsten Jahr. Das kann bedeuten, dass wir im nächsten Jahr keinen Beschäftigungsaufbau mehr haben. Das kann bedeuten, dass es etwas runter geht. Aber im Moment - ich möchte das noch mal deutlich sagen - gibt es keine Anzeichen dafür, dass wir in eine wirkliche Krise hineinlaufen. Sie müssen sich mal angucken, wie die Ölpreise sich entwickelt haben. Noch vor wenigen Jahren, Ende 1999 ungefähr, 1998, lag der bei 10, 20 Dollar. Dann ging er auf 50 Dollar und jetzt sind wir wieder zurück auf 120. Aber damals hätte man gedacht, bei 120, 130 Dollar pro Barrel brauchen wir nur noch zu überlegen, wer als letzter das Licht ausmacht. Das heißt, wir dürfen auch die Anpassungsfähigkeit von Wirtschaftssystemen, von Unternehmen nicht unterschätzen. Aber dass im Moment Branchen wie die Automobilindustrie daran zu knabbern haben, das ist keine Frage.
Schütte: Herr Wansleben, wenn Sie sagen, da wird eine Krise herbeigeredet, so schlecht geht es uns dann gar nicht. Woher kommt trotzdem diese schlechte Stimmung?
Wansleben: Wir sind im Moment verwöhnt und es gibt im Moment in einigen Branchen Schwierigkeiten und da kann man schon Angst kriegen. Und ich sage auch: man kann auch Angst kriegen, was wir zum Beispiel hier in Deutschland machen. Bei Tarifforderungen kann man schon Angst kriegen, wie hoch die im Moment gehen, welche Ansprüche formuliert werden. Und man kann durchaus auch Angst kriegen - ich sage das jetzt mal so deutlich -, wie kopflos manche Diskussionen zum Beispiel über die Frage der Energie, Energieversorgung in Zukunft laufen.
Schütte: Greifen wir noch mal das Thema Arbeitsmarkt und die Zukunft auf. Da wollten wir noch mal weiter schauen, was man in Deutschland eigentlich machen könnte. Niemand kann genau wissen, was uns erwartet. Die Anzeichen lassen sich nicht so ohne Weiteres deuten, sagen Sie. Aber bei so viel Ungewissheit, sollte dann die Bundesregierung nicht doch für alle Fälle ein Konjunkturprogramm auflegen, falls es dann doch zu einem Abschwung kommt?
Wansleben: Wir brauchen kein Konjunkturprogramm im klassischen Sinne, dass die Bundesregierung jetzt hingehen soll, um Geld auszugeben, um Nachfrage zu stimulieren. Was wir brauchen: Wir brauchen eine klare, konsistente Politik. Zum Beispiel das ganze Thema Mindestlohn. Das kommt natürlich jetzt genau zur Unzeit. Wer jetzt Mindestlohn einführt muss wissen, dass er die Anpassungsfähigkeit der Wirtschaft erheblich schwächt, und der muss wissen, dass er dadurch zusätzlich Arbeitslose produziert. Das ist überhaupt keine Frage.
Schütte: Andererseits könnten Entlastungen für Einkommensschwache auch eine notwendige Korrektur sein, um die Binnenkonjunktur dann wieder anzutreiben.
Wansleben: Wir sagen ganz klar: was wir brauchen ist, wir müssen die Sozialbeiträge senken. Da gibt es Freiräume, Spielräume in der Arbeitslosenversicherung auf unter drei Prozent. Die müssen jetzt dringend genutzt werden. Das sind mehrere Milliarden, die man dort freimachen kann. Wir brauchen eine Steuerreform. Die Progression greift viel zu früh. Also mehr Netto! Wir brauchen einen Stopp des Gesundheitsfonds. Der wird zu höheren Krankenkassenbeiträgen führen, was wir uns jetzt überhaupt nicht leisten können. Lassen Sie mich noch einen anderen pragmatischen Punkt nennen: Wer jetzt die Maut erhöht, der hat nun wirklich die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Die Mauterhöhung muss ausgesetzt werden. Und wir brauchen ein wirklich glaubwürdiges, langfristig tragfähiges Energiekonzept. Was da im Moment stattfindet, kann uns Bürgerinnen und Bürger einfach nur verunsichern, wenn wir sehen, dass Themen die wirklich Lebensgrundlage sind, derartig ideologisiert und einseitig diskutiert werden.
Schütte: Noch kurz. Was müsste als Sofortmaßnahme in der Energiepolitik passieren?
Wansleben: Was wir brauchen ist, wir brauchen ein Konzept für mehr Energieeffizienz. Wir selbst als IHK-Organisation sind mit dabei, Aktivitäten vorzuschlagen. Wir müssen rational über das Thema "Ausstieg aus dem Ausstieg der Kernenergie" diskutieren. Das ist für mich überhaupt keine Frage. Wer jetzt einseitig sagt, wir verzichten auf Energiequellen, der irrt. Wir müssen jede Chance nutzen.
Schütte: Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages. Ich danke Ihnen für das Gespräch.
Wansleben: Bitte sehr!