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Vor 100 Jahren geboren
Der US-Schriftsteller und "Fänger im Roggen"-Autor J.D. Salinger

Sein Buch "Der Fänger im Roggen" ist weltbekannt, aber über den US-amerikanischen Autor J.D. Salinger weiß man nur wenig. Er verweigerte Lesungen und Interviews - verschanzte sich manchmal wochenlang in einem Bunker vor seinen Mitmenschen. Sicher aber ist, vor 100 Jahren wurde J.D. Salinger geboren.

Von Maike Albath |
    Das Gesicht des Schriftstellers J.D.Salinger ist neben aufgestapelten Büchern seines Klassikers "Der Fänger im Roggen" zu sehen
    Der Autor J.D. Salinger hielt sich von der Öffentlichkeit fern (picture-alliance / dpa / AP / Amy Sancetta)
    Im Herbst 1941 stand dem dunkelhaarigen, hoch aufgeschossenen Jerome David Salinger die Welt offen. Er galt als literarisches Talent, hatte ein paar Kurzgeschichten bei renommierten Zeitschriften untergebracht und die umschwärmteste Sechzehnjährige von ganz New York erobert: Oona O’Neill, die Tochter des Dramatikers und Nobelpreisträgers Eugene O’Neill. Aber die hübsche Oona verließ ihn für Charlie Chaplin. Salinger war tief gekränkt. Aus Abenteuerlust meldete er sich zur U.S.-Armee und nahm im Juni 1944 am D-Day teil.
    Ein Reporter der BBC beobachtete die Landung der Truppen in der Normandie.
    "Troups are landing …"
    Für Salinger war dieses Ereignis ein Schock, denn so brutal und verlustreich hätte er sich den Krieg nicht vorgestellt.
    "Am Strand war nichts außer den toten Jungs der ‚A‘ und ‚B‘ Company, einigen toten Matrosen, und einem Kaplan, der herumkroch und im Sand nach seiner Brille suchte. Er war das Einzige, was sich bewegte. Er wurde kaltgemacht."
    Krieg traumatisierte Salinger tief
    Bei den Kämpfen an der Westfront trug Salinger die ersten sechs Kapitel seines Romans "Der Fänger im Roggen" wie einen Talisman am Leib. Als Agent des Nachrichtendienstes war er nach dem Krieg an der Entnazifizierung beteiligt. Im Oktober 1945 heiratete der tief traumatisierte Salinger die deutsche Ärztin Sylvia Welter, ging mit ihr nach New York und ließ sich acht Monate später scheiden.
    Salinger wurde am 1. Januar 1919 geboren und wuchs in einem wohlhabenden jüdischen Elternhaus an der Park Avenue auf. Nach dem Besuch der Militärakademie schickte ihn sein Vater nach Wien, um ihn auf das Exportunternehmen seiner Familie vorzubereiten. Aber Salinger wollte Schriftsteller werden. 1951 verwirklichte er diesen Plan: "Der Fänger im Roggen" erschien.
    Sein Held Holden Caulfield ist zum vierten Mal vom Internat geflogen und so verzweifelt, wie man es als Sechzehnjähriger nur sein kann. Mitten auf dem Broadway beobachtet er einen kleinen Jungen, der selbstvergessen ein Lied singt: "Wenn einer einen fängt, der durch den Roggen kommt". Später am Abend schleicht er sich zu seiner Schwester Phoebe und erzählt ihr von dem Lied.
    "Jedenfalls stelle ich mir dabei immer lauter kleine Kinder vor, die in einem großen Roggenfeld spielen und so. Tausende von kleinen Kindern, und niemand ist da – also, kein Großer – nur ich. Und ich stehe am Rand eines verrückten Abgrunds."
    Amerikanische Schulbibliotheken verboten "Der Fänger im Roggen"
    Schnoddrig, großspurig, melancholisch und voller Sehnsucht – Holden Caulfield widersetzt sich der amerikanischen Leistungsgesellschaft und den Forderungen der Erwachsenen. Nur für Kinder hat er etwas übrig.
    "Und da muss ich alle fangen, bevor sie in den Abgrund fallen – also, wenn sie rennen und nicht aufpassen, wo sie hinlaufen, dann muss ich irgendwo rauskommen und sie fangen. Und das würde ich den ganzen Tag machen. Ich wär‘ einfach der Fänger im Roggen und so. Ich weiß, es ist verrückt, aber das ist das Einzige, was ich richtig gern wäre."
    Salingers Roman verkaufte sich weltweit 65 Millionen Mal, amerikanische Schulbibliotheken verboten das Buch, weil sie um die Moral junger Leser fürchteten. Da war Salinger schon längst nach Connecticut geflohen. Seine damalige Freundin Jean Miller:
    "Das bedeutet nicht etwa, dass er ein Eremit war; er hatte ein reges Gesellschaftsleben. Er legte keinen Wert darauf, andere Schriftsteller kennenzulernen, und er wollte ganz sicher nicht der Star von New York sein."
    Salinger wandte sich dem Hinduismus zu
    J.D. Salinger verweigerte Lesungen und Interviews, heiratete 1955 eine Studentin und wurde Familienvater. Immer wieder verschanzte er sich wochenlang in einem Bunker, zu dem niemand Zutritt hatte. Anfang der 1960er-Jahre erschienen zwei Erzählungsbände. Seine Ehe ging in die Brüche; er wandte sich dem Hinduismus zu.
    Manchmal schoss ein Reporter heimlich ein Foto; Fans lauerten ihm auf, und ab und zu hatte Salinger Affären mit jungen Frauen, die meistens kaum volljährig waren. 1988 heiratete er zum dritten Mal. Bis zu seinem Tod am 27. Januar 2010 blieb J.D. Salinger ein Geheimnis. Holden Caulfield ist bis heute ein Idol.