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Vor 100 Jahren geboren
Die Schauspielerin Giulietta Masina und die Rolle ihres Lebens

Giulietta Masina wurde am 22. Februar 1921 als Giulia Anna Masina bei Bologna geboren. Sie studierte in Rom Kunstgeschichte, Archäologie und Philosophie. In einer Laientheatergruppe begegnete sie ihrem späteren Ehemann Federico Fellini - und wurde zu einer der führenden Charakterdarstellerinnen Italiens.

Von Katja Nicodemus | 22.02.2021
    Die italienische Schauspielerin Giulietta Masina erscheint zur Eröffnungsfeier der VIII. Internationalen Filmfestspiele am 27. Juni 1958.
    Die italienische Schauspielerin Giulietta Masina, die Gelsomina in "La Strada" war ihre bedeutendste Rolle (picture-alliance/dpa/Heinz-Jürgen Göttert)
    Es hatte einfach Stil und Selbstbewusstsein, als Giulietta Masina bei der Oscarverleihung des Jahres 1958 auch sich selbst dankte - nach ihrem Produzenten Dino de Laurentis und ihrem Ehemann und Regisseur Federico Fellini. Gerade hatte ihr gemeinsamer Film "Die Nächte der Cabiria" die Auszeichnung für den besten fremdsprachigen Film gewonnen.
    Giulietta Masina spielt darin die titelgebende römische Prostituierte, die an das Gute im Menschen glaubt – und immer wieder enttäuscht wird. Von ihrem Zuhälter wird sie fast umgebracht, von einem Schauspieler als Lückenbüßerin benutzt und betrogen, von einem Heiratsschwindler ausgenommen. Trotzdem bewahrt sich Cabiria ihren Glauben an die Liebe und an das Glück. Giulietta Masina verkörpert sie mit einer Mischung aus Verletzlichkeit und immer wieder aufflackernder Lebensfreude.
    Auf einer nächtlichen Straße Roms legt sie zum Sound eines Autoradios einen umwerfend sinnlichen Mambo hin.

    Die Schaustellerin Gelsomina wurde die Rolle ihres Lebens

    Cabiria, die Frau, die sich nicht unterkriegen lässt von einer brutalen, zynischen, vornehmlich von Männern geprägten Welt, ist eine Schwester im Geiste von Gelsomina aus Fellinis vier Jahre zuvor entstandenem Film "La Strada". Für Giulietta Masina sollte die Schaustellerin Gelsomina die Rolle ihres Lebens werden. Schon in der ersten Szene, wenn Gelsomina von ihrer Familie an den von Anthony Quinn gespielten Schausteller Zampanò verkauft wird – für ein Kilo Salami, ein halbes Kilo Käse und zwei Flaschen Wein – berührt ihr kindlicher Blick. Vertrauensvoll schließt sie sich dem Mann an, der sie rau und bald brutal behandelt.
    "Sag mal, wie heißt du eigentlich?" - "Gelsomina Costanzo." - "Na, nun mach‘ kein Theater."
    Die italienische Schauspielerin Giulietta Masina als Gelsomina in ihrer größten Rolle in dem Film "La Strada", für den sie und ihr Mann, der Regisseur Federico Fellini, mit dem Oscar ausgezeichnet wurden.
    Theater machen, die Show schmeißen – das wird die Aufgabe von Gelsomina in "La Strada – Das Lied der Straße". Als Zampanòs Assistentin durchquert sie mit Trommel und Trompete im Dreiradlastwagen die italienische Provinz. Giulietta Masina verleiht ihr eine herzzerreißend fragile Ausstrahlung. Ihre Gelsomina besitzt eine fast kindliche Neugierde, ist naiv und dabei voller tiefer Empfindungen. In manchen Szenen wirkt sie mit ihrer koboldhaften Körperlichkeit wie eine Vierjährige, dann wieder wie eine Hundertjährige.

    Gelsomina war mehr als eine Rolle für Masina

    Für Giulietta Masina verkörperte dieser weibliche Clown den Glauben an die Kunst – und war somit viel mehr als eine Rolle, wie sie 1955 in einem Interview in Cannes erzählte.
    "Ich kann diese Figur noch nicht richtig verlassen. Denn Gelsomina ist keine Drehbuchschöpfung. Sie ist aus meinen Lebenserfahrungen entstanden und aus der Erfahrung meines Mannes und Regisseurs."
    Giulietta Masina wurde am 22. Februar 1921 als Giulia Anna Masina in der Ortschaft San Giorgio di Piano bei Bologna geboren. Sie studierte in Rom Kunstgeschichte, Archäologie und Philosophie bis zur Promotion. In einer studentischen Laientheatergruppe begegnete sie Federico Fellini.
    Nach der Heirat 1943 verlegte sie sich zunehmend aufs Theaterspielen und wirkte bereits 1950 in Fellinis Regiedebut mit: "Lichter des Varieté" – "Luci del varietà". Auch hier steht sie als Mitglied einer Truppe wandernder Schausteller auf der Bühne.
    Die zierliche Giulietta Masina mit den großen Augen wurde oft als Federico Fellinis Muse bezeichnet. Doch war sie der Anker seines künstlerischen Universums. Als Fellini 1993 den Ehrenoscar für sein Lebenswerk bekam, nannte er nur einen Namen – und verbot ihr im selben Atemzug, zu weinen.
    "Thank you, Giulietta – and please, stop crying!"
    Giulietta Masina starb am 23. März 1994 in Rom mit 73 Jahren. Noch nicht einmal ein halbes Jahr hat sie ihren Mann überlebt. Masinas Begräbnis war ein nationales Ereignis. In der Kirche wurde die Trompetenmelodie "ihrer" Gelsomina aus Fellinis "La Strada" gespielt.