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Vor 100 Jahren geboren
Große Stimmkunst - die Sängerin Lisa della Casa

Ein schimmernder Sopran, makellose Intonation und Wärme im Ausdruck: Die Sopranistin Lisa della Casa wurde in den Fünfziger- und Sechzigerjahren an den großen Opernhäusern für ihre vollendete Stimm- und Ausdruckskunst gefeiert. Dennoch verabschiedete sie sich schon früh von der Bühne.

Von Wolfgang Schreiber |
    Die schweizer Sopranistin Lisa della Casa auf der Bühne.
    Berühmt für ihre Gestaltung der großen Frauenrollen von Mozart und Richard Strauss: Lisa della Casa (picture alliance / Photopress-Archiv)
    "Die Zeit, die ist ein sonderbar’ Ding, wenn man so hinlebt, ist sie rein gar nichts". Jedes Mal, wenn die Sopranistin Lisa della Casa den bitteren Monolog der Marschallin Fürstin Werdenberg sang, im "Rosenkavalier" von Richard Strauss, mochte es sein, dass diese Philosophie einer reifen Frau auch sie, die Sängerin, berührte oder aufwühlte. Die knappe Lebenszeit des Singens auf der Bühne gibt Grenzen vor. Und die wollte die Schweizer Sopranistin am Ende selbst bestimmen. Ihr Rückzug wird, bei allem Ruhm, frühzeitig erfolgen.
    Begehrt für Strauss- und Mozartrollen
    Lisa della Casa wurde in den fünfziger und sechziger Jahren an den großen Opernhäusern - in München und Wien, in London, New York und bei den Salzburger Festspielen - für ihre vollendete Stimm- und Ausdruckskunst gefeiert. Obendrein brachte die Erscheinung der bildschönen Künstlerin die Opernliebhaber zum Dahinschmelzen. Geboren wurde die Tochter eines Augenarztes am 2. Februar 1919 in Burgdorf bei Bern. In Zürich ließ sie sich ausbilden und gehörte schon bald zum Ensemble am dortigen Stadttheater. Mit achtundzwanzig Jahren war Lisa della Casa Mitglied der Wiener Staatsoper, ab 1953 sang sie an der New Yorker Met. Begehrt wurde die Sängerin vor allem für die Verkörperung der großen, mit heroischen Gefühlen begabten Strauss- und Mozartfrauen. Die Arabella und die Gräfin in "Le nozze di Figaro" soll sie jeweils zweihundert Mal gesungen haben.
    Schonungslos ehrlich
    Eine makellose Intonation, das schimmernde Soprantimbre, Wärme des Gefühlsausdrucks – Lisa della Casa gehörte, neben Elisabeth Schwarzkopf gleich nach dem Weltkrieg zum legendären Wiener Mozart-Ensemble. Diese Künstlerin besaß Skepsis, eine verletzbare Seele. So konnte die fast schonungslose Ehrlichkeit überraschen, mit der Lisa della Casa sich im Interview zu frühen vokalen Fehlern bekannte.
    "Am Anfang meiner Karriere war ich furchtbar ungeschickt, wenn ein musikalischer Schmiss passieren musste. Rein technisch gesprochen, habe ich Jahre gebraucht, um gewisse schwierigste Passagen, die ich einfach technisch nicht beherrschen konnte, irgendwie zu kaschieren, das kann man ja, geschickt übersingen."
    Früher Abschied von der Bühne
    Selbstkontrolle mit leichter Hand, nach Art der Marschallin im "Rosenkavalier", Überprüfung der Gesangskunst, Beobachtung der Sphäre des inneren Hörens - Lisa della Casa kannte die Geheimnisse einer Karriere.
    "Ich arbeite auch sehr viel völlig stumm, das klingt sehr merkwürdig. Aber wenn ich viel zu arbeiten habe, also viele Auftritte und Konzerte zu singen habe, dann ist es manchmal besser, die Stimme etwas ausruhen zu lassen. Und da wiederhole ich halt nur quasi mit dem geistigen Ohr."
    Zwei Jahrzehnte lang sang sie die Arabella des Richard Strauss, diese schöne junge Frau, die den künftigen Ehemann herbeiträumt, den "Richtigen", so nennt sie ihn: Kein Wunder, dass Lisa della Casa als die "Arabellissima" gefeiert wurde. Wer die Musik derart dem inneren Ohr anvertraut, braucht keinen Karriereehrgeiz. Es überraschte wenig, dass Lisa della Casa sich frühzeitig, schon 1973, von der Öffentlichkeit verabschiedete. Sie starb am 10. Dezember