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Vor 100 Jahren geboren
P. D. James: Krimis als kleine Inseln der Sicherheit

Mit dem Bücherschreiben begann P. D. James erst, als sie bereits über 40 war. Als sie 2014 im Alter von 94 Jahren starb, hatte sie eine halbe Bibliothek voller Kriminalromane mit ihrer Feder gefüllt und sechs Ehrendoktorwürden erworben. Ihr großes Thema: Schuld, Sühne und Vergebung.

Von Almut Finck | 03.08.2020
    Die britische Krimiautorin P.D. James sitzt auf einem Podium während der lit. Cologne
    Die britische Krimiautorin P.D. James während einer Lesung auf der Lit.Cologne 2013 (mago images / Lumma Foto)
    Eine kleine alte Dame von über 90 Jahren, schlohweißes Haar, klettert mühsam auf die Bühne – Veranstaltungsort ist ein Theater in Köln, über 1000 Menschen im Saal, die jährliche lit.COLOGNE.
    "Der Techniker sagte noch zu mir: Mein Gott noch mal, die Frau ist so zart, wir werden ihre Stimme so verstärken müssen, das geht gar nicht. Kaum saß sie, fing sie an wie ein Zirkuspferd, das Musik hört, loszugehen."
    "Die Frau" ist die Kriminalschriftstellerin Phyllis Dorothy – genannt P. D. – James.
    "Sie hat erzählt, sie hat sehr viel gelacht in ihrem Leben, und der Saal war fasziniert", erinnert sich Margarete von Schwarzkopf. Kennengelernt hat die Literaturkritikerin die britische Queen of Crime in den 1990er-Jahren. James war auf Lesereise, damals auch schon in Köln.
    "Es war Januar, es war kalt, und das erste, was sie wollte, war, in den Kölner Dom zu gehen und sich dort diese wunderbare Krippe anzuschauen, denn P. D. James war eine gläubige Christin, und ihr ganz großes Thema, und das sagte sie mir damals schon, sei ja immer Schuld, Sühne und Vergebung."
    Verwüstete Seelen mit dunkler Vergangenheit
    In diesem existenziellen Spannungsfeld bewegen sich P. D. James’ Charaktere, auf deren verwüsteten Seelen oft eine dunkle Vergangenheit lastet. Der Tod, nicht der Mord, ist bei ihr das eigentliche Thema – er birgt das viel größere Mysterium.
    In "Tod an heiliger Stätte" von 2002 liegt die Leiche eines ermordeten Diakons mit zertrümmertem Schädel in der kleinen Kirche von St. Anselm, wie hingestreckt in ekstatischer Anbetung vor einem mittelalterlichen Gemälde. Es zeigt das himmlische Weltgericht. Adam Dalgliesh eilt herbei, gerufen vom Klosterabt, der vor seinen traumatischen Erinnerungen in eben jene Kirche floh und dort das Opfer entdeckte. Dalgliesh, P. D. James‘ Gedichte schreibender Scotland Yard Detektiv, Sohn eines Vikars, gerät ins Grübeln.
    Buchzitat:
    "Ob die Faszination seines Berufes wohl mit auf der Illusion beruhte, dass der Tod ein Rätsel ist, das man lösen kann, und dass sich mit dessen Klärung all die wilden Leidenschaften des Lebens, alle Zweifel und alle Ängste wegräumen lassen wie ein Kleidungsstück?"
    Die britische Schriftstellerin Val McDermid
    Erfolgsautorin Val McDermid - "Ablehnung von Kriminalliteratur basierte auf Dummheit"
    Als Kriminalschriftstellerin wurde Val McDermid in die Jury des renommierten Booker Prize berufen. "Ein gutes Buch ist ein gutes Buch", sagt sie und schwärmt von den literarischen Möglichkeiten der Krimiwelt.
    Dalgliesh ist ein Inspektor, der in 14 Romanen nie älter wird. Gleichzeitig ist seine Welt auf eine ganz eigentümliche Art antiquiert.
    "P. D. James war – wurde von einigen Kritikern auch bemängelt – etwas gothic, also ein bisschen 19. Jahrhundert, auch in den Schilderungen ihrer Orte. Wobei sie mal den schönen Satz gesagt hat: Gib mir einen Schauplatz, und ich schreibe dir einen Krimi."
    Fast immer beginnen ihre Bücher mit der Beschreibung einer oft romantischen Kulisse: ein Garten, ein Park, eine Insel, ein Leuchtturm, das Meer. Kirchen, Klöster, Ruinen. P. D. James:
    "Dieses Setting, der Schauplatz, bringt meine Fantasie in Schwung, setzt die Handlung in Gang. Der Schauplatz ist von zentraler Bedeutung, nicht nur in Kriminalgeschichten. Er beeinflusst die Handlung, die Charaktere, die ganze Stimmung des Romans. Wenn wir einen Schauplatz nicht wirklich erspüren und verstehen, wenn wir nicht wirklich glauben, dessen Welt betreten zu haben, dann wird das Buch für uns auch nicht wichtig werden."
    Ohne Ausbildung oder Studium die Familie ernähren
    P. D. James wurde am 3. August 1920 geboren. Sie heiratete jung, bekam zwei Töchter, doch das Familienglück endete jäh. Ihr Mann litt nach seiner Rückkehr aus dem Zweiten Weltkrieg an einer schweren psychischen Erkrankung. Mit dem Alptraum, der in "Tod an heiliger Stätte" den Klosterabt fast in den Wahnsinn treibt, beschreibt James ein reales Erlebnis ihres Ehemanns: die Enthauptung eines Kameraden durch einen feindlichen Offizier.
    "Das war der beste Freund dieses Mannes von P. D. James, und der Kopf ist ihm in den Schoss gefallen. Also, das hat diesen Mann sein Leben lang verfolgt und hat dazu geführt, wahrscheinlich, dass er schizophren geworden ist."
    Wegen der Krankheit ihres Mannes musste P. D. James, ohne jede Berufsausbildung oder ein Studium, die Familie alleine ernähren.
    "Sie hat dann in einem Ministerium gearbeitet, als eine Art Beamtin, und hat irgendwann angefangen, sich abzulenken durch Schreiben."
    Aber warum gerade Krimis? P. D. James: "Detektivgeschichten sind wie kleine Inseln der Sicherheit in einer komplexen Welt, sie bestätigen uns in unserem Glauben an das Gute, an Recht und Gerechtigkeit."
    Aller Sinnsuche und allem Zweifel zum Trotz, fasst P. D. James‘ Serienheld Dalgliesh am Ende den Täter eben doch, immer.