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Vor 100 Jahren geboren
Richard Adams - Bestsellerautor wider Willen

Eigentlich hatte er nur eine kleine Abenteuergeschichte für seine beiden Töchter erzählen wollen - doch als die ihn drängten, die Geschichte aufzuschreiben, landete der Brite Richard Adams, der damals als Beamter für ein Ministerium arbeitete, mit "Watership Down" ganz unverhofft einen Welterfolg.

Von Ruth Rach | 09.05.2020
    Richard Adams im Jahre 1974 in seinem Arbeitszimmer
    Hielt nichts davon, Kinder vor der Lebenswirklichkeit zu schützen: Der ehemalige Ministerialbeamte und spätere Erfolgsautor Richard Adams, abgelichtet in seinem Arbeitszimmer im Jahre 1974 (Hulton Archive / Tom Smith / Getty)
    Richard Adams, am 9. Mai 1920 in Hampshire geboren, hatte bereits seine Lebensmitte erreicht, als er den Erstling verfasste. Ein britischer Staatsbeamter, dem nichts ferner lag als eine Karriere als Schriftsteller.
    "Watership Down", zu Deutsch: "Unten am Fluss", wurde zum internationalen Bestseller. Im Mittelpunkt des Geschehens: eine kleine Gruppe von Wildkaninchen.
    Eine Kaninchengeschichte - um Leben und Tod
    "Der Mai-Sonnenuntergang war wolkig-rot, und es war immer noch eine halbe Stunde bis zur Abenddämmerung. Der trockene Abhang war mit Kaninchen übersät – einige knabberten an dem spärlichen Gras nahe ihrem Loch, andere drängten weiter nach unten, um nach Löwenzahn oder vielleicht einer Schlüsselblume zu suchen, die die anderen übersehen hatten. Hier und da saß eines aufrecht auf einem Ameisenhaufen und sah sich um, die Ohren aufgerichtet und die Nase im Wind. Aber eine Amsel, die gelassen im Randgebiet des Gehölzes sang, bewies, dass es nichts Beunruhigendes gab, und in der anderen Richtung am Bach war alles gut zu übersehen, leer und ruhig. Im Gehege herrschte Frieden."
    Mit dieser Idylle beginnt Richard Adams seine Geschichte. Aber der Schein trügt. Das Terrain soll einer modernen Wohnsiedlung weichen. Die Kaninchen müssen einen neuen Lebensraum finden. Eine gefährliche Mission. Sie haben zahlreiche Feinde – allen voran der Mensch.
    "Zu Komplex": Zahlreiche Verlage sagen ab
    "Die Menschen werden nicht ruhen, bis sie die Erde verwüstet und die Tiere vernichtet haben. Wir waren ihnen einfach im Weg. Sie töteten uns, weil es ihnen so passte."
    Zweieinhalb Jahre lang schrieb Richard Adams an seiner Geschichte. Aber ein Verlag nach dem anderen lehnte ab: zu lang, zu komplex, für Kinder ungeeignet. Erst 1972 wurde Watership Down veröffentlicht. Vom Kleinverlag Rex Collings, nichtsahnend, was für einen Schatz er an Land gezogen hatte. Inzwischen liegt die Auflage bei über 50 Millionen, es gibt gleichnamige Filme, Hörspiele, Musicals. Und sogar einen Song. Von Art Garfunkel – "Bright Eyes". Es ist der Titelsong zum Film "Watership Down".
    Dies ist kein niedliches Kaninchen-Märchen. Es geht um Leben und Tod, um Freundschaft und Verrat, um Tyrannei und Befreiung. Richard Adams hat das Geschehen im Hampshire angesiedelt. In einer echten Landschaft, die er kennt und liebt, wie er im Alter von 94 in einem Interview mit der BBC betont.
    "Das ist mein Land, Berkshire, Hampshire. Es ist mir bis ins Innerste vertraut, ich weiß, wie es riecht. Und was mich am meisten freut: dass ich meine Heimat mit diesem Buch verewigen konnte."
    "Eine ziemlich banale Existenz"
    Richard Adams führte ein ruhiges Leben. Er kam aus einer gutsituierten Familie, studierte in Oxford, leistete Kriegsdienst, gründete eine Familie, arbeitete sich im britischen Staatsdienst hoch. Eine ziemlich banale Existenz, meint der Literaturprofessor Nick Tucker von der Universität Sussex.
    "Und dann kam Watership Down heraus, Adams kündigte und widmete sich der Schriftstellerei. In allen seinen Büchern geht es um Tiere: um Pferde, Hunde, Bären. Adams war ein großer Tierliebhaber und jahrelang Präsident des englischen Tierschutzverbandes."
    In den USA wurde Watership Down zunächst einmal als Buch für Erwachsene vermarktet. Mit gutem Grund. Es fließt so viel Blut in dieser Geschichte, dass es heißt, sie habe eine ganze Generation britischer Kinder verstört. Die Protagonisten von Watership Down besitzen tierische Instinkte und menschliche Empfindungen. Und klare Persönlichkeiten: der Draufgänger, der Dandy – und der grausame Diktator.
    Kindern die Wirklichkeit zumuten
    "Richard Adams hielt nichts davon, Kinder vor der Lebenswirklichkeit zu schützen", so Tucker weiter. "Das gilt auch für seine späteren Romane, da werden zum Beispiel schreckliche Experimente an Tieren beschrieben. Aber die besten Fantasie-Geschichten sprechen immer auch verschiedene Vorstellungsebenen und Altersgruppen an. Und Figuren wie der Bösewicht oder der Held, die sind in allen großen Abenteuergeschichten zu finden."
    Watership Down gilt weiterhin als unbestrittener Klassiker. Richard Adams starb 2016 im Altern von 96 Jahren. Er hatte bis ins hohe Alter geschrieben, aber ein Bestseller war ihm nicht noch einmal vergönnt gewesen.