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Vor 100 Jahren geboren
Trommelwunder Buddy Rich

Für seine Fans war Buddy Rich der größte Jazzschlagzeuger aller Zeiten. Er hielt seine Zuhörer mit langen Soli in Atem, um anschließend die Bühne schweißüberströmt zu verlassen. Seinen langfristigen Erfolg sicherte sich der Amerikaner durch ein eigenes Orchester.

Von Karl Lippegaus | 30.09.2017
    Buddy Rich, Konzert in der Philharmonie Berlin
    Buddy Rich gibt ein Konzert in der Philharmonie Berlin (imago/BRIGANI-ART)
    "We’d like to play for you a brand new original by … called 'Nellies's Nightmare'".
    Ein Riesenspielzeug wird auf die Bühne geschoben. Ein Schlagzeug der Marke Ludwig in einem monumentalen Puppenhaus. Auf Regalen stolzieren Tänzer in Soldatenuniformen und Puppenkleidern herum. Plötzlich springt die Tür auf, das Publikum blickt auf eine dicke Basstrommel, die sich langsam dreht. Und da ist Traps, das Trommelwunder, wild an seinem Gerät herumwirbelnd, während das Orchester "Stars and Stripes Forever" intoniert.
    "Meine Familie arbeitete im Vaudeville-Geschäft. Mein Vater war Sänger, Tänzer und Schauspieler, meine Mutter Sängerin; ich wuchs in ihrer Show auf. An der Hand zum Schlagzeug gebracht, trommelte ich los. Märsche und sowas. Jazzmusiker wurde ich erst mit 16, mein erster Job war in einer Dixieland-Band in New York. Aber warum das ganze Getrommel? Nicht mal ich könnte Ihnen eine ehrliche Antwort darauf geben."
    Trommeln als Antrieb
    "Rhythmus in einem so jungen Knaben kann nicht erlernt werden. Es ist eine Gabe."
    Schrieb eine Zeitung 1921. Buddy Rich wurde geboren am 30. September 1917 in New York. Für das Kind, das nie eine Kindheit hatte, war Trommeln ein Fluchtweg. Seine Schwester Marge:
    "Drums. Das war alles, was mein Bruder kannte, als er ein Kind war."
    "Für Buddy Rich war Trommeln eine Karriere, sein einziger Antrieb, eine kreative Kraft für sein Leben, schon als Kind, das dem Schlagzeuger im Orchestergraben des Vaudeville-Theaters zuschaute."
    Schreibt sein Biograf, der Sänger Mel Tormé. Das Trommelwunder war nur die erste Stufe des für seine Fans größten Jazzschlagzeugers aller Zeiten.
    "Jazz hat mich irgendwie berührt. Benny Goodmans Trio. Sein Quartett. Die waren heiß. Wir spielten Jazzplatten und tanzten dazu. So hab ich gelernt."
    Rich bekam ein perlweißes Schlagzeug geschenkt
    Sein Gott wurde Gene Krupa, mit dem er sich später "Trommel-Schlachten" lieferte. Sein Biograf Mel Tormé schreibt:
    "Buddys frühe Kopien von Krupas Stil – die Rim-shots, die mit der Hand abgestoppten Becken-Punktierungen, Kuhglocken-Licks – waren immer so pur und positiv, dass der junge Schlagzeuger der Welt zu sagen schien: 'Seht ihr, ich kann eine noch bessere Mausefalle bauen!'"
    Die Firma Slingerland schenkte Buddy Rich ein perlweißes Schlagzeug. Buddy wirkte klein, aber athletisch, er liebte es, im Mittelpunkt zu thronen und die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
    "Kein Drummer hatte je Riffs der Bläser mit der Basstrommel punktiert, immer mit der Snaretrommel. Und da komme ich und trete die ganze Band mit meinen Basstrommel-Akzenten in den Arsch."
    Nie vergaß er, darauf hinzuweisen, dass für ihn die "Farbigen" in vorderster Front standen und die innovativsten im Jazz waren wie etwa Count Basies Trommler Jo Jones - während die "Weißen" ihnen nur folgen konnten.
    Kritik vertrug er nicht
    1941 wählte ihn das Down Beat-Magazin zum Schlagzeuger des Jahres. Disziplin und Kritik vertrug er nicht; immer hatte er ein ungeregeltes Leben geführt. 1943 wollte er zu den Marines und meldete sich freiwillig, er hasste es, das härteste Training seines Lebens sei es gewesen. Doch so ähnlich trimmte er dann auch seine Bigband.
    "Ich war eigentlich gekommen, um Musik zu machen, nicht um den Marines beizutreten."
    Meinte einer seiner Angestellten im Orchester.
    Geld trug er gerne in dicken Bündeln mit sich herum. Das Meiste ging für Sportwagen und Klamotten drauf. Ein Sparer war er nicht, der Mr. Rich. "Lebe fürs Heute" lautete sein Credo.
    Mit Kollegen ging er hart ins Gericht.
    "Haben alle viele Arme, aber keine Technik."
    Von 1968 bis zu seinem Tod am 2. April 1987 hatte Buddy Rich sich seinen Traum erfüllt: vom Schlagzeug aus eine Bigband zu dirigieren. Auf dem Totenbett soll er auf die Frage, gegen was er allergisch sei, gesagt haben: "Gegen Country-Musik!"