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Vor 100 Jahren
Gründung der sowjetrussischen Geheimpolizei Tscheka

Am 20. Dezember 1917 beauftragte Lenin den polnischen Revolutionär Feliks Dzierżyński mit der Bildung einer "außerordentlichen Kommission zum Kampf gegen Konterrevolution und Sabotage". Die Tscheka, die erste Geheimpolizei Sowjetrusslands, wurde zum Symbol des Terrors und der Gewaltherrschaft.

Von Doris Liebermann | 20.12.2017
    Rotgardisten stehen im November 1917 (nach dem damals in Rußland gültigen julianischen Kalender im Oktober) neben einer Kanone vor dem Smolny-Palast in Petersburg, dem Sitz des ZK der Bolschewiki
    Rotgardisten vor dem Sitz des ZK der Bolschewiki in Petersburg. Die Regierung beschloss die Gründung der Tscheka (picture-alliance / dpa)
    "Die Sowjetmacht ist der siegbringende Weg zum Sozialismus."
    So kündigte Parteiführer Wladimir Iljitsch Lenin die neue Zeit an: durch die Oktoberrevolution 1917 in Russland waren die Bolschewiki an die Macht gelangt. Aber die Sowjetmacht war anfangs gering: auf etwa 600 Einwohner kam ein organisierter Bolschewik. Mit allen Mitteln musste ein Machtapparat aufgebaut und die politische Opposition – Konstitutionelle Demokraten, Sozialrevolutionäre, Menschewiki - ausgeschaltet werden. Nachdem fast alle nicht-bolschewistischen Zeitungen verboten worden waren, beschloss die Regierung - der Rat der Volkskommissare - am 20. Dezember 1917 die Gründung der "Allrussischen Außerordentlichen Kommission zur Bekämpfung der Konterrevolution und Sabotage" abgekürzt We-Tscheka, oder kurz: Tscheka, die erste Geheimpolizei Sowjetrusslands.
    Sie war die Keimzelle der späteren Geheimdienste: GPU, OGPU, NKWD, KGB – Kürzel, die zu allen Zeiten Angst und Schrecken bei der Bevölkerung hervorriefen. Als Vorsitzenden der Tscheka bestimmte Lenin den puritanischen Feliks Dzierżyński, den Kommandanten des Parteihauptquartiers im ehemaligen Smolny-Institut. Er sollte als "eiserner Feliks" in die Geschichte eingehen. In seiner Antrittsrede verkündete er:
    "Wir brauchen jetzt keine Justiz. Was wir brauchen, ist der Kampf bis aufs Messer. Ich fordere die Schaffung des revolutionären Schwertes, das alle Konterrevolutionäre vernichten soll."
    Elf Jahre in Gefängnissen und in der Verbannung
    Dzierżyński, 1877 als Sohn eines kleinen polnisch-litauischen Adligen im Gebiet von Wilna - im russisch besetzten Teil Polens – geboren, wuchs streng katholisch auf und wollte in seiner Jugend Priester werden – bis er die Schriften von Marx las und Berufsrevolutionär wurde. Mehrfach wurde er von der zaristischen Polizei verhaftet. Elf Jahre verbrachte er in Gefängnissen und in der Verbannung. Im Sommer 1917 trat Dzierżyński den Bolschewiki bei, wurde Mitglied des Zentralkomitees und schrittweise eine zentrale Figur in der Partei.
    "Die Tscheka wurde zu einem furchtgebietenden Symbol für all diejenigen, die die Errungenschaften der Werktätigen haßten, für alle, die ein Wiedererstehen des alten Regimes erträumten und die Arbeiter und Bauern an den Galgen bringen wollten."
    So lautete Dzierżyńskis Prämisse zum Schutz der Revolution. Mit anfangs nur 40 Mitarbeitern baute er die Tscheka auf: Informationsabteilung, Organisationsabteilung, Kampfabteilung. Der erste Sitz war Petrograd. Ab März 1918 befand sich die Zentrale in Moskau.
    In den Bürgerkriegsjahren wuchs der Apparat schnell an. Die Tscheka war bald ein Instrument des Terrors, außerhalb jeder Gesetzlichkeit, und berüchtigt wegen Massenerschießungen, inquisitionsähnlichen Foltermethoden und Deportationen von tatsächlichen und vermuteten Klassenfeinden: Adlige, Grundbesitzer, politische Gegner, Industrielle, Priester, Wissenschaftler, Kulaken. Auch die Zarenfamilie wurde von Tscheka-Leuten erschossen.
    Ende August 1918 verübte die Sozialrevolutionärin Fanny Kaplan in Moskau ein Attentat auf Lenin, am gleichen Tag wurde der Tscheka-Chef von Petrograd Moisei Uritzki ermordet - Anlass, um Anfang September 1918 das Dekret über den "Roten Terror" zu verkünden.
    "In der augenblicklichen Situation ist es absolut lebensnotwendig, die Tscheka zu verstärken, die Klassenfeinde in Konzentrationslagern zu isolieren...; jeden, der in weißgardistische Organisationen, in Verschwörungen, Aufstände und Erhebungen verwickelt ist, auf der Stelle zu erschießen ..."
    Аb 1921 war es auch die Aufgabe der Tscheka, das Problem der "Besprisornye" zu lösen, wie die durch den Ersten Weltkrieg, Revolution und Bürgerkrieg millionenfach obdachlos gewordenen, verwaisten, verwahrlosten oder straffälligen Straßenkinder genannt wurden. Sie wurden in Heime und Arbeitskolonien gebracht – oft mit rigiden Methoden.
    1922 wurde die Tscheka in die "Staatliche Politische Verwaltung", kurz: GPU umgewandelt und stärker an einen gesetzlichen Rahmen gebunden. Dzierżyński blieb Chef. Er starb am 20. Juli 1926 und wurde in der Nähe der Moskauer Kremlmauer beigesetzt.