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Vor 100 Jahren
Meeresforscher Hans Hass wird geboren

Meeresbiologe Hans Hass gilt neben Jacques Coustaeu als Erfinder der Unterwasserfotografie. Vor seinen Aufnahmen hatte es solche Einblicke in die Unterwasserwelt noch nie gegeben. Sein Leben lang kämpfte er für den Schutz von Haien.

Von Dagmar Röhrlich | 23.01.2019
    Der österreichische Tier- und Expeditionsfilmer Hans Hass in einer Aufnahme von 1950
    Meeresforscher Hans Hass wollte den Mythos des Hais als mörderische Bestie widerlegen (imago/Zuma/Keystone)
    "Meine Damen und Herren, es gibt viel schöne und geheimnisvolle Länder auf der Welt, aber das schönste und geheimnisvollste von allen, so will mir scheinen, ist das Meer."
    So führte Hans Hass in den 1940er Jahren die Zuschauer in seinen Film "Menschen und Haie" ein. Es ist eine von mehr als 70 Dokumentationen, die der österreichische Meeresbiologe, Umweltschützer und Tauchpionier gedreht hat, um den Menschen das Meer nahezubringen.
    "Immer ist das Meer gleichermaßen schön und geheimnisvoll, geheimnisvoll deshalb, weil sich unter diesen endlosen Wogen ein fremdartiges Land ausbreitet, das letzte, das dem Menschen noch nicht zu erobern gelang."
    Auslöser war eine Reise an die französische Riviera
    Mit 18 Jahren entdeckte der am 23. Januar 1919 in Wien geborene Hans Hass dieses fremdartige Land für sich. Auslöser war eine Reise an die französische Riviera.
    "Mein Vater ist Rechtsanwalt gewesen in Wien, und es war ziemlich selbstverständlich, dass ich seine Kanzlei übernehmen würde. Dann bin ich durch Zufall mit dem Tauchsport in Berührung gekommen. (...) Durch diesen Kontakt mit den Fischen, das gab mir die Idee, dass hier vielleicht eine ganz neue Möglichkeit der Meeresforschung gegeben ist, indem man die Tiere nicht im Aquarium studiert und nicht seziert, sondern in ihrem eigenen Lebensraum, fischartig, amphibisch, sie studiert."
    Dafür entwickelte Hans Hass ein wasserdichtes Gehäuse für seine Kamera: Er wollte die Welt unter den Wellen fotografieren und filmen:
    "Das schaut ja aus wie eine Höllenmaschine. Ja, wie schwimmt man denn mit der Kiste überhaupt?" Hans Hass: "Kiste, bitte mehr Respekt vor meiner genialen Selbstkonstruktion!"
    Berühmte Aufnahmen von Korallen und einer Meeresschildkröte
    Hans Hass setzte seine Kamera 1939 auf einer Tauchreise in die Niederländischen Antillen und in die Karibik ein. Als er nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs auf Umwegen ins Deutsche Reich zurückgekehrt war, machten ihn die Aufnahmen mit einem Schlag berühmt: Korallen, Fischschwärme, eine Meeresschildkröte, die durch das Bild schwebt - Solche Einblicke in die Unterwasserwelt hatte es noch nie gegeben. Da Hass wehruntauglich war, konnte er 1942 zu einer neuen Expedition aufbrechen. Sein Ziel: die Ägäis, wo er erstmals ein von ihm entwickeltes Atemgerät nutzte:
    "Es brachte uns die Erfüllung unseres sehnlichsten Wunsches, nämlich länger unter Wasser bleiben und tiefer tauchen zu können, und dabei doch unsere freischwimmende Beweglichkeit nicht zu verlieren. Man schnallt es um und kann nun eine ganze Stunde lang unter Wasser verweilen."
    Dann, in den 1950er Jahren, brachte der Kinofilm "Abenteuer im Roten Meer" den internationalen Durchbruch für Hans Hass. In diesem Film, der die Biennale gewann, war an seiner Seite seine Assistentin und zweite Ehefrau Lotte zu sehen. "Hai-Köder – Lotte Hass schwimmt mit Menschenfressern" so titelte das englische "People Magazine". Mit den Einnahmen aus dem Film rüstete das Ehepaar das Forschungsschiff "Xarifa" aus. Eines der Projekte, das die beiden mit dem Dreimast-Schoner verwirklichten, war "Unternehmen Xarifa": ein oskarprämierter Dokumentarfilm mit Spielszenen über die Suche nach den größten Raubtieren der Meere – den Pottwalen.
    Haie spielten eine besondere Rolle
    Doch wie in allen seinen Filmen zuvor, spielten auch diesmal die Haie eine besondere Rolle. Hans Hass setzte sich sein Leben lang für ihren Schutz ein, wollte den Mythos der mörderischen Bestie widerlegen:
    "Ich war bisher der Ansicht, dass diese großen Haie sehr hungrig sind und deshalb sehr wohl zubeißen, also jetzt bin ich fast überzeugt, dass sie nicht nur schön sind und nicht nur fantastische Tiere, sondern dass sie vollkommen harmlos sind."
    1960 verkaufte Hans Hass die "Xarifa" und begann, sich mit Evolution zu befassen. Später wandte er sich vor allem Umweltthemen zu. Für ihn waren die größten Probleme der Welt verbunden mit dem Wirtschaftswachstum samt stetig steigendem Ressourcenbedarf - und der Bevölkerungsexplosion. Im Alter von 88 Jahren wandte er sich 2008 mit einem Appell an die Frauen der Welt:
    "Jeder Frau auf dem Planeten Erde wird das Recht bescheinigt, zwei Kinder zu gebären – aber nicht mehr."
    Die Leidenschaft fürs Tauchen begleitete Hans Hass bis ins hohe Alter: 2007 nahm er an einer Kreuzfahrt vor Port Sudan teil und unternahm dort einige Tauchgänge. Hans Hass starb am 16. Juni 2013 94-jährig in Wien. Mit seinen spektakulären Unterwasserfilmen hat er den Menschen weltweit die Meere nahegebracht.