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Vor 125 Jahren
Als der Bund Deutscher Frauenvereine gegründet wurde

1894 war es Frauen in Preußen und Bayern untersagt, sich politisch zu engagieren oder einer Partei beizutreten. Ihre Rolle - so die landläufige Meinung der Männer - lag vor allem in der Hausarbeit. Der Bund Deutscher Frauenvereine setzte sich gegen diese Benachteiligung ein und wurde zu einer Massenorganisation.

Von Regina Kusch | 29.03.2019
    Die Frauenrechtlerin und Autorin Auguste Schmidt 1887. Unter ihrem Vorsitz wurde am 29. März 1894 der Bund Deutscher Frauenvereine gegründet.
    Die Frauenrechtlerin Auguste Schmidt: Unter ihrem Vorsitz wurde am 29. März 1894 der Bund Deutscher Frauenvereine gegründet. (picture alliance/akg-images)
    "Betritt man des Vormittags eine Wohnung und glaubt die Näherin beim Kochen, so sitzt sie an ihrer Maschine und näht in fieberhafter Hast. Die Betten sind noch nicht gemacht, ein kleines, ungewaschenes Kind liegt in dem einen und schreit, ein älteres spielt an der Erde. Die Mutter kann sich nicht darum kümmern, denn es ist Liefertag. … Über die vom Arbeitgeber festgesetzte Zeit hinaus wird die Arbeit nicht abgenommen. … Dann gibt es für eine Woche keine Lohnzahlung."
    So beschrieb die sozialistische Frauenrechtlerin Ottilie Baader die Situation von Heimarbeiterinnen Ende des 19. Jahrhunderts. Frauen der unteren Schichten mussten zu Hause oder in Fabriken arbeiten, damit ihre Familien über die Runden kamen. Frauen aus dem Mittelstand dagegen durften kein eigenes Geld verdienen. Sie sollten heiraten und sich um Haushalt und Kinder kümmern. Bis 1908, so die Berliner Historikerin Gisela Notz, verbot in Bayern und Preußen ein Vereinsgesetz Frauen, sich politisch zu engagieren oder Parteien beizutreten.
    "Die Frauen waren völlig rechtlos, sowohl in der Familie, als auch im Beruf, viele Berufe waren verschlossen, sie hatten kein Wahlrecht, sie konnten nicht in die Universitäten, weil die alten Philosophen haben ja alle noch gesagt: Das geht gar nicht, viel zu kleines Gehirn, viel zu emotional, das war damals die vorherrschende konservative Meinung."
    Ziele des BDF: Bildung und Ausbildung für Frauen
    Seit Mitte des 19. Jahrhunderts organisierten sich Frauenrechtlerinnen in ganz Europa gegen diese Benachteiligung. Angeregt durch die Gründung des "Nationalen Frauenrates der USA", versammelten sich in Berlin Vertreterinnen von 34 Frauenvereinen, um einen Dachverband ins Leben zu rufen. Unter dem Vorsitz der Lehrerin Auguste Schmidt gründeten sie am 29. März 1894 den "Bund Deutscher Frauenvereine", BDF.
    "Die wichtigsten Ziele waren, sich für Bildung und Ausbildung für Frauen einzusetzen, und sie haben sich eingesetzt für Arbeiterinnenschutz und haben auch Beratung und Hilfestellungen dafür gegeben. Das Wahlrecht hat der BDF als Fernziel gesehen."
    Doch war es unmöglich, die unterschiedlichen Interessen aller Frauen, die in ein bürgerliches und ein sozialistisches Lager gespalten waren, gleichermaßen zu vertreten. Obwohl der "Bund Deutscher Frauenvereine" sich auch für die Belange von Arbeiterinnen und Dienstmädchen einsetzte, trat er vor allem für Bildung und Erwerbsmöglichkeiten für Mittelstandsfrauen ein. Aus Furcht, die Organisation könne wegen politischer Betätigung verboten werden, wurden die sozialistischen Frauenvereine im BDF nicht zugelassen.
    "Natürlich war auch der BDF ein politischer Verein, aber er hat eben keine progressive, gesellschaftsverändernde Politik vertreten. Wahrscheinlich hat er sich deshalb, aber auch wegen der Pluralität, schwergetan, eindeutig Position zu beziehen in bestimmten Fragen, die nicht ausschließlich als unpolitisch angesehen werden konnten."
    Mehr als 2.000 Vereine und eine halbe Million Mitglieder
    Unter dem Vorsitz der liberalen Frauenrechtlerin Gertrud Bäumer wurde der "Bund Deutscher Frauenvereine" zu einer Massenorganisation, der 1913 über 2000 Vereine mit einer halben Million Mitglieder angehörten. Der BDF forderte die staatliche Regulierung der Prostitution und setzte sich für eine Reform des Hebammenwesens ein. Über den Paragrafen 218, der Abtreibung mit Zuchthaus bestrafte, und die Wahlrechtsfrage stritten die fortschrittlichen und die konservativen Frauen bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs. Da rief Gertrud Bäumer den nationalen Frauendienst ins Leben, um die Männer an der Front durch einen Heimatdienst zu unterstützen, den sie eine "Kriegsübersetzung des Wortes Frauenbewegung" nannte.
    "Frauen haben in den Rüstungsbetrieben gearbeitet. Da haben die Sozialistinnen teilweise mitgemacht, aber Clara Zetkin, Käthe Duncker, Rosa Luxemburg haben gesagt, die wichtigste Aufgabe für eine Sozialistin und Internationalistin ist der Kampf gegen den Krieg."
    Mit der Weimarer Verfassung wurde Frauen schließlich das Wahlrecht zugestanden. Gertrud Bäumer blieb zweite Vorsitzende des BDF und zog 1919 als Abgeordnete der liberalen Deutschen Demokratischen Partei in den Reichstag, wo sie sich ebenfalls für Frauenfragen einsetzte. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten löste sich der "Bund deutscher Frauenvereine" auf. Seit 1951 sieht sich der "Deutsche Frauenrat" als Nachfolgeorganisation des BDF und ist heute mit rund 60 bundesweit aktiven Organisationen die größte frauenpolitische Lobby in Deutschland.