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Vor 125 Jahren
Erste motorisierte Omnibuslinie der Welt

Benzin gab es nur in der Apotheke, die Reifen sprangen ab und der Motor hatte fünf PS: Der erste Omnibus der Welt verkehrte vor 125 Jahren im Siegerland. Reisende mussten mit anpacken, wenn das Gefährt in einem Schlagloch stecken blieb. Trotz aller Probleme setzte sich die Idee langfristig durch.

Von Mathias Schulenburg | 18.03.2020
    Automobilgeschichte: Ein Benz Omnibus aus dem Jahr 1895 im Mercedes Museum in Stuttgart.
    Eher wie eine Kutsche und ähnlich unbequem: ein Benz Omnibus von 1895 (imago / Arnulf Hettrich)
    Für der Welt ersten Busbetrieb sei die Gegend nur bedingt geeignet gewesen, sagt Klaus Rabe, Herausgeber der Zeitschrift "Historischer Kraftverkehr". Denn:
    "Der Motor und überhaupt die ganze Technik, war ja noch nicht soweit ausgereift, dass man damit auch in bergigen Gegenden vernünftig fahren konnte. Es gab dann auch relativ schnell Probleme. Es war ein kleiner Fünf-PS-Motor, der in eine Kutsche eingebaut wurde, in einen sogenannten Landauer, so nennt man wohl die Bauart dieser Art der Kutsche, da hat der alte Karl Benz dann den Motor hinten im Heck eingebaut, das war ein liegender Einzylinder-Motor, und auch sonst war das ganze Gefährt eher eine Kutsche als das, was man sich heute unter Auto vorstellt."
    Zwei Mal pro Tag mit Platz für acht Personen
    Gleichwohl bediente das Gefährt, das am 18. März 1895 im Siegerland, einer Region im heutigen Nordrhein-Westfalen, seinen Dienst aufnahm, die erste Motor-Omnibuslinie der Welt. Die führte von Siegen über Weidenau und Netphen nach Deuz und zurück, zwischen 6:45 Uhr morgens und 20:55 abends, zweimal hin und zurück. Der Fahrgastraum war schon verglast und beheizbar, allerdings besaß die Strecke Widrigkeiten, die die Passagiere punktuell zum Verlassen dieses Refugiums zwangen. Klaus Rabe:
    "Es passten ja in das Fahrzeug acht Personen, und zwei saßen oben auf dem Bock, einer muss natürlich lenken weiterhin, und die anderen neun haben dann dahinter gestanden und haben den sogenannten Bus wieder aus irgendeinem riesengroßen Schlagloch herausgeschoben. Das ist öfters vorgekommen."
    Gehalten wurde an Gaststätten
    Das Problem der Haltestellen wurde zwanglos gelöst, man konnte schließlich auf die Errungenschaften der Pferdekutschenzeit zurückgreifen. Klaus Rabe:
    "Ja, man ist da gar nicht erst hergegangen und hat dort gelbe Schilder aufgestellt, wie man sich das heute vorstellt. Man ist einfach hergegangen und hat die Gaststätten genommen, die am Wegesrand lagen, und das war dann natürlich auch ganz passend, wenn es gerade mal eine Panne gab und so, dann hatten die Passagiere auch gleich die passende Versorgung."
    Ein motorisierter Omnibus der 'London Power Omnibus Company' um 1900 in London.
    Die Idee des motorisierten Omnibus setzte sich durch - wie hier in London um 1900 (picture alliance / Mary Evans Picture Library)
    Hatten sich die Kutschpferde noch aus dem Lande ernähren können, brauchte der Benzinmotor eben – Benzin. Klaus Rabe:
    "Das war ein Stoff, den man damals nur in der Apotheke bekommen konnte. Und es hat dann auch Probleme gegeben, dass also die Apotheken gar nicht entsprechend Benzin auftreiben konnten. Es war aber nun auch nicht einfach zu beschaffen, gerade in dieser abgelegenen Gegend, und man wollte ja immerhin mit dem Bus diese 15 Kilometer lange Strecke viermal am Tag fahren. Und das war dann doch eine Menge an Benzin, die sich nicht so ohne weiteres beschaffen ließ."
    Und dann wurden auch die Pferde der verbliebenen Postkutschen im Angesicht des Busses scheu, und für das einfache Volk war der Bus entschieden zu teuer, und dessen Vollgummireifen sprangen immer ab und mussten durch knirschende Eisenbereifung ersetzt werden und schließlich ...
    "Ja, so enthusiastisch man die Sache angefangen hat, genauso schnell war sie eigentlich auch wieder zu Ende. Noch im selben Jahr, 1895, im Dezember, hat man die Sache eingestellt, weil die Geldgeber dieser Sache, es waren Kaufleute aus der Gegend, sahen, also da ließ sich kein Geld damit verdienen."
    Hinterräder hingen an Baumwurzeln
    Aber den prinzipiellen Machbarkeitsbeweis hatte der Motorbus geliefert, die Idee lag in der Luft – und wurde wieder aufgegriffen. Klaus Rabe:
    "Der zweite Versuch nach der Strecke Siegen - Netphen - Deuz fand dann zwischen Bad Mergentheim und Günzelsau statt, auch eine Gegend, die durchaus bergig ist, und da hat es dann einen Zwischenfall gegeben, der glücklich verlief. Der Bus kam an einer abschüssigen Strecke ins Rollen und ließ sich mit der Bremse des Fahrzeugs nicht mehr so ohne weiteres aufhalten, blieb dann aber mit dem Hinterrad an einer Baumwurzel hängen – wäre das nicht passiert, wäre der ganze Bus eine dreißig, vierzig Meter tiefe Schlucht heruntergestürzt, und das wäre sicherlich für die Passagiere nicht glimpflich ausgegangen."
    Klimanöte und neue, elegante Techniken machen derzeit eine Renaissance des Buswesens wahrscheinlich, mit Wasserstoff, solarstromproduziert, flüsterleisen Antrieben, WLAN, vielleicht sogar handgeblasenen Willkommensgrüßen.