"Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt, denn das ist meine Welt und sonst gar nichts."
Mit diesem Evergreen setzte Marlene Dietrich Friedrich Hollaender ein musikalisches Denkmal. Er hatte 1930 die Musik zu Josef von Sternbergs Film "Der blaue Engel" komponiert. Hollaender, der auch mit Leib und Seele Kabarettist war, hat sich später gerne über diesen Welterfolg lustig gemacht.
Musik: "Der Song ist so alt, dass er vom Fleische fällt, aber was wollen Sie? Er macht noch immer Geld. Er ist von Kopf bis Fuß auf GEMA eingestellt, ´dass er sich da so hält, ist das gar nichts?"
Mit 13 Jahren die ersten Gagen am Klavier
Friedrich Hollaender, am 18. Oktober 1896 in London geboren, wuchs in einer erfolgreichen Künstlerfamilie auf. Sein Vater Victor Hollaender war ein bekannter Operettenkomponist und Dirigent der Musikkapelle im Zirkus Barnum & Bailey, wo seine Mutter Rosa Perl auf Kamelen ritt und Arien sang. Bereits als Kind spielte Friedrich virtuos Klavier und verdiente mit dreizehn seine ersten Gagen in Berlin, wohin die Familie um die Jahrhundertwende gezogen war. Er improvisierte die musikalische Untermalung für Stummfilme und wurde als Meisterschüler von Engelbert Humperdinck ausgebildet. Doch die Komik lag ihm näher als die Klassik, wie er immer wieder erzählte.
O-Ton Friedrich Hollaender: "Wie ich ein Kind war und schon so eine Art Wunderkind, da war mein Traum, eigentlich ein Musical-Clown zu werden. Ich habe mich ans Klavier gesetzt und habe irgendetwas Klassisches gespielt. Und dabei bin ich unvermutet, wie das Publikum dachte, durch den Aufprall eines Akkordes vom Stuhl geflogen auf die Erde, habe mich wieder erhoben, habe wieder was Komisches dazwischen gespielt. Also alles so, was ein Music-Clown eigentlich machen würde."
Bereits in den 1920er Jahren war er ein gefragter Theater- und Schlagerkomponist, wurde Hausmusiker im Kabarett "Schall und Rauch" und vertonte Texte von Kurt Tucholsky, Walter Mehring oder Joachim Ringelnatz. Für seine erste Frau, die Schauspielerin Blandine Ebinger, schrieb er die populären "Lieder eines armen Mädchens", wie die Ballade vom gestohlenen Groschen.
Musik: "Een Jroschn liegt uff meine Ehre, een Jroschn, unscheinbar und kleen, wenn ick et bloß nich jewesn wäre, ick kann mer jar nich mehr in Spiegel sehn."
1931 eröffnete der musikalische Tausendsassa, wie er oft genannt wurde, sein eigenes Cabaret, das Tingel-Tangel-Theater, das für seine Mischung aus erotischer, literarischer und politischer Satire bekannt und stets gut besucht war. Für sein Ensemblemitglied Annemarie Hase hatte er eine Parodie geschrieben, die regelmäßig für Gelächter sorgte.
Musik: "An allem sind die Juden schuld. Die Juden sind an allem schuld. Wieso, warum sind sie dran schuld? Kind, das verstehst du nicht, sie sind dran schuld."
Flucht vor den Nazis: Über Paris nach Hollywood
Den Nationalsozialisten war Hollaender nicht nur, weil er Jude war, sondern auch wegen seiner politischen Anschauung verhasst. 1933 flüchtete er mit seiner Familie über Paris nach Hollywood ins Exil. Dort versuchte er sein Tingel-Tangel-Kabarett wieder auferstehen zu lassen.
Obwohl Charles Chaplin ins Gästebuch geschrieben hatte, dass er niemals zuvor so sehr gelacht habe, wurde das Theater kein Erfolg. Doch für seine Filmmusiken wurde Hollaender mehrfach für den Oscar nominiert. Er arbeitete mit Regisseuren wie Billy Wilder, Ernst Lubitsch oder Michael Curtiz und schrieb weitere Hits für Marlene Dietrich.
1955 kehrte der 60-Jährige mit seiner vierten Ehefrau nach Deutschland zurück, wo er mit Kunstpreisen und dem Bundesverdienstkreuz geehrt wurde. In München schrieb er einige Revuen für das Theater "Die kleine Freiheit", doch an die Kabarett-Erfolge in der Weimarer Republik konnte er nicht mehr anknüpfen.
O-Ton Friedrich Hollaender: "In der deutschen Politik, als man bekam, was man wollte, nicht mehr hatte, was man angreifen konnte und aus Not auch noch das angriff, was man wollte und bekommen hatte, da wollte ich nicht mehr mitmachen, weil ich mir sagte, Kabarett muss gesellschaftskritisch sein oder sozialkritisch oder politisch kritisch. Ohne Angriffsfläche ist das Kabarett verloren."
1976, kurz vor seinem achtzigsten Geburtstag, starb Friedrich Hollaender in München. Seine Melodien werden bis heute immer wieder gespielt und neu interpretiert.