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Vor 125 Jahren starb Gustav Langenscheidt
Unermüdlicher Fremdsprachen-Vermittler

Gemeinsam mit Charles Toussaint entwickelte der Berliner Kaufmann Gustav Langenscheidt eine Methode, um im Selbststudium Sprachen zu erlernen. Nachdem ihn Verlage abblitzen ließen, gründete er kurzerhand einen eigenen. Am 11. November 1895 starb Langenscheidt in Berlin.

Von Alfried Schmitz | 11.11.2020
    Ein schwarz-weßes Porträtfoto des Sprachlehrers und Verlegers Gustav Langenscheidt
    Undatiertes Porträt Gustav Langenscheidts (picture-alliance / akg-images)
    "Es ist ein wahrhaft peinliches Gefühl, unter Menschen nicht Mensch sein und seine Gedanken austauschen zu können."
    Notiert Gustav Langenscheidt enttäuscht in sein Tagebuch. Nach einer Kaufmannslehre befindet sich der junge Mann aus Berlin zwischen 1851 und 1853 per pedes und Postkutsche auf einer Bildungsreise durch Europa. Doch wegen unzureichender Fremdsprachenkenntnisse kommt er den Menschen, denen er begegnet, nicht näher.
    Die Methode "Toussaint-Langenscheidt"
    Zurück in Berlin, nimmt er Kontakt mit dem Sprachlehrer Charles Toussaint auf. Mit ihm tüftelt Langenscheidt an einer Methode, die es Erwachsenen auf einfache Art ermöglichen soll, Französisch im Eigenstudium zu erlernen. Dazu Maria Ebert, Autorin einer Langenscheidt-Unternehmensbiografie:
    "Der Toussaint hat eben den Französisch-Part eingebracht. Ohne den wäre das mit Sicherheit nicht möglich gewesen. Das war ein Muttersprachler, der wurde in Nancy geboren."
    Gemeinsam entwickeln die beiden die "Methode Toussaint-Langenscheidt", bei der aktives Sprachtraining wichtiger ist als grammatikalische Regeln. Das Problem der korrekten Aussprache lösen sie durch eine leicht verständliche Lautschrift, so Maria Ebert:
    "Gustav Langenscheidt war sehr musikalisch, hat auch selber später nebenbei komponiert, und er hat die Notenschrift als Basis genommen für seine Lautschrift."
    Wegweisende Lautschrift
    Die perfekt ausgeklügelte Lautschrift bleibt im deutschsprachigen Raum über einhundert Jahre wichtige Grundlage beim Erlernen fremder Sprachen und wird erst Ende des 20. Jahrhunderts durch das Internationale Phonetische Alphabet ersetzt.
    Um eine möglichst breite Käuferschicht für seinen Sprachkurs zu gewinnen, plant Langenscheidt, ihn als Sammlung loser Blätter auf den Markt zu bringen, die man nach und nach günstig erwerben kann. Nun machte sich Langenscheidt auf die Suche nach einem Verleger, so Biografin Maria Ebert:
    "Er war bei den großen Verlagen in Berlin, unter anderem auch bei der 'Nicolaischen', hat aber keinen Verleger gefunden. Und dann hat er sich überlegt. Dann gründe ich eben einen eigenen Verlag und das hat er dann 1856 auch getan."
    Sprachenlernen - überall mit Sprachlern-Apps
    Ein paar Brocken Italienisch in der Toskana oder an der Costa Brava das Bier auf Spanisch bestellen – Fremdsprachen-Kenntnisse auffrischen geht auch mit Sprachlern-Apps.
    Sein selbstverlegter "Brieflicher Sprach- und Sprechunterricht für das Selbststudium der französischen Sprache" wird zum Renner. Bald folgen Ausgaben in Englisch, Latein, Alt-Griechisch, Italienisch, Spanisch.
    Der Clou an dem Selbststudium ist, dass die Sprachschüler ihren Wissensstand zuhause mit Hilfe von Schablonen selbst überprüfen können Und, so Maria Ebert:
    "Am Schluss gab es einen Test, und wenn man den bestanden hatte, dann hat man ein grafisch außerordentlich schön gestaltetes Diplom erhalten."
    "Ohn‘ Fleiß kein Preis"
    Auch beim Firmenlogo setzt Gustav Langenscheidt auf opulente Grafik. Eine Weltkugel und drei miteinander verbundene Hände, die Deutschland, Frankreich und England symbolisieren, sollen deutlich machen, wie wichtig das Erlernen von Sprachen für die Völkerverständigung ist. Unter der Zeichnung der markante Großbuchstabe "L" und ein Spruchband mit Langenscheidts persönlichem Motto:"Ohn‘ Fleiß kein Preis".
    "Das war ein extrem disziplinierter Mensch.", sagt Maria Ebert, "Der ist zum Beispiel jeden Morgen um zwei Uhr aufgestanden, arbeitete dann bis neun Uhr und dann wieder von 14 bis 21 Uhr. Dadurch ergab sich so ein Turnus von jeweils sieben Stunden Arbeit und fünf Stunden Schlaf bzw. Muße-Zeit."
    Langenscheidt macht mit seinen Publikationen nicht nur viel Geld. Der Autodidakt erlangt auch in wissenschaftlichen Kreisen einen guten Ruf. 1874 wird der Verleger zum Professor ehrenhalber ernannt, so Maria Ebert:
    "Zu seinen Förderern gehörte der Berliner Neu-Philologe Prof. Dr. Ludwig Herrig. Und so ein Lob aus dem Mund eines renommierten Sprachwissenschaftlers, das war der Humus, der Gustav Langenscheidts ehrgeiziges Unternehmen gedeihen ließ. "
    Familienunternehmen bis 2013
    Besonders viel Ehrgeiz steckt Langenscheidt in ein enzyklopädisches deutsch-französisches Wörterbuch, für das er die bedeutenden Romanisten Karl Sachs und Césaire Villatte gewinnen kann.
    Die Vollendung einer 1891 begonnenen Deutsch-Englischen Enzyklopädie erlebt Gustav Langenscheidt nicht mehr. Er stirbt am 11. November 1895 im Alter von 63 Jahren. Nach dem Tod des Vaters übernimmt Carl Georg das Unternehmen, das dann bis 2013 in Familienbesitz bleibt.