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Vor 125 Jahren
US-Ingenieur Jesse W. Reno erhält Patent auf die erste Rolltreppe

Europas spektakulärste Rolltreppe hat zur Zeit die Hamburger Elbphilharmonie: Sie ist 82 Meter lang und führt in Bogenform vom Eingang bis zum sechsten Stock. Höhenflüge, von denen der amerikanische Ingenieur Jesse W. Reno nur träumen konnte: Seine Rolltreppe, für die Reno 1892 das Patent erhielt, war gerade einmal knapp zwei Meter lang.

Von Mathias Schulenburg | 15.03.2017
    Menschen stehen am 21.11.2013 in Berlin auf Rolltreppen in einem Kaufhaus.
    Egal ob Kaufhaus, Flughafen oder S-Bahnstation: Rolltreppen sind das Mittel der Wahl, um viele Menschen schnell zu transportieren. (picture alliance / dpa / Ole Spata)
    So ungefähr lärmte, 1894, die erste funktionierende Rolltreppe der Welt, aufgestellt im Vergnügungspark Coney Island, einer Halbinsel vor New York. In den 14 Tagen ihres Betriebes beförderte die Konstruktion 7.500 Passagiere. Die Zeitungen staunten:
    "Die Kapazität der Rolltreppe beträgt 3.000 Personen pro Stunde und kann durch Verbreiterung noch erhöht werden. Das System hat sich gegenüber Aufzügen als vielerorts überlegen herausgestellt, da es kontinuierlich und ohne Verzögerungen Menschen transportiert und kein Bedienungspersonal erfordert."
    Das Patent für das famose, einer Gangway-Flugzeugtreppe ähnelnde Transportsystem hatte am 15. März 1892 der amerikanische Ingenieur Jesse Reno erhalten.
    Reno, 1861 in Fort Leavenworth im Bundesstaat Kansas geboren, hatte nicht nur die Rolltreppe erfunden, er entwarf auch eine Art Unterseeboot zur Bergung von Schiffswracks, dann die frühe Version eines Flugzeugträgers und ein elektrisches Eisenbahnsystem für die Vereinigten Staaten. Er starb 1947 in New York; einige seiner Konstruktionen waren noch bis in die 1990er-Jahre in Betrieb.
    Die auf Coney Island installierte Rolltreppe überbrückte damals nur zwei Meter und zehn Zentimeter. Die geringe Höhe war kein Zufall, denn das Gerät sollte ursprünglich lediglich die oberen Etagen doppelstöckiger U-Bahnwagen erreichbar machen.
    Erste Rolltreppe in Deutschland
    In den USA machte die Rolltreppe schnell Furore, auch in den Fabriken. In Deutschland wurde die erste Rolltreppe 1925 in Betrieb genommen, im imposanten Kölner Kaufhaus Tietz, heute Galeria Kaufhof. Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges und der anschließenden Hyperinflation war das Publikum für angenehme Neuerungen aufgeschlossen. Eben auch für die Rolltreppe, sagt Petula Schepers, Geschäftsführerin des traditionsreichen Hauses in der Kölner Hohe Straße:
    "Das wurde damals als der letzte Schrei, dernier cri, beschrieben und die Menschen hier in der rheinländischen Metropole, die kamen wirklich hierhin und haben sich das angeschaut, der ein oder andere anfänglich doch ein bisschen ängstlich, aber das hat sich dann schnell auch mit der Beschreibung und dem Vorleben von anderen ja ausgesteuert, sodass man dann auch die Rolltreppe wirklich gerne benutzt hat."
    Technisch war die Rolltreppe für die Kaufhäuser das Transportmittel der Wahl, sagt der Archivar des Hauses Dr. Rudolf Schmidt.
    "Es war ja für die Warenhäuser immer das Problem, dass man in beengten Innenstädten war und dann die Verkaufsflächen über mehrere Etagen verteilt waren und dann musste man halt sehen, wie man die Kunden in die oberen Geschosse bekam. Und Leonard Tietz fängt da schon 1895 an hier in Köln mit einem öffentlich benutzbaren Personenaufzug, der eine Attraktion war in der Zeit, aber sowas stößt natürlich dann irgendwo an eine Kapazitätsgrenze relativ schnell, und da ist man mit der Rolltreppe dann doch besser bedient."
    1963 wurden in Köln Rolltreppen mit gläsernen Seitenteilen eingeführt.
    "Die erste gläserne Rolltreppe hier wurde damals eröffnet von dem japanischen Botschafter, und der hatte Hostessen mit in Begleitun und die waren dann alle gekleidet in wunderschönen bunten Kimonos, das muss man sich dann so vorstellen: In so einem Lichthof fahren die Damen mit diesen wunderbaren Kimonos die Rolltreppe, und das war ein echtes Highlight."
    Zukunftsvisionen
    Wie geht es mit der Rolltreppe weiter? Mit Nanotechnologie sind ganz und gar utopisch anmutende Transportbänder denkbar, wie die "Fingerstraße". Wenn – woran gearbeitet wird – praxistaugliche Kunstmuskeln verfügbar sind, könnte man sich eine mit Winkelementen, Fingern, ausgelegte Straße vorstellen, die darauf befindliche Gegenstände durch Winken transportieren, auch bergauf. Wie jene Zellgeißeln, Cilien, die Staubteilchen aus der Lunge wedeln.
    Andererseits: Die New Yorker verteidigen jetzt schon die alte Rolltreppe im Kaufhaus Macy's mit Seitenteilen aus Holz, die in der Tat herzerwärmende Geräusche abgibt. Und die Fingerstraße kitzelt womöglich auch noch.