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Vor 150 Jahren
Das erste Pferderennen auf der Galopprennbahn Hoppegarten

Pferderennen waren in Berlin vor 150 Jahren der Volkssport. Sie vereinten Adel, Militärs und die Arbeiter, die aus ihren Mietskasernen an den Sonntagen zur Rennbahn strömten - um zu wetten und sich zu amüsieren. Vor 150 Jahren wurde Hoppegarten feierlich eröffnet und erlebte seitdem turbulente Zeiten.

Von Regina Kusch | 17.05.2018
    Zuschauer sehen sich auf der Rennbahn Hoppegarten einen Lauf an, aufgenommen 2012
    Zuschauer sehen sich auf der Rennbahn Hoppegarten einen Lauf an (picture alliance / dpa / Florian Schuh)
    "Wir stehen hier auf der Club-Tribüne, blicken auf die Rennbahn, ein Riesenareal, 24 Hektar, die ganzen Bäume sind im Frühjahrsgrün, Hunderte von Gästen, die hier auf der Picknickwiese essen, spielen, trinken, ein paar Wetten machen und auf das nächste Rennen warten. Das finde ich hier eine sehr schöne Atmosphäre."
    40 000 Zuschauer, wie in den besten Zeiten vor den Weltkriegen, lockt Hoppegarten heute nicht mehr an. Aber Gerhard Schöningh, seit zehn Jahren Besitzer der geschichtsträchtigen Galopprennbahn östlich von Berlin, freut sich auch über die gut 6000 Besucher und ist überzeugt, dass seine Rennbahn in Zukunft wieder die Nummer eins in Deutschland werden könnte.
    "Es sind erstmal die Dimensionen. Die runde Bahn, die ist 2400 Meter lang, viele der Bahnen im Westen sind eher 1700 bis 2000. Dann ist es die Breite des Geläufs, die ist hier 30 Meter, wir können fast überall 20 Pferde starten, und das ist bei den meisten anderen Bahnen 15 bis 20 Meter. Und dann haben wir die gerade Bahn, 1400 Meter lang, das gibt es nur hier."
    Galopprennbahn nach Pariser Vorbild
    Das Areal war Teil eines Rittergutes vor den Toren Berlins, auf dem seit dem 18. Jahrhundert Hopfen angebaut wurde – daher der Name Hoppegarten. Wilhelm I. (*) hatte ein Ausweichgelände gesucht, da die Rennbahn auf dem kaiserlichen Exerzierplatz in Tempelhof nicht mehr repräsentativ genug war. Auf dem Gutshof ließ er eine Galopprennbahn nach Pariser Vorbild errichten: mit Stallungen, zusätzlichen Trainingsbahnen für die Vollblüter, großzügigen Tribünen, einer Villensiedlung und einer neuen Bahnverbindung in die Hauptstadt.
    Am 17. Mai 1868 eröffneten der Preußenkönig und Reichskanzler Otto von Bismarck mit vier Hindernisrennen feierlich die Hauptstadtrennbahn.
    "Ende des 19. Jahrhunderts war es ein Sport des Adels, von Militärs, es gab sehr viele Kavalleristen, die ritten. Und dann wurde es in den 20er, 30er Jahren ein richtiger Massensport, wie heute Fußball. Und wenn eine Berliner Mutter sagte, ‚mein Junge ist beim Sport‘, hieß das, der ist Jockey. Und Sport, das waren Pferderennen."
    Während des Ersten Weltkrieges wurde renommierten britischen und amerikanischen Reitern die Teilnahme an den Rennen untersagt. Doch das tat der Begeisterung der Massen keinen Abbruch. Die Anlage wurde ausgebaut und 1935 erlebten dort 45 000 Schaulustige den Großen Preis von Berlin. Erst in den beiden letzten Kriegsjahren wurde die Rennbahn zur Rüstungsfabrik umfunktioniert.
    "Dann war natürlich die Deutsche und Berliner Teilung ein Rieseneinschnitt. Das heißt Westberliner, Westdeutsche und auch westeuropäische Pferde, Fans, Reiter, Besitzer konnten hier im Kalten Krieg praktisch gar nicht mehr hingehen, das hatte keinen Reiz."
    Keine schwarze Zahlen
    Die Galopper im verstaatlichten Hoppegarten wurden zum Volkseigentum. In der DDR fristete der Pferderennsport 40 Jahre lang ein Nischendasein. Doch bereits ein halbes Jahr nach dem Mauerfall fand dort der erste deutsch-deutsche Renntag statt. Schwarze Zahlen schrieb die Rennbahn zwar nicht, obwohl man in den Neunzigerjahren sogar Elefanten und Kamele an den Start schickte, um zusätzlich Schaulustige anzulocken. Aber heute hat sich Hoppegarten ein kleines Stammpublikum zurückerobert.
    "Ich war das erste Mal hier, als die Grenze aufging. Und das hat mir wunderbar gefallen. - Für mich die schönste Bahn Deutschlands, das Flair auf der Rennbahn, die Leute, man lernt immer neue Leute kennen, nette Leute kennen. Jede Stadt braucht so was, weil es mit Natur, Pferden und Eleganz zu tun hat. Und wenn wir das nicht haben, dann werden die Hüte aussterben. Denn ich finde, Hüte gehören hierher."
    Genauso wie die Pferdewetten, denn es ist immer noch Tradition, in Hoppegarten wenigstens ein paar Euro zu riskieren.
    "Wenn man wettet, man verfolgt die Pferde im Rennen einfach besser. Das Pferd, was ich gewettet habe, beobachte ich natürlich. Und dann fangen Sie ja an zu schreien, wenn Sie Glück haben. Und wenn Sie Pech haben, dann lassen Sie den Kopf eben hängen. Das gehört dazu."
    Vor zehn Jahren wurden die maroden Bauten und Tribünen aufwendig saniert. Seit 2013 ist Hoppegarten ein Denkmal von nationaler Bedeutung. Etwa zehn gut dotierte Rennveranstaltungen im Jahr, wie z.B. "der große Preis von Berlin" oder "der Renntag der Deutschen Einheit" mit internationalem Publikum haben sich inzwischen etabliert und ziehen immer mehr Anhänger des Pferdesports wieder nach Hoppegarten.
    (*) Anmerkung der Redaktion: In einer ursprünglichen Version war irrtümlich von Friedrich Wilhelm I. die Rede. Wir haben den Text und den Beitrag korrigiert.