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Vor 150 Jahren geboren
Der Verleger Albert Langen - Gründer des "Simplicissimus"

Albert Langen gründete 1893 in Paris den gleichnamigen Verlag. Ein Jahr später ging es nach München. Das Buchprogramm umfasste vielgelesene französische, deutsche und russische Werke. Als Langens größter Renner aber erwies sich eine berühmte Satirezeitschrift.

Von Ulrich Zwack | 08.07.2019
    Mehrere Cover der Zeitschrift Simplicissimus.
    Die Satirezeitschrift "Simplicissimus" brachte Langen eine Menge Ärger ein (Imago / teutopress)
    "(In der Münchner Kaulbachstraße) hat Langen seinen Verlag untergebracht. Mit seiner Lebhaftigkeit, seinem klaren Verstand, seinem Unternehmungsgeist, seinem raschen Zugreifen erinnerte er mich an jene Leute der neuen Welt, denen alles gelingt."
    So der französische Journalist Jules Huret über ein Treffen mit Albert Langen, dem Gründer des gleichnamigen Verlages. Der Münchner Kulturwissenschaftler Klaus Hübner bringt Langens Bedeutung auf die knappe Formel:
    "Er war sicher in gewisser Weise ein Idealist, das ganz bestimmt. Andererseits, was ihn auch im Gedächtnis behalten lässt, ist, dass er ein moderner, für seine Zeit sehr moderner Verleger war."
    Geboren wird Albert Langen am 8. Juli 1869 in Antwerpen als Sprössling einer rheinländischen Industriellen-Familie. Kindheit und Jugend verbringt er in Köln. Dann wechselt er nach Paris, um Malerei zu studieren, lernt dort aber viele französische und skandinavische Literaten kennen - und beschließt, einen Verlag zu gründen, der ihre Bücher in deutscher Übersetzung im Wilhelminischen Kaiserreich verbreiten soll.
    Im Verlagsleben hält ein neuer Geist Einzug
    "Paris, den 1. Dezember 1893. Durch Gegenwärtiges beehre ich mich Ihnen mitzuteilen, daß ich unter der Firma Albert Langen einen Kunst- und Buchverlag begründet habe. Hochachtungsvoll Albert Langen."
    Bald muss Langen erkennen, dass ein auf den deutschen Markt ausgerichteter Verlag sich nicht aus dem Ausland leiten lässt. Also verlegt er den Firmensitz erst kurzzeitig nach Leipzig und dann, 1895, dauerhaft nach München.
    München ist um 1900 eine regelrechte Boomtown. Innerhalb von 50 Jahren ist die Einwohnerzahl von 120.000 auf eine halbe Million gestiegen. Zudem gilt die Stadt als eine der führenden Kunst- und Kulturmetropolen Europas. Sie als Verlagsstandort zu wählen, scheint also naheliegend. Auch andere Jungverleger wie Reinhard Piper oder Georg Müller zieht es an die Isar. Und wie diese sorgt auch Langen dafür, dass im Verlagsleben ein neuer Geist Einzug hält.
    Hübner: "Er hat sich nicht besonders engagiert für irgendeine politische Position oder für irgendeinen seiner Autoren, sondern er war für alle gleichmäßig da und hat geschaut, dass er einen modernen Verlag führt."
    Das Verlagsprogramm enthält zunächst nur übersetzte französische und skandinavische Titel, wird aber bald auch um die Werke deutscher Autoren erweitert, allen voran Frank Wedekind. Daneben ruft Langen die berühmte Satirezeitschrift "Simplicissimus" ins Leben, ein bissiges Magazin, das ihm letztlich eine Menge Ärger einbringt.
    "Die Zeitschrift ist gut angekommen, zuerst bei Künstlern und Intellektuellen natürlich. Ihm hat es sicher mehr Ärger als Freude eingebracht, denn es war ja politisch heikel. In der Kaiserzeit war man mit dem Vorwurf der Majestätsbeleidigung schnell dabei. Und das ist ja auch prompt passiert. Anlass: Die Orient- oder Palästinareise des Kaisers."
    Tatbestand der Majestätsbeleidigung erfüllt
    Diese Reise fand im Jahr 1898 statt und der "Simplicissimus" widmete ihr eine eigene Nummer, in der unter anderem ein mit Hieronymus unterzeichnetes Spott-Gedicht veröffentlicht wurde.
    Im Kaiserreich erfüllt es den Tatbestand der Majestätsbeleidigung. Folglich werden der Verfasser Hieronymus, hinter dem sich Frank Wedekind verbirgt, sowie Thomas Theodor Heine, der Zeichner des Titelblatts, zu mehreren Monaten Festungshaft verurteilt, Albert Langen aber, der als verantwortlicher Redakteur eine viel höhere Strafe zu erwarten hat, flieht für fünf Jahre nach Paris. Erst dann wird er gegen die Zahlung von 20.000 Mark begnadigt und kann die Verlegertätigkeit in München wieder aufnehmen.
    Albert Langen denkt nicht nur als Verleger modern, sondern auch als Mensch. Er ist stets nach der neuesten Mode gekleidet, hat ein leicht dandyhaftes Auftreten, gilt als Lebemann, der ständig unter Strom zu stehen scheint, um alle möglichen Ideen zu verwirklichen. Er besitzt eine soziale Ader, bezahlt Mitarbeiter und Autoren überdurchschnittlich. Er begeistert sich für schicke Autos und für die Fliegerei. Beides wird ihm schließlich zum Verhängnis: Im Frühling 1909 verfolgt er im offenen Wagen vom Boden aus das ultramoderne Luftschiff des Grafen Zeppelin. Dabei zieht er sich eine schwere Mittelohrentzündung zu - und erliegt ihr am 30. April 1909 im Alter von noch nicht einmal 40 Jahren.