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Vor 190 Jahren vergeben
Das Patent auf die Mutter der Schiffsschrauben

Joseph Ressel, Forstbeamter und Erfinder, entwickelte mit seiner Schiffsschraube den Prototypen des modernen Schiffsantriebs. Am 11. Februar 1827 erhielt er auf seine Schraube ein Patent. Dessen Nutzung standen allerdings zahlreiche Widrigkeiten im Wege.

Von Mathias Schulenburg | 11.02.2017
    Ein 32 Tonnen schwerer Schiffspropeller mit einem Durchmesser von sieben Metern aus der Gießerei Mecklenburger Metallguss in Waren an der Müritz (Mecklenburg-Vorpommern) wird am 19.12.2014 mit Hilfe von zwei Kränen aufgestellt.
    So sehen Schiffsschrauben rund 190 Jahre später aus - einer ihrer Erfinder war Joseph Ressel. (dpa / picture alliance / Jens Büttner)
    Josef Ludwig Franz Ressel, geboren am 29. Juni 1793 in der ostböhmischen Kleinstadt Chrudim, der Vater Deutscher, die Mutter Tschechin, war ein Mann mit vielen Talenten, den ein rastloser Wille zur Verbesserung alter und Erfindung neuer Techniken umtrieb. Zu den Gegenständen seines Interesses zählt ein Projekt der Technischen Universität Graz ...
    "... eine Wein- und Ölpresse, ein Apparat zum Extrahieren vegetabiler Färbestoffe, ein Lager ohne Reibung und Schmiere … ein stufenlos verstellbarer Pflug, eine pneumatische Briefrohrpost zwischen Wien und Triest und ein Vorläufer der heutigen Aufzüge in Bergwerken. … Mit seinem Jahresgehalt von 800 Gulden ist Ressel zwar nicht zu schlecht bezahlt, aber die Patente sind auch teuer, und so wird der Vater von zehn Kindern aus zwei Ehen zwar satt, aber nicht reich."
    So, wie sich ein Korkenzieher in Kork bohrt
    Das Gehalt bekommt Ressel vom Kaisertum Österreich für seine Tätigkeit als Marineförster. Ressel hatte große Wälder anzulegen und zu pflegen, deren Holz für den Aufbau einer Flotte tauglich sein sollte. Mit Triest hatte Österreich einen Zugang zum Meer.
    Hier nun kommt Ressels berühmtestes Patent zum Tragen, denn es hatte mit Schifffahrt zu tun. Es soll – angeblich – von der Öffnung einer Weinflasche inspiriert worden sein:
    So, wie sich ein Korkenzieher in Kork bohrt, sollte sich eine am Bug eines Schiffes befestigte, mit Dampfkraft gedrehte Archimedische Schraube – ähnlich einer Korkenzieherschraube, nur viel größer – in das Wasser bohren und das solcherart begünstigte Schiff schneller voranbringen als die üblichen Schaufelräder.
    Die Technische Universität Graz sah persönliche Gründe für den Eifer des Erfinders:
    "Ressel ist zu dieser Zeit in den Küstenwäldern der oberen Adria beschäftigt und muss immer wieder zwischen Venedig und Triest den Linienraddampfer Carolina II des englischen Geschäftsmanns William Morgan in Anspruch nehmen, was 19 Stunden Lärm und Dreck bedeutet. Leider hat Morgan das Monopol auf diese Linie."
    Schließlich mutierte Ressels Korkenzieherschraube durch Verkürzung und Verformung zu einem tauglichen Antriebselement, das nun am Heck aus dem Schiff ragte, gefolgt vom Schiffsruder, eine Konfiguration, die sich dauerhaft bewährt hat. Am 11. Februar 1827 erhielt Ressel auf seine Schraube ein Patent, dessen Nutzung freilich zahlreiche Widrigkeiten im Wege standen, darunter chronischer Geldmangel und mehr als einmal betrügerische Geschäftsleute. Am 1. Juli 1829 gelang Josef Ressel mit dem Schiff Civetta die erste erfolgreiche Testfahrt mit einer Schiffsschraube, bei der freilich die Dampfmaschine ihren Geist aufgab, woraufhin die Triester Polizei auf Drängen des Monopolisten William Morgan weitere Versuche untersagte.
    Posthum auf dem Erfinderolymp
    Als Ressel 1857 starb, wurde er von einer Ruhmeswoge in den Erfinderolymp getragen: Tschechien, Slowenien, Österreich, Kroatien, Italien und Deutschland beanspruchten den "Erfinder der Schiffsschraube" als einen der ihren. Nur: Viele technische Handbücher, auch große Enzyklopädien, kennen ihn nicht.
    Die Unstimmigkeiten zu klären, schickte die Wiener Zeitung ihre Leser auf Spurensuche. Die wurden schon am Naheliegenden, dem Resseldenkmal an der Wiener Technischen Universität, fündig. Denn dessen lateinische Inschrift verrät:
    Zitat
    "Ressel wird // für die erste Anwendung des neuen Antriebs für Schiffe, nicht aber für dessen Erfindung geehrt."
    Eine Kommission der Akademie der Wissenschaften hatte 1861 gar befunden, Ressel sei nur einer von dutzenden Erfindern, die sich damals mit der Schiffsschraube beschäftigten.
    Warum dann die Verehrungshysterie um Ressel? Eine mögliche Erklärung heute: Die Nationalstaaten benötigten damals Symbolfiguren, die den technischen Glanz der Moderne repräsentierten. Und Ressels Werdegang erlaubte vielen die Teilnahme am Ruhm.
    In Wien wurde nach Franz Ressel, dem geschäftlich wenig Erfolgreichen, ein schöner Park an der Ringstraße benannt, in dem auch sein Denkmal steht. Dass er darauf nicht als Erfinder genannt wird, mag Ressel geahnt haben: Er blickt hier wie auf Briefmarken und Geldscheinen deutlich verärgert knapp am Betrachter vorbei.