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Vor 25 Jahren
Tod des amerikanischen Filmemachers Frank Capra

Er schloss ein Chemiestudium ab, verdiente sein Geld als Zeitungsausträger, Pokerspieler, Filmstatist, Handelsvertreter, Farmarbeiter und war lange Zeit arbeitslos. Dann erst bewarb sich Frank Capra auf ein Inserat als Regisseur. Und wurde zu einem der wichtigsten amerikanischen Filmemacher.

Von Katja Nicodemus | 03.09.2016
    Der amerikanische Filmregisseur Frank Capra, aufgenommen in Madrid. Er starb am 3. September 1991 in Palm Springs.
    Der amerikanische Filmregisseur Frank Capra, aufgenommen in Madrid. Er starb am 3. September 1991 in Palm Springs. (picture alliance / dpa / EPU Europa Press)
    Mit 85 Jahren steht er wieder einmal auf der Bühne. Drei Mal hat Frank Capra bereits den Oscar des besten Regisseurs gewonnen, sein Roadmovie "Es geschah in einer Nacht" und die Screwballkomödie "Lebenskünstler" gewannen in den 30er-Jahren den Oscar für den besten Film. Und nun wird Frank Capra 1982 auch noch vom American Film Institute für sein Lebenswerk geehrt. In seiner Rede dankt er seiner Frau, seinen Kindern, seinen Enkeln, seinen verstorbenen Eltern und Geschwistern, seinen Schauspielerinnen und Schauspielern, seinen Kameramännern, Drehbuchautoren, Cuttern, und fragt sich, wie um alles in der Welt er es auf diese Bühne geschafft hat.
    "How the hell did I get up here?"
    In dieser schönen und bewegenden Rede erzählt Frank Capra, wer er ist: Francesco Rosario Capra, Sohn eines sizilianischen Obstpflückers. Jüngstes von sieben Kindern, das im Alter von fünf Jahren mit seiner bitterarmen Familie in die USA kommt. Ein Einwanderer, der bei der Einfahrt des Schiffes in New York gemeinsam mit seinem Vater die Freiheitsstatue wie eine göttliche Erscheinung bestaunt. Und der seine Haltung zum Kino auf den Werten aufbauen wird, die diese Statue verkörpert.
    In all seinen Filmen ergreift Capra die Partei der einfachen Leute
    "Heute werde ich Ihnen mein Geheimnis verraten. Frank Capras Kunst ist sehr, sehr einfach. Sie beruht auf der Liebe zu den Menschen. Fügen Sie dieser Liebe zwei einfache Ideale hinzu: die Freiheit des Individuums. Und die Gleichberechtigung aller – dann haben Sie das Prinzip, auf dem alle meine Filme beruhen."
    In all seinen Filmen wird Frank Capra die Partei der sogenannten einfachen Leute ergreifen. Schon in seinem ersten erfolgreichen Spielfilm "Es geschah in einer Nacht" schickt er 1934 eine von Claudette Colbert gespielte Millionenerbin auf eine Reise durch die USA, mitten hinein in die Lebensbedingungen der Unterschicht während der Großen Depression. Capra hat ein soziales Anliegen, nimmt bald Einfluss auf die Themen und Drehbücher seiner Filme.
    1939 entsteht Frank Capras große Americana-Erzählung "Mr. Smith geht nach Washington". James Stewart spielt einen idealistischen Pfadfinderführer, der als Senator in die amerikanische Hauptstadt gerufen wird – dort aber als Strohmann für korrupte Machenschaften missbraucht werden soll. Bis heute ist der Film eine Art Blaupause für das politische Amerika. Er zeigt die Arroganz der Washingtoner Politprofis gegenüber der Provinz: "Unser Pfadfinder, der taucht auf, der hat garantiert einen Kompass bei sich!"
    Der Film handelt von einer Jugend, die in der amerikanischen Hauptstadt korrumpiert wird, in Gestalt einer von Jean Arthur gespielten Sekretärin. "Als ich damals hierher gekommen bin, waren meine Augen große blaue Fragezeichen, jetzt sind sie große grüne Dollarzeichen."
    Armut und soziale Ungerechtigkeit werden nicht beschönigt
    "Mr. Smith geht nach Washington" zeigt auch die Verkommenheit und Sensationsgier einer Presse, die nicht aufklären, sondern unterhalten will.
    "Schreiben Sie doch zur Abwechslung mal die Wahrheit!"
    "Ha, ha, die Wahrheit!"
    Immer wieder stellt Frank Capra in seinen Filmen Helden in den Mittelpunkt, die ihre Ideale gegen eine gierige Umwelt verteidigen müssen. Die geächtet, verleumdet, betrogen und sogar für geisteskrank erklärt werden, weil sie zu ihren Überzeugungen stehen. Genau dazu fordert Frank Capra auch die junge Regisseursgeneration in seiner Rede auf:
    "Folgt keinen Trends
    begründet Trends.
    Geht keine Kompromisse ein.
    Glaubt an Euch.
    Nur Tapfere sollten schöpferisch tätig sein.
    Nur Wagemutige sollten Filme machen.
    Nur die moralisch Mutigen haben das Recht, zwei Stunden lang im Dunkeln
    zu ihren Mitmenschen zu sprechen."
    Frank Capra, der am 3. September 1991 im kalifornischen La Quinta im Alter von 94 Jahren starb, war kein Regisseur der sentimentalen Happy Endings. Die Bösen werden bei ihm fast nie bestraft, weil, so Capra, dies auch im richtigen Leben nicht geschehe. Armut und soziale Ungerechtigkeit, die den Hintergrund so vieler seiner amerikanischen Erzählungen bilden, werden nicht beschönigt. Auch nicht in seiner Lebenswerk-Rede. Am Ende erinnert sich Frank Capra an die 13-tägige Überfahrt von Sizilien in die USA. Seinen sechsten Geburtstag feiert er im schwarzen Loch des Schiffsbauchs, umgeben von Armut, Schmutz, Krankheit, erschöpften und furchtsamen Immigranten. 79 Jahre später nimmt man ihm ab, dass er immer noch den Boden des Landes küssen möchte, das ihn damals aufnahm.
    "But for America, just for living here, I kiss the ground. Thank you very much."